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LGBT / waswillstdumehr
Sparkassen zeigen Flagge
Wer lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell ist, legt das gegenüber Arbeitskollegen meist nicht offen. Doch viele Unternehmen steuern gegen, indem sie beim Thema LGBT verstärkt Flagge zeigen. Das gilt auch für Sparkassen.

So hatte sich Christian Maaßmann sein Outing bei der Stadtsparkasse München eigentlich nicht vorgestellt. An einem seiner ersten Arbeitstage in der bayerischen Landeshauptstadt besuchte der damals 19-Jährige die Abschiedsfeier einer Kollegin. Keinesfalls ernst gemeint rief die plötzlich in den Raum: „Na, du bist ja eh schwul.“ Maaßmann stockte und dachte sich: Warum eigentlich nicht. Also antwortete er: „Ja, stimmt.“

Und plötzlich wurde es ziemlich still im Raum. Letztlich hätten alle Kollegen das „Zwangs-Outing“ ganz locker aufgenommen, erinnert sich der Sparkässler, der heute als Bereichsleiter bei der SVS Sparkassen Versicherungsservice GmbH arbeitet. Auch sein heutiger Chef habe sofort betont, dass er natürlich einen Partner mit zu Firmenveranstaltungen bringen könne.

 


„Ja, stimmt!“

Christian Maaßmann, Bereichsleiter der SVS Sparkassen VersicherungsService GmbH.


Dem Beispiel Maaßmanns folgen immer noch vergleichsweise wenige Mitarbeiter. „Das Thema sexuelle Orientierung ist nach wie vor ein Tabu in der deutschen Wirtschaft. Damit schaden sich die Unternehmen vor allem selbst: Denn häufig ist ein offener Umgang im Job mit einer höheren Arbeitszufriedenheit verbunden“, sagt Annika Zawadzki, Principal bei der Boston Consulting Group (BCG). 

Zawadzki ist Autorin der 2019 veröffentlichten internationalen Studie „Out@Work“, für die die Strategieberatung 4000 junge Berufstätige und Studenten unter 35 Jahren befragt hat. Nur 37 Prozent der LGBT-Talente legten darin gegenüber Arbeitskollegen offen, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell seien. 

Outing als Karrierefalle?

Jedes vierte deutsche LGBT-Talent (LGBT steht für die englischen Bezeichnungen Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und wird zum Teil auch um *IQ erweitert, wobei das I für Inter, Q für Queer und das Sternchen für alle anderen geschlechtlichen Identitäten steht) sieht ein Outing im Job als Karrierefalle. Dabei würden beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – von einer offeneren Kultur profitieren.

Warum, weiß Nicole Schaening, Sprecherin des LGBT-Netzwerks „HaspaPride“, und nennt ein Beispiel. „Wenn wir auf einem Großereignis wie dem Christopher Street Day mit unserer Teilnahme als Haspa Flagge zeigen, demonstrieren wir damit, dass man bei der Haspa die sexuelle Orientierung nicht verstecken muss. Es kommen immer wieder Besucher auf uns zu, die sich aufgrund dieser Präsenz bei der Haspa bewerben wollen.“

 

Nicole Schaening, Geschäftsführerin der Haspa Direkt und Sprecherin des LGBT-Netzwerks „HaspaPride“ beim CSD 2019.


Das bestätigt auch Martin Köpke, Gründer und Sprecher des Netzwerls S-Que(e)rdenker bei der Berliner Sparkasse mit inzwischen rund 60 Mitgliedern. „Mitarbeitende, die kürzlich von anderen Sparkassen zu uns gekommen sind, berichten, dass für sie das Netzwerk ein zusätzlicher Beweggrund für den Wechsel war. Das hat mich natürlich gefreut.“ 

Damit nicht genug. Der 53-jährige Senior-Referent im Bereich Compliance findet, dass deutlich Bewegung in das Thema LGBT gekommen sei. Selbst beim Fußball, der nicht gerade zu den Vorreitern beim Outing gehört. Entsprechend ermutigend fand er es, wie viel Protest es gegen Ungarns umstrittenes Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität gegeben habe.

