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Chancengerechtigkeit und Karriere
Kein softes Gedöns
Die Versicherungskammer Bayern engagiert sich für mehr Chancengerechtigkeit unter den Beschäftigten. Dadurch haben sich Karrierewege, internes Engagement und Führung im Konzern verändert. Was spontan begann, liest sich heute wie ein sieben-Punkte Plan.

„Es liegen ganz klare Vorteile für ein Unternehmen darin, wenn man sich die Vielfalt der Talente, die man im Haus hat, bewusstmacht und dann diese Vielfalt auch nutzt“ sagt Edith Strauß, Abteilungsleiterin Unternehmenskommunikation im Konzern Versicherungskammer. Sie hat die Entwicklung eng begleitet und profitiert selbst von den Ergebnissen – doch dazu später mehr.

Punkt eins: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen

Schon 2012 hatte der Konzern Versicherungskammer zwei weibliche Vorstandsmitglieder. Sie starteten mit weiteren Führungskräften einen runden Tisch, um die Karrierechancen für Frauen zu verbessern. Daraus entstand ein bis heute aktives „Frauennetzwerk“, dessen Arbeit sich aber auch an Männer richtet und generell die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert.

Vieles, was heute der gesamten Belegschaft zur Verfügung steht, entstand aus dem konkreten Bedarf von Frauen im Job. Dazu gehören zeitliche Flexibilität und die Möglichkeit, auch von zuhause zu arbeiten. „Das haben wir aufgegriffen und hatten schon früh eine konzernweite Vereinbarung für mobiles Arbeiten“ berichtet Edith Strauß. „Das hat uns im Corona-Jahr gut getragen.“

Punkt zwei: Veränderung für Vielfalt nutzen

Seit gut fünf Jahren ist der Arbeitsalltag in der Versicherungskammer immer digitaler geworden. Das hat die Unternehmenskultur stark gewandelt, viele alte Strukturen verändert, Kommunikation und auch Führung offener gestaltet. Es wurde bunter im Konzern – und gleichzeitig bedurfte es einer gemeinsamen Unternehmenskultur, um die vielen Standorte und Geschäftsbereiche zusammenzuhalten.

„Wir haben dann gesagt: Wir starten ein Diversity-Programm, ohne aber eng zu definieren, was wir unter dem Begriff verstehen“ erklärt Edith Strauß. Im Kern ging es darum, dass schon auf der untersten Führungsebene ein Austausch gefördert werden sollte, um auf immer neue Anforderungen besser reagieren zu können. „Es ging also nicht um softes Gedöns, sondern um unternehmerischen Erfolg durch gute Zusammenarbeit.“

Punkt drei: Nicht nur Frauen fördern

‚Frauen in Karriere‘ war von Anfang an ein wichtiger Teil des Programms. Der Anteil von Frauen in Führung hat sich seit 2015 deutlich gesteigert (siehe dazu auch die Datei „Frauen in Führung“ im Anhang).

„Wer aber bei Frauenförderung stehenbleibt, kriegt Gegenwind“ weiß Claudia Siering, Abteilungsleiterin Direktionsbevollmächtigte Gewerbe Field und Teil des Diversity-Steuerungsteams. „Man muss alle profitieren lassen – bei uns zum Beispiel durch die Möglichkeit, standortübergreifend zu arbeiten.“

Ein weiteres Angebot des Diversity-Programms sind „Generationen-Tandems“, also ein Austausch von Wissen und Werten zwischen erfahrenen und jungen Mitarbeitern. Immer wieder zeigt sich dabei, das Klischees nicht stimmen. Ältere sind auch technik-affin, und Jüngere folgen zum Teil noch konservativen Rollenmustern. Sie können fachlich und persönlich viel voneinander lernen. Generationen-Tandems können auch eine Brücke zu Nachfolgeregelungen sein.

Punkt vier: Alle Hierarchieebenen einbeziehen

Der Konzern Versicherungskammer hat – ebenso wie gut 50 Sparkassen – die „Charta der Vielfalt“ gezeichnet und nutzt diese Initiative auch intern. Jedes Jahr finden sich Freiwillige in mehreren Arbeitsgruppen zu selbst gesetzten Themen zusammen; ein Thema dieses Jahr ist gendersensible, behindertengerechte und rassismuskritische Sprache.

