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Insolvenzen, Homeoffice, Green Deal / Interview
„Wir wollen schon vor 2035 klimaneutral sein“
Rügen Usedom, Darß – dort, wo viele Urlaub machen, betreibt die Sparkasse Vorpommern ihr Geschäft. Vorstandschef Thomas Metzke über Firmeninsolvenzen, den Weg seines Instituts zu einer grünen Sparkasse und die Zukunft des Homeoffice.

Herr Metzke, Ihre Region ist stark touristisch geprägt, insofern sind Ihre Kunden besonders vom Coronathema betroffen. Wie ist die Situation bei Firmeninsolvenzen?
Thomas Metzke:
Nach aktuellem Stand sind unsere Firmenkunden sehr gut durch die Pandemie gekommen. Vor allem die Unternehmer aus der Gastronomie und Hotellerie freuen sich, dass sie jetzt wieder öffnen konnten und sich die Liquiditätslage entspannt. Letztlich hatte diese Branche nach dem ersten Lockdown im März 2020 einen sehr guten Sommer und Herbst, bevor es im November in den nächsten Lockdown ging.

Geholfen haben zudem die diversen Finanzhilfen des Staats. Viele Hotels haben den Lockdown clever genutzt, um Renovierungsarbeiten vorzuziehen. Nicht ganz so rosig sieht es bei den städtenahen Hotels aus, die stark von der Bustouristik leben, die sich bislang nicht richtig erholt hat. Noch bewegt sich die Gesamtzahl der Insolvenzanmeldungen in dieser Branche auf dem Niveau, wie wir es vor der Krise hatten. Für eine generelle Entwarnung ist es jedoch sicher noch zu früh. 

Wie sieht es in den anderen Branchen aus?
Als Flächensparkasse an der Ostsee mit den Destinationen Darß, Rügen und Usedom könnte man denken, dass der Tourismus für uns am wichtigsten ist. Noch bedeutender ist aber die Bauwirtschaft, und da sind die Auftragsbücher voll. Corona hat für diese Branche gar nicht so eine große Rolle gespielt, weil die Investoren infolge der Niedrigzinspolitik nach wie vor auf Betongold setzen. Es werden immer noch sehr viele Hotels und Ferienwohnungen gebaut.

Für Hotels war es zwar zunächst schwieriger, in der Krise eine Finanzierung zu bekommen. Jetzt wird es aber wieder leichter. Der Boom bei den Ferienwohnungen war hingegen ungebrochen. Aktuell leiden die Firmen unter Materialmangel und Verteuerung der Rohstoffe. Bau- und Verkaufspreise haben sich weiter sehr dynamisch entwickelt.

Probleme haben die Veranstalter im Medienbereich, aber selbst hier gab es noch keine Zunahme der Insolvenzen. Viele Unternehmer haben sehr flexibel auf die geänderten Rahmenbedingungen reagiert, ein Spezialist für Events hat zum Beispiel unser Konferenzcenter in ein TV-Studio verwandelt und uns eine professionelle virtuelle Betriebsversammlung ermöglicht. 

 

Thomas Metzke, Vorstand der Sparkasse Vorpommern.


Nicht ganz so entspannt sieht es offenbar bei Privatinsolvenzen aus. Laut Crifbürgel nahmen diese Anfang 2021 am deutlichsten in Mecklenburg-Vorpommern zu.
Ja, das spüren wir auch. Meist geht es um Privatkunden, die schon vorher Schwierigkeiten hatten. In Einzelfällen trifft es auch mal Kunden, die ihre Baufinanzierung nicht mehr stemmen können. Aber diese profitieren dann von den hohen Immobilienpreisen.

Eine riesige Insolvenzwelle verzeichnen wir aber auch in diesem Bereich nicht, nur einen kleinen Anstieg. Die Lage entspannt sich aber schon wieder, weil verstärkt eingestellt wird. Selbst in der Gastronomie und Hotellerie kommt der Fachkräftemangel schneller zurück als uns lieb ist. Denn die von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter haben sich zum Teil andere Jobs gesucht, etwa im Einzelhandel. 

Was sind weitere Herausforderungen für Ihr Institut in diesem Jahr?
Wir müssen den Kontakt zu den Kunden intensivieren und normalisieren sowie für Themen sensibilisieren, die neben Corona wichtig sind, wie die Altersvorsorge. Und wie alle Sparkassen wird uns die Verbraucherrechtsprechung nach dem BGH-Urteil zur AGB-Änderung vor eine große Herausforderung stellen.