Logo in Regenbogenfarben

„Manuel Neuer trat zudem bei der EM mit Regenbogenbinde auf, Leon Goretzka ermutigte in einem Interview schwule Fußballspieler zu einem Coming-out.“ Auch die Sparkassen gingen stärker in die Offensive, so Köpke. Während des Pride-Monats im Juni hätten die Sparkassen in einer konzertierten Aktion auf Instagram Flagge gezeigt. Das Logo strahlte statt in Rot in Regenbogenfarben, Kollegen kamen mit längeren Statements zu Wort. Intern steht ihnen das Intranet der Berliner Sparkasse offen.

 

Martin Köpke, Gründer und Sprecher des Netzwerls S-Que(e)rdenker bei der Berliner Sparkasse.


Waren die S-Que(e)rdenker lange Zeit laut Köpke der einzige formale Zusammenschluss in der Sparkassen-Finanzgruppe, ziehen jetzt andere Institute nach. Seit Herbst 2020 gibt es bei der Frankfurter Sparkasse ein eigenes Netzwerk zum Thema Diversität. Ziel sei es, Erfahrungen und Chancen der Diversität aktiv auszutauschen und gemeinsam die Vielfalt im Unternehmen wertzuschätzen und zu fördern, so Gleichstellungsbeauftragte Manuela Walter. 

Zudem wurde im Rahmen der zehnjährigen Mitgliedschaft der Charta der Vielfalt Mitte Juni dieses Jahres eine Diversitätswoche ausgerufen. Die zahlreichen Mitmachaktionen griffen auch das Thema LGBT auf und schärften den Blick, die Wertschätzung und den Umgang damit. Bei den Beschäftigten kommt die Initiative ihres Arbeitgebers gut an.

Diversity kann nicht einfach verordnet werden

Nach der Diversitätswoche kam etwa als Feedback eines Kollegen: „Diversity in unserer Sparkasse bedeutet für mich, dass ich mich nicht verstecken muss, sondern offen mit meiner Homosexualität umgehen kann. Hierfür bin ich sehr dankbar. Ich hatte niemals und zu keiner Zeit das Gefühl, benachteiligt zu sein. Ich freue mich, seit 2007 in unserem Hause arbeiten zu dürfen. Ich weiß, dass Diversity nicht einfach von oben vorgeschrieben werden kann. Es sind die Menschen, jeder einzelne Kollege, die dies täglich leben!“

Laut BCG-Studie fühlt sich das Gros der befragten LGBT-Talente, die sich im Job geoutet hatten, wohl damit. Und dennoch sieht die Studie Handlungsbedarf. „Viele Unternehmen haben sich das Thema Diversity bereits auf die Fahnen geschrieben. Sie müssen aber noch besser darin werden, ein sicheres und unterstützendes Umfeld für LGBTQI-Mitarbeitende zu schaffen, wenn sie diese Talente künftig gewinnen und halten wollen.“ Besonders gilt das für Frauen, die sich im Job seltener outen (43 Prozent) als Männer (57 Prozent). 

 


„Weg mit alten Denkmustern, unbewussten Vorurteilen und Angst vor Machtverlust und hin zu Vielfalt, Chancengleichheit für nachhaltigen Erfolg.“

Manuela Walter, Gleichstellungsbeauftragte der Fraspa.


Manuela Walter von der Frankfurter Sparkasse unterstreicht: „Als Gleichstellungsbeauftragte sehe ich uns als öffentliche Sparkasse besonders in der Pflicht, auch die Vielfalt der Gesellschaft im Unternehmen abzubilden und das Bewusstsein für Diskriminierung zu schärfen. Weg mit alten Denkmustern, unbewussten Vorurteilen und Angst vor Machtverlust und hin zu Vielfalt, Chancengleichheit für nachhaltigen Erfolg.“ Als Unterzeichner der Charta der Vielfalt strebe die Frankfurter Sparkasse für alle Mitarbeitenden ein Arbeitsumfeld an, das frei von Vorurteilen sei und in dem alle gegenseitige Wertschätzung erführen.

Vor allem größere Sparkassen haben das Thema LGBT heute auf der Agenda. Die Haspa etwa setzte im Mai dieses Jahres eine neