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Social Media
Wir werden erwachsen
Im Coronajahr 2020 haben viele Sparkassen ihre Aktivitäten auf Facebook, Instagram und anderen Plattformen hochgefahren. Jetzt werden strategische Konzepte für die Weiterentwicklung gesucht.

Rund 500.000 Besucher zieht das Lullusfest in Bad Hersfeld in jedem Oktober an. Wie nahezu alle Volksfeste musste auch dieses Groß-Event, das umgangssprachlich „Lolls“ genannt wird, im Coronajahr 2020 pausieren. Die Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg startete darauf hin die Social-Media-Aktion „Lolls im Herzen“.

Auf Facebook und Instagram verloste sie Gutscheine für gebrannte Mandeln, lud zu Einkaufsaktionen für Waffeln mit ihrem Bonusprogramm und präsentierte Erinnerungen an die Feste der Vorjahre. Die User zogen gerne mit. Rund 150 Likes fand ein Gewinnspiel mit einer mit Kastanien gefüllten Vase, bei der die Teilnehmer die Zahl der Früchte erraten mussten.

Mehr als 5000 User haben Social-Media-Kanäle abonniert

Und auch die Geschäftskunden aus der Schaustellerbranche, die von der Coronakrise besonders heftig gebeutelt worden waren, zeigten sich angetan. Von „wahrer Treue“ schwärmte ein Waffellieferant aus der Region. Mehr als 5300 Kunden haben die Social-Media-Kanäle der hessischen Sparkasse abonniert – das sind rund zehn Prozent.

Andere Institute melden noch höhere Quoten. An eigenen Social-Media-Auftritten kommen die Institute nicht vorbei. Auch Kunden, die die Kanäle nicht abonniert haben, werden diese wenigstens sporadisch besuchen. Das legen die hohen Nutzerzahlen im ganzen Bundesgebiet nahe.

Bei Facebook machen trotz zuletzt rückläufiger Entwicklung weiterhin rund 32 Millionen deutsche User mit, bei Instagram sind es rund 25 Millionen. Auch kleinere Plattformen melden knapp achtstellige User-Zahlen. Snapchat und Tiktok werden laut eigenen Angaben von rund zehn Millionen Deutschen regelmäßig aufgerufen.

Bei Facebook machen trotz zuletzt rückläufiger Entwicklung weiterhin rund 32 Millionen deutsche User mit. Für die Sparkassen sind darunter viele mögliche Kunden.

Fester Platz in Marktkommunikation

Viele Sparkassen haben in den letzten Jahre Social-Media-Manager eingestellt. Deren Arbeit ist aus der Marktkommunikation dieser Häuser nicht mehr wegzudenken. Bei jeder Marketingkampagne sollten Sparkassen einen festen Anteil des Werbebudgets für Social Media einplanen, empfiehlt Marktkenner Ansis Schön.

„Das können abhängig vom Projekt acht bis 15 Prozent des Gesamtetats sein“, sagt der Abteilungsleiter beim Sparkassen-Finanzportal in Berlin. Vor allem für Produkte und Dienstleistungen, die online eingekauft werden können, zahlten sich solche Ausgaben aus. Aber auch für Co-Marketingaktionen mit Geschäftskunden sind Facebook & Co. geeignete Plattformen.

Plattformen unterstützen Imagepflege

Ansonsten haben sich die Plattformen auch für die Imagepflege bewährt. Spenden, Sponsoring und andere gemeinnützige Aktionen stoßen vor allem dann auf eine besonders große Resonanz, wenn sie völlig unerwartet kommen. Diese Erfahrung hat auch die Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg gemacht. Als in der Region ein bekannter Pferdestall niedergebrannt war, half das Institut dem Reitsportverein mit einer hohen Geldspende und postete diesen Vorgang.

Mehrere 100 Nutzer klickten den „Like“-Button an: So viel Zustimmung löste bislang kaum ein zweiter Post aus, erinnert sich Katharina Winter. „Die örtliche Geschäftsstelle spendete, als die Medien noch über das Unglück berichteten und die Bestürzung der Bevölkerung groß war“, blickt die Social-Media-Managerin zurück. „Wir haben mit dieser spontanen Aktion unseren Anspruch, Partner der Region zu sein, glaubwürdig untermauert.“

Konzepte für Kunden unter 18 gesucht

Wie die meisten Institute beschränkt sich die Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg auf Facebook und Instagram. „Wir erreichen Social-Media-Nutzer in nahezu allen Altersklassen“, sagt Winter.

Während Facebook vor allem von älteren Zielgruppen ab 35 genutzt wird und mit Texten und Bildern kommuniziert, wendet sich Instagram an jüngere Kunden, die am liebsten nur Fotos und Videos posten wollen. Das Spektrum reicht von Jugendlichen ab 18, die Schule, Studium oder Ausbildung absolvieren, bis zu jungen Erwerbstätigen, die den Einstieg ins Berufsleben geschafft haben und eine Familiengründung planen.

Datenschützer äußern Vorbehalte gegen Tiktok

Für jüngere Zielgruppen unter 18 gab es lange Zeit keine adäquate Plattform. Die Lücke schließt mittlerweile die chinesische App Tiktok, die mit höchstens 60 Sekunden langen Videos weltweit Jugendliche ab 13 begeistert. Auch einige Institute wie die Kreissparkasse Heilbronn und die Sparkasse Regensburg kommunizieren mittlerweile erfolgreich auf Tiktok.

