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Firmenkunden / Interview
Transformation statt Pleitewelle
Die deutsche Wirtschaft ist insgesamt auf Erholungskurs. Dennoch lohnt es sich, genauer hinzusehen, sagt Harald Roos, Firmenkundenvorstand der Frankfurter Sparkasse. Der Börsenboom zeige nicht die ganze Wahrheit. Für die Sparkassen sieht er neue Aufgaben über Corona hinaus.

Herr Roos, in den ersten Monaten des Jahres gab es große Sorgen vor einem breiten Einbruch bei mittelständischen Betrieben durch die Coronapandemie. Das war eine nervöse Zeit, oder?
Roos:
Natürlich. Monatelang begann der Tag mit dramatischen Überschriften. Alle warteten darauf, dass doch noch eine Katastrophe passiert und wir auf breiter Front Ausfälle sehen würden. Und dann schaut man in das eigene Portfolio und muss sagen: Meine Welt ist ganz anders als die Headlines. Das war schon ein seltsames Gefühl.

Sie haben im Portfolio der Fraspa keine dramatische Entwicklung gesehen?
Wir haben sehr früh die Instrumente der Risikofrüherkennung intensiv eingesetzt und mit einem besonders aufmerksamen Monitoring unseres Kreditportfolios begonnen. Und auch mit der Bankenaufsicht und unserer Muttergesellschaft Helaba haben wir uns immer wieder ausgetauscht. In dem Prozess reflektiert man sich natürlich sehr stark die eigenen Prozesse und Bestände. Und man fragt sich: Wenn alle einen Abgrund sehen, wo tut der sich auf? Aber es blieb glücklicherweise weitestgehend ruhig.

Das heißt, auch in Frankfurt ist die Pleitewelle offiziell abgesagt?
Man muss differenzieren. Weltweit sehen wir die Börsen aktuell auf dem Weg zu neuen Rekorden. Das zeigt eine sehr gute Entwicklung – aber eben vor allem bei den Kapitalmarktunternehmen. Diese „dicken Dinger“ spiegeln aber nicht die komplette Wirtschaft. Und dass die Börsen so explodieren, liegt natürlich auch an der unveränderten Liquiditätssituation.

 

Nähe zu den Kunden suchen: Harald Roos, Firmenkundenvorstand der Frankfurter Sparkasse.


Ein Teil des neuen Wohlstands kommt aus dem Anlagenotstand?
So kann man es sagen. Sonst würden wohl auch Börsenneulinge, die sogar bis in den Dax aufgestiegen sind, ohne bisher nachhaltig nennenswert Geld zu verdienen, anders bewertet werden.

Wenn die Wirtschaftsprognosen jetzt plötzlich sehr optimistisch werden – übersehen wir dann wieder etwas?
Ich denke, wir schauen schon genau hin, aber vielleicht sehen wir auch nur einen Teil der Realität. Der Schock ist ausgeblieben, aber es gibt natürlich einen schleichenden Prozess in manchen Branchen. Die Gastronomie ist wieder zu großen Teilen geöffnet – der Einzelhändler daneben aber möglicherweise nicht. Bekleidungsgeschäfte sind durch die Lockdowns zweimal auf ihrer Saisonware sitzen geblieben. Und speziell hier bei uns in Frankfurt passiert zum Beispiel rund um die Messe kaum etwas – weder bei den Dienstleistern, noch in vielen kleinen Hotels.

Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Das Problem atomisiert sich. Wen es trifft, der muss sich schnell eine Alternative überlegen. Dabei trennt sich in den betroffenen Branchen die Spreu vom Weizen. Übrig bleibt, wer mehr Kapitalpuffer hatte, über ausreichend Liquidität verfügt, jetzt eine Idee entwickelt – und vielleicht auch ein bisschen Glück hat.    

Wie können die Sparkassen mit einer solch unübersichtlichen Situation umgehen?
Der erste Weg ist immer, die Nähe zu den Kunden zu suchen. Und genau so haben wir es auch in der Krise getan. Wir haben uns auf stark betroffene Branchen konzentriert und geschaut, wo wir substanziell engagiert sind. In die Risikoabschätzung ist natürlich auch eingeflossen, ob Unternehmen vielleicht auch schon vor Corona eine eher angespannte wirtschaftliche Situation oder einen gut situierten Eigentümerbackground hatten und somit eher komfortabel ausgestattet waren.

Und auf diese Weise sind Sie den Bestand durchgegangen?
Ja, und wenn Sie mit der zehnten Boutique gesprochen haben, dann werden Sie schnell Experte für die spezifischen Probleme dieser Kundengruppe. Und Sie können die branchenspezifischen Erfahrungen, die man Ihnen berichtet, auch mit anderen Kunden teilen. So entsteht schnell ein enormer Wissensvorsprung, den nur Hausbanken haben, die lokal verankert sind. Know-how aus der Region und der Branche der Kunden war schon immer ein wesentlicher Vorteil unserer Sparkassengruppe und machte Sparkassen insbesondere zu den Pandemiezeiten nochmals verstärkt zu einem sehr gern gesehenen und gehörten Sparrings-Partner auf Augenhöhe.

