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Stark im Amt
„Zivilität zurückerobern“
Mehr als die Hälfte der Bürgermeister im Land sind schon einmal verbal oder tätlich attackiert worden. Ein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnetes Online-Portal soll Präventionsmöglichkeiten aufzeigen und Kommunalpolitikern Unterstützung bei Gewalterfahrungen bieten.

57 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland sind im beruflichen oder privaten Umfeld schon einmal beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden. Das ergibt eine repräsentative Umfrage der Körber-Stiftung und des Meinungsforschungsinstituts forsa. 

Die Beleidigungen und Bedrohungen verteilen sich demnach zu etwa gleichen Teilen auf persönliche Botschaften wie E-Mails, Briefe oder Faxmitteilungen (39 Prozent), direkte Begegnungen (35 Prozent) und soziale Netzwerke (35 Prozent).

Zudem berichteten fünf Prozent der Befragten von körperlicher Bedrängung und sieben Prozent von Sachbeschädigungen, auch am Privateigentum. Häufig greifen Täter in das Privat- und Familienleben der Betroffenen ein: 25 Prozent berichteten von Anfeindungen und Bedrohungen gegenüber nahestehenden Personen. 

Portal bietet Informationen und Kontaktangebote

Anlass der Befragung unter 1641 Bürgermeistern ist die Freischaltung des Internetportals Stark im Amt, eine Initiative der Körber-Stiftung in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, die künftig den Betrieb des Portals übernehmen.

Das Portal bietet Kommunalpolitikern Zugang zu Informationen und Angeboten, um Übergriffen vorzubeugen und die Folgen von Angriffen zu meistern. Denn die Hälfte der betroffenen Befragten (46 Prozent) fühlt sich davon stark oder relativ stark belastet.

„Unsere Gesellschaft muss auf die Verrohung reagieren. Wir müssen verlorene Zivilität zurückerobern!“ Das Portal  sei „ein Anfang“ und biete „Rat und Rückenstärkung“, sagte Bundespräsident Walter Steinmeier als Schirmherr bei der Eröffnung des Portals.

 

Das Portal Stark im Amt wird freigeschaltet (von links): Tatjana König, Vorstand Körber-Stiftung; Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags; Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier; Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags; Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte-und Gemeindebunds.

Rückzugspläne von Kommunalpolitikern gefährden Demokratie

Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Befragten (68 Prozent) aus Sorge vor Beleidigungen oder Angriffen ihr Verhalten geändert hat. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) verzichtet weitgehend auf die Nutzung sozialer Medien. 

Besorgniserregend für die Demokratie ist laut Mitteilung der Körber-Stiftung vor allem, dass ein Fünftel der Bürgermeister (19 Prozent) aus Sorge um die eigene Sicherheit oder die der Familie schon über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht hat, ein Drittel (30 Prozent) äußert sich zu bestimmten politischen Themen seltener als früher. 

Bürgermeister großer Gemeinden sind häufig von Gewalt betroffen

Ein Drittel der betroffenen Bürgermeister (35 Prozent) – in größeren Gemeinden mehr als die Hälfte (57 Prozent) – hat wegen dieser Hass- und Gewalterfahrungen schon einmal Anzeige erstattet. 18 Prozent der Betroffenen haben bisher keine Anzeige erstattet und wollen dies auch in künftigen Fällen nicht tun.

Wie die Körber-Stiftung mitteilt, stehe Bürgermeistern, Landräten und Ratsmitgliedern jetzt ein Portal mit „Lotsenfunktion“ zur Verfügung, das Handlungsoptionen aufzeigen und mit Kontaktmöglichkeiten weiterhelfen könne.   

Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, erklärte, Angriffe und Bedrohungen gegen Kommunalpolitiker träfen ins Mark unserer Demokratie: „Wir müssen alles daransetzen, ihnen den Rücken für ihr tägliches Engagement zu stärken und sie vor Angriffen und Bedrohungen im täglichen Leben und im Netz besser zu schützen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender bei der Freischaltung des Portals Stark im Amt.  
29. April 2021