Allerdings äußern Datenschützer Vorbehalte gegen diese Plattform, weil unter anderem unklar ist, ob über technische Smartphone-Daten hinaus auch persönliche Daten erfasst werden und auf chinesischen Servern landen. Wohl auch deshalb prüfen einzelne Sparkasse besondere Formate für Kunden unter 18.

Die Kreissparkasse Limburg testet gegenwärtig Reels, ein Anfang August gestartetes Format von Instagram. Mit 15 Sekunden langen Multiclip-Videos will die Facebook-Tochter in zunächst 50 Ländern Tiktok Paroli bieten. Der User kann entscheiden, ob er seinen selbst produzierten Content mit seinen Abonnenten teilt oder aber der gesamten Instagram-Community zur Verfügung stellt.

Über Tiktok versuchen Sparkassen, die unter 18-Jährigen anzusprechen. Datenschützer haben allerdings Bedenken zu dem chinesischen App-Anbieter.

„Wir möchten Produkte unterhaltsam kommunizieren“, fasst Sylvana Löw, Social-Media-Managerin des hessischen Instituts, die Inhalte der ersten Clips zusammen. Viele der rund 5000 Instagram-Follower rufen die Reels-Clips offenbar gerne auf. Wenn dieses Format dauerhaft Erfolg hat, wird die KSK Limburg vermutlich schon bald auch andere Inhalte kommunizieren. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass auf Social-Media-Portalen vor allem persönliche Inhalte und Erinnerungen nachgefragt werden.

Corona erhöht Informationsbedarf

Das Coronajahr 2020 eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten. „Wenn wir Mitarbeiter mit und ohne Maske vorstellen, ist das Feedback der Follower besonders hoch“, nennt Löw ein Beispiel.

Ohnehin müssen die User über zahlreiche Änderungen und Anpassungen informiert werden. Das Spektrum reicht von veränderten Hygieneregeln über zusätzliche Online-Beratungen bis hin zu neuen Dienstleistungen. Wie andere Sparkassen auch hat die Kreissparkasse Limburg einen kostenfreien Bargeld-Bringservice für Kunden, die sich wegen der Pandemie nicht mehr in die Filiale oder an den Geldautomaten trauen, gegründet und mit einem Facebook-Video vorgestellt.

Aufgrund der Corona-Einschränkungen haben Sparkassen den Kundendialog auf Social Media weiter intensiviert. In diesem Punkt sind sich viele Social-Media-Manager einig. Vor allem Institute, die bislang regelmäßig Events für ihre Kunden ausgerichtet haben, sehen sich jetzt herausgefordert.

Werbung nicht gern gesehen

„Alles, was nicht nach Werbung aussieht, kommt gut an“, fasst Linda Kirchberger-Fuchs von der Kreissparkasse Heilbronn ihre bisherigen Erfahrungen zusammen. Auf reges Interesse stießen zuletzt Bilder über die jährlichen Projektwochen der Azubis. Offenbar haben vor allem Freunde und Verwandte des beruflichen Nachwuchses Likes platziert.

Ansonsten finden Vorstandsappelle an mobile Mitarbeiter ebenso auf Resonanz wie Fotos von Katzen, die auf Geldautomaten schlafen. Den gängigen Trends im Netz können sich auch Sparkassen nicht entziehen. Allerdings müssen sie aufpassen, dass ihre Social-Media-Inhalte nicht beliebig werden und ihre Ziele nicht aus den Augen verlieren. Die Kreissparkasse Heilbronn hat diese Gefahr erkannt. „Wir kommunizieren verstärkt Produkte und arbeiten unsere digitale Kompetenz heraus“, fasst Kirchberger-Fuchs die jüngsten Social-Media-Inhalte zusammen.

Crossmediale Kampagnen im Kommen

Auch andere Sparkassen sehen die bisherigen Konzepte an Grenzen stoßen. „Mit vielen bunten Aktionen kommen wir bei Social-Media-affinen Kunden sehr gut an, haben aber selten Effekte über die jeweiligen Kanäle hinaus“, zieht Julia Droege-Knaup, Sprecherin der Frankfurter Sparkasse, kritisch Bilanz. Das Jahr 2020 habe deshalb unter dem Motto „Wir werden erwachsen“ gestanden.

„Unser Social-Media-Team ist zum festen Bestandteil der crossmedialen Kampagnenplanung mit Omnikanal-Ansatz geworden“, formuliert Droege-Knaup. Über die Verbandskampagnen hinaus hat die Sparkasse für ausgesuchte Themen wie das Mehrwertkonto Bonuswelt oder die Crowdfunding-Plattform „mainFrankfurt inhouse“ kanalübergreifende Kampagnen entwickelt.

Der Kunde begegnet diesen an allen möglichen Kontaktpunkten – also in Filialen (Aushänge), in der Stadt (Außenwerbung), auf der Webseite, in Mailings beziehungsweise Newslettern und eben auf Social Media. „Der Schwerpunkt unserer Social-Media-Aktivitäten hat sich vom punktuellen hin zum strategischen Ansatz entwickelt“, sagt Droege-Knaup. Gut möglich, dass weitere Sparkassen bald folgen werden.

Stefan Bottler
– 12. November 2020