In vielen Betrieben steht ja mitten in der Erholungsphase schon die nächste Transformation an – Stichwort ökologische Erneuerung. Ist das ein Thema bei Ihnen im Alltagsgeschäft?
Nachhaltigkeit und speziell ökologische Nachhaltigkeit findet nicht erst seit „Fridays for Future“ Eingang in die Kundengespräche und auch in die Bewertungen. Wir haben unsere besondere Bedeutung zum Thema ökologische und soziale Verantwortung schon früh herausgearbeitet. Daher geben uns die aktuellen regulatorischen Entwicklungen in gewisser Weise recht in dem, was wir bislang auch schon unternehmerisch getan haben.

Hätten Sie ein Beispiel?
Konkret heißt das heute, wenn ein Unternehmen zum Beispiel unter das Lieferkettengesetz fällt, sich damit aber noch gar nicht befasst hat, greifen wir das auf. Allerdings geschieht in diesem Bereich so viel und teilweise auch sogar sehr schnell, dass die Beraterteams teils noch nicht so recht wissen, wie sie das Thema anpacken können. Da haben wir in der Finanzgruppe aus meiner Sicht einen permanenten Bildungsauftrag.

Ist Nachhaltigkeit ein Thema in der Fraspa, gehen Sie das aktiv an?
Wir haben die Klimaschutz-Selbstverpflichtung der deutschen Sparkassen unterzeichnet. Das zeigt schon, wie wir mit unserer Verantwortung dazu umgehen wollen. Gerade für das Firmenkundengeschäft finde ich, dass wir „ESG“ nicht als notweniges Übel betrachten und minimalistisch abarbeiten sollten – ganz im Gegenteil! Aktuell ist bei der Transformationsbegleitung definitiv noch enorm Luft nach oben.

Wie kann man Transformation im Vertrieb aufgreifen?
Wir haben lange noch nicht alle Chancen entdeckt. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist traditionell stark auf Privatkunden orientiert. Nachhaltigkeit ist aber insbesondere auch ein ganz großes Thema für die Realwirtschaft und alle Formen von Unternehmertum. Wir sollten deshalb Wege finden, die nun mal bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht täglich zu bejammern, sondern die Chancen daraus abzuleiten und diese in konkrete Vertriebsanlässe für unsere Berater zu übersetzen. Denn die Betriebe suchen ja immer jemanden, der ihnen sagt und mit ihnen diskutiert, was auf sie zukommt – und der sie dann auf diesem Weg begleitet.

Die Sparkassen als Transformationsbegleiter und Ermöglicher, sozusagen.
Das wäre für das Firmenkundengeschäft ein sehr wertvolles Handwerkszeug. Der Fokus darauf ist aber flächendeckend noch nicht da. Als Frankfurter Sparkasse haben wir daher auch den Fokus darauf ausgerichtet, echter Sparringspartner für unsere Firmenkunden zu sein. Wir wollen, gerne auch kritisch, mit unseren Kunden Themen diskutieren, Handlungsfelder dialektisch deklinieren und verstehen uns daher als Ansprechpartner des regionalen Mittelstandes auf Augenhöhe.

Wie geht die Fraspa in die nächsten Monate?
Die Fraspa feiert nächstes Jahr ihr 200-jähriges Jubiläum. Und wir feiern diesen Geburtstag gemeinsam mit unseren Kunden – darunter sind unter anderen Unternehmen, die schon seit 130 Jahren Kunde der Frankfurter Sparkasse sind. Mir zeigt das immer wieder, dass regionale Nähe vielleicht kein neuer, aber doch der entscheidende Ansatz ist, um über lange Zeit erfolgreich zu sein.

Auch nach Corona?
Nach Corona sogar noch mehr. Denn viele Wettbewerber der Sparkassen setzen jetzt ausschließlich auf digitale Betreuung der Geschäfts- und Gewerbekunden. Sie verlieren dadurch das wertvolle regionale Wissen, das wir als Sparkassen haben und für die Kundenbeziehung eine große Rolle spielt. Wichtig ist, dass dieses Wissen mitwächst und dass wir es aktiv an die Kunden bringen – mit jeder Herausforderung aufs Neue. Daher verstehen wir uns in der strategischen Ausrichtung als die Kernbank für den regionalen Mittelstand im Rhein-Main-Gebiet.

 

Anke Bunz (Bild oben: Shutterstock/SFG)
– 13. Juli 2021