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Kommunen
„Nicht Hilfe suchen, sondern selbst gestalten“
Das gesellschaftliche Leben ist vielerorts zum Erliegen gekommen, Unternehmen kämpfen ums Überleben – wie kommen Kommunen aus der Krise? Weitere Hilfsprogramme seien nicht nötig, sagt Prof. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags. Kreise, Städte und Gemeinden müssten vielmehr in die Lage gebracht werden, ihre Probleme eigenverantwortlich zu lösen.

Herr Prof. Henneke, vorab eine Frage: Im Zuge der Coronakrise sind viele Bürgermeister und Landräte Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt. Was erwarten Sie vom Portal „Stark im Amt“, das die Körber-Stiftung mit dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund initiiert hat?
Ich wünsche dem neuen Portal viel Erfolg. Leider ist dies notwendig, vollkommen zu Recht setzt sich der Bundespräsident für dieses wichtige Thema ein. Es ist für unser Land beschämend, dass Landräte, ehrenamtliche Mitglieder der Kreistage, aber auch Mitarbeiterinnen in den Kreisverwaltungen immer öfter Opfer von Beleidigungen, Drohungen und auch tätlicher Gewalt werden.

Derartige Attacken sind nicht nur strafrechtlich relevant, sondern müssen auch gesellschaftlich geächtet werden. Das Angebot der Körber-Stiftung liefert einen wichtigen Baustein, weil es Hilfe zur Selbsthilfe anbietet, den Austausch untereinander stärkt und zeigt, dass Betroffene nicht allein gelassen werden.

Corona hat insgesamt viel verändert. Was hat den Landkreisen die Pandemie besonders vor Augen geführt?
Aus unserer Sicht hat die besondere Situation auch die besonderen Fähigkeiten der kommunalen Verwaltungen zur Geltung gebracht. Insbesondere die Landkreise haben flächendeckend ihre hohe Leistungsfähigkeit und Flexibilität im Personaleinsatz unter Beweis gestellt. Auf der anderen Seite muss auch gesehen werden, dass das Vereinsleben faktisch zum Erliegen gekommen ist, das gesellschaftliche Leben auch. Einzelhandelsgeschäfte sind geschlossen und mussten auch zuvor oft schon ums Überleben kämpfen.

Gaststätten, Hotels, Mehrzwecksäle beispielsweise sind ebenfalls geschlossen und für viele Gastronomen und Hoteliers ist es gerade in der Fläche schwierig, durchzuhalten. Auch kulturelle Angebote können seit über einem Jahr nicht oder kaum stattfinden. Das geht an die Substanz.

 

Prof. Dr. Hans-Günter Henneke ist Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags.


Gerade das gesellschaftliche Miteinander leidet…
Ja, das starke ehrenamtliche Engagement und der Zusammenhalt waren für uns immer wichtige Aspekte des Lebens in Landkreisen. Hier sind nach Corona in erster Linie die Betroffenen selbst gefordert und unterstützend auch die Gemeinden und Landkreise. Kreativität, aber auch vielfältiger Einsatz von Privaten, Unternehmen und der öffentlichen Hand sind also weiterhin erforderlich.

Wie kann man den Kommunen helfen, die coronabedingten Probleme, aber auch andere Schwierigkeiten, etwa bei der Infrastruktur, in den Griff zu bekommen?
Es muss um eine Stärkung der Eigenverantwortung gehen. Das ist das A und O. Die Lösung beginnt daher damit, dass sich Landkreise, Städte und Gemeinden zu ihrer Gestaltungsverantwortung bekennen und dafür eintreten, diese vor Ort auch auszufüllen. Daher stört es mich sehr, wenn immer wieder nach neuen Bundes- oder Landesprogrammen für dieses oder jenes Einzelproblem gerufen wird – sei es zur Ertüchtigung der Gesundheitsämter, der Schulen oder für Klimaschutzprojekte.

 

„Das A und O ist eine Stärkung der Eigenverantwortung.“

 

Das sollten wir anstreben, als verantwortliche Kommunen aus eigener Kraft zu stemmen. Dabei geht es auch um unser Selbstverständnis und die Frage, wie wir von den Menschen wahrgenommen werden wollen: als Macher oder als ständig jammernde, vermeintlich überforderte Hilfesuchende. Auch die kommunalen Sparkassen sind Ausdruck dessen, dass es kraftvolle und fähige Kommunen braucht, um die Lebenswirklichkeit vor Ort zu gestalten.