Paten auf Bereichs- oder Hauptabteilungsleiterebene begleiten die Teams, die sich selbst organisieren und ihre Themen binnen eines halben Jahres mehrfach vorstellen und eigenverantwortlich umsetzen müssen. Das ist für viele junge Führungskräfte, aber auch für den Nachwuchs eine Gelegenheit, im Konzern auf sich aufmerksam zu machen. „Und das ist ja immer gut, wenn man weiterkommen will“ meint Edith Strauß.

Für die Versicherungskammer ist es vor allem ein Pool neuer Ideen, die das Unternehmen voranbringen. Selbstmotivierte, vielfältige Teams erlebt der Konzern als wirtschaftlichen Vorteil – und das bestätigen auch Studien immer wieder. 

Punkt fünf: Neue Formen von Führung

Gleich zum Start des Programms war auch ein erstes Führungs-Tandem entstanden, also eine Konstruktion, bei der sich zwei Personen eine Führungsposition teilen. Inzwischen ist dies ein fest etabliertes personalwirtschaftliches Instrument. Das war kein Selbstläufer, sondern entstand durch den sanften Druck einer hohen Nachfrage.

Edith Strauß zum Beispiel teilt sich mit Diana Rank die Aufgabe als Abteilungsleiterin Unternehmenskommunikation. Zusammen kommen sie auf sieben Arbeitstage pro Woche und können sich bei längerer Abwesenheit nahtlos vertreten. „Es ist erst nicht leicht, auch etwas abzugeben, aber inzwischen bin ich begeistert vom Job-Sharing“ sagt Edith Strauß.

Punkt sechs: Recruiting und Marketing einbeziehen

Claudia Siering ist wichtig, dass die Versicherungskammer nicht nur Frauen Karriereoptionen bietet, aber dennoch potentielle Bewerberinnen aktiv anspricht. Deshalb wird sie sich in diesem Jahr an der Jobmesse „her career“ in München beteiligen und bereitet sich darauf mit einem Team aus Engagierten und Unterstützung der Personalabteilung intensiv vor.

„Man findet bei Jobmessen vielleicht nicht immer sofort passende Bewerberinnen, aber man erfährt, was Frauen von uns als Arbeitgeber erwarten, wie wir sie auch für den Vertrieb gewinnen und wie wir nach außen wirken“ erwartet Siering.

Zu dieser Außenwirkung trägt auch das hauseigene Karriereportal bei, „und das könnte ehrlicherweise in punkto Bildauswahl und Sprache noch klarer auf Bewerberinnen zugeschnitten sein“ räumt sie ein. Bei der Frage, ob das Bildmotiv, die Ausschreibung oder das Seminarangebot „schon völlig divers“ sind, gehen die Einschätzungen schon mal auseinander.

Punkt sieben: Den langen Atem üben

Diversity-Maßnahmen können viele personalwirtschaftliche Probleme beantworten. So kann geteilte Führung ein Weg sein, erfahrene Mitarbeitende zu halten, auch wenn sie phasenweise kürzertreten wollen. Doch nicht immer finden Problem und Lösungen sofort zusammen.

Hier hilft dann vor allem, sich die wirtschaftlichen Vorteile von Vielfalt klar zu machen und zu nutzen. Die IT-Abteilung der Versicherungskammer zum Beispiel wirbt mit einem divers gestalteten Imagefilm auch deshalb um Bewerberinnen, weil sie dringend Fachkräfte braucht. 

Fazit: Einfach anfangen – und immer weitermachen

Im Konzern Versicherungskammer haben die beiden Vorständinnen Barbara Schick (Versicherungskammer) und Katharina Jessel (UKV) die Rolle als „Diversity Owner“. Sie haben erreicht, dass Vielfalt und Chancengerechtigkeit fest zu den Führungsaufgaben zählen.

Zusätzlich hat das Angebot, sich in Arbeitsgruppen selbst ein Ziel zu setzen, sich Feedback zu holen und mit der Umsetzung auch beim Vorstand sichtbar zu werden, viele potentielle Führungskräfte für Diversity-Fragen motiviert.

Wie also können auch kleinere Häuser Vielfalt fördern, ohne dass es beim „wir tauschen uns mal aus“ bleibt? Edith Strauß meint: „Mit einem klaren Signal top down – und mit freiwilligem Engagement bottom-up.“

 

Anke Bunz
– 9. Juni 2021