So wie es aktuell aussieht, werden wir noch einmal mit allen Kunden Kontakt aufnehmen müssen, und dabei geht es ja nicht nur um die Kontoführungsgebühren. Es geht um mehr als 40 Änderungen, die wir mit den Kunden vereinbaren müssen. Wie genau das laufen wird, wissen wir noch nicht. Aber es wird sicher keine Lösung geben, die uns erlaubt, dies per Knopfdruck zu erledigen. Hinzu kommt das Niedrigzinsumfeld. Und bei all dem dürfen wir den Vertrieb nicht aus den Augen verlieren.

Jüngst hat die EU den Green Deal beschlossen mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Deutschland will das Ziel schon 2045 erreichen. 200 Sparkassen und Verbundunternehmen haben sich mittlerweile per Klimaschutz-Selbstverpflichtung darauf festgelegt, ihren Geschäftsbetrieb sogar bis spätestens 2035 klimaneutral zu gestalten und die Kunden bei der Transformation zur klimafreundlichen Wirtschaft zu unterstützen. Was plant die Sparkasse Vorpommern?
Bei der Selbstverpflichtung sind auch wir – und zwar aus Überzeugung – dabei. Es gibt ja nichts Nachhaltigeres als das Geschäftsmodell einer Sparkasse. Wir finanzieren in der Region für die Region.

Auf der ökologischen Seite gibt es noch das ein oder andere zu tun. Wir haben uns als Haus im vergangenen Jahr eine Nachhaltigkeitsstrategie gegeben und deshalb auch unseren CO2-Fußabdruck erhoben.

Jetzt sind wir gerade dabei, Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Ein Mitarbeiter kümmert sich hauptamtlich um dieses Thema. Um seine Funktionsbezeichnung ringen wir noch. Durchgefallen ist auf jeden Fall „Nachhaltigkeitsbeauftragter“.

Was sind Ihre wichtigsten Pläne, um den CO2-Fußabdruck zu verbessern?
Klimaneutralität wollen wir noch vor dem Jahr 2035 erreichen. Top-Thema sind die Fahrten unserer gut 600 Mitarbeiter zur Arbeit, die zur Hälfte zum CO2-Ausstoß beitragen. Wir werden deshalb auch künftig verstärkt und soweit möglich im Homeoffice arbeiten.

Wir tauschen den Fuhrpark aus, stellen auf Hybrid- oder Elektrofahrzeuge für Dienstreisen um. Mit den heutigen Reichweiten kann man die Pool-Wagen für die Mitarbeiter auf Strom umstellen. Das bringen wir noch in diesem Jahr auf den Weg.

Schließlich haben wir zwei konkrete Ladeinfrastrukturprojekte für unsere Kunden. Auf die Dächer einiger Filialen bauen wir Fotovoltaikanlagen. Von den knapp 80 Filialen kommt dafür aber nur eine Handvoll infrage, weil bei den anderen die Flächen nicht groß genug sind. 

Am 1. Juli ist die von der Bundesregierung verordnete Homeoffice-Pflicht ausgelaufen. Wie geht es bei der Sparkasse Vorpommern mit dem Homeoffice weiter?
Unter Corona haben wir gelernt, dass viel mehr geht als wir uns vorgestellt hatten. Künftig werden wir es unseren Mitarbeitern ermöglichen, soweit gewünscht, im Homeoffice zu arbeiten.

Wir streben eine 4:1-Lösung an, also bis zu vier Tage im Homeoffice, ein Tag im Büro. Natürlich gibt es Arbeitsplätze wie beim Kollegen an der Kasse, bei denen das nicht möglich ist. 

Was halten Sie von einem Rechtsanspruch auf Homeoffice, wie ihn zum Beispiel der DGB fordert?
Wir brauchen uns keine Pflicht überstülpen zu lassen. Wir setzen auf freiwillige Lösungen und arbeiten super mit dem Personalrat zusammen. Wir haben gemeinsam gelernt, virtuell zu führen, zusammenzuarbeiten und zu kommunizieren. Jetzt wollen wir das Modell zusammen fortführen. Never change a running system.

Einige Sparkassen haben im Zuge der Pandemie Filialschließungen vorgezogen, die zum Teil ohnehin geplant waren. Wie hat sich Ihre Filialstrategie durch die Pandemie verändert?
Wir haben während der Pandemie keine Filiale geschlossen, weil die Wege für unsere Kunden sonst zu lang geworden wären. Wir haben Beratungs-, Service- und SB-Standorte. Bei den Servicestandorten, die an zwei bis drei Tagen die Woche geöffnet sind, entscheidet am Ende die Frequenz des Kunden, ob sie geöffnet bleiben.

Aber bis der mediale Vertrieb die Reichweite des stationären Vertriebs erreicht, vergehen sicher noch bis zu zehn Jahre. Die Filialen sind nach wie vor das Herzstück unserer Beratung. 

Eli Hamacher (Bild oben: Shutterstock/SFG)
– 21. Juli 2021