Auf einem anderen Blatt steht dabei natürlich, dass es dafür oft an den finanziellen Möglichkeiten fehlt.
Genauso ist es. Dazu braucht es aber nicht immer neue Förder-, Aktions- oder Hilfsprogramme, sondern eine strukturelle Weichenstellung in Richtung auskömmlicher Kommunalfinanzen. Alles andere ist politischer Aktionismus, der auf Dauer schadet. Die ganzen Einzelinterventionen des Bundes in unsere Aufgaben mit kleinen Anschubfinanzierungen sind ein Grundübel, weil sie für Dauerpflichten keine Lösung bieten. Die Länder sind gefordert.

 

„Die Länder sind gefordert.“

 

Was erwarten Sie von denen?
Im Grunde so gut wie alles. Im Ernst: Die Länder stehen in der Pflicht, die Finanzausstattung von Landkreisen, Städten und Gemeinden auf eine dauerhaft tragfähige Grundlage zu stellen. So einfach kann man das sagen. Hinzukommen müssen natürlich Einnahmen aus Steuern, über die der Bund als Gesetzgeber entscheidet.

Allerdings: Die Annahme, dass sich Kommunen weitestgehend aus Steuern finanzieren, stimmt nicht. Daher steht auch die immer wieder bemühte Erzählung von „armen“ und „reichen“ Kommunen auf sehr tönernen Füßen.

Wie sind die Kommunen denn bislang durch die Krise gekommen?
Gar nicht schlecht. Zur Wahrheit zählt, dass die Kommunen bundesweit betrachtet im vergangenen Krisenjahr dank der Unterstützung von Bund und Ländern einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro erzielt haben, davon die kreisangehörigen Gemeinden allein 1,7 Milliarden Euro. Man sollte daher inmitten der Krise zumindest ein wenig zufrieden sein. Jedenfalls sind wir bis jetzt mit einem blauen Auge davongekommen, obwohl ich damit nicht sagen will, dass die kommunale Finanzausstattung insgesamt stimmt. Das tut sie nicht.

 


„Nicht nur die Fußgängerzonen in Großstädten, sondern vor allem Klein- und Mittelstädte haben in der Krise besonders zu leiden. Das ist ein flächendeckendes Problem, für die Ballungsräume wie für die Fläche.“


Was erwarten Sie vom Bund?
Zunächst einmal sind wir dem Bund sehr dankbar dafür, dass er sich im vergangenen Jahr zur Hälfte an den Gewerbesteuerausfällen beteiligt hat, die andere Hälfte haben die Länder aufgebracht. Zusätzlich übernimmt der Bund bis zu 75 Prozent der bei den Landkreisen und kreisfreien Städten entstehenden Wohnkosten für die SGB-II-Empfänger.

Der Bund beteiligt sich mittlerweile erheblich an den kommunalen Soziallasten, er übernimmt sogar die vollen Kosten der Grundsicherung im Alter. Insgesamt schultern die Landkreise, Städte und Gemeinden 62 Milliarden  Euro an sozialen Leistungen. Davon tragen die Landkreise mit 28,3 Milliarden Euro knapp die Hälfte. Die andere Hälfte liegt bis auf einen kleinen Teil der kreisangehörigen Gemeinden (etwa fünf Prozent) hauptsächlich bei den kreisfreien Städten.

Noch ein anderer Aspekt: Was können die Landkreise leisten, um der Verödung von Ortskernen von Klein- und Mittelstädten infolge von Corona entgegenzuwirken?
Die Frage ist genau richtig gestellt, denn nicht nur die Fußgängerzonen in Großstädten, sondern vor allem Klein- und Mittelstädte haben in der Krise besonders zu leiden. Das ist ein flächendeckendes Problem, für die Ballungsräume wie für die Fläche. 

Die Entwicklung der Ortskerne steht seit Jahren unter Druck, Corona wirkt wie ein Beschleuniger. Daher braucht es neben einer ordentlichen Finanzausstattung auch die entsprechenden baurechtlichen Instrumente. Hier sollten die Möglichkeiten der Kommunen zum Erwerb von Grundstücken verbessert werden.

Die Fragen stellte Oliver Fischer.

3. Mai 2021

Anonymous (nicht überprüft)

...warum werden von Herrn Prof. Henneke in der SpkZ so oft Fäuste gezeigt?

https://www.sparkassenzeitung.de/politik/fusionen-sparkassenfusion-im-norden-haette-sprengkraft

...weil er so vehement für die Sache der Kommunen kämpft.... (die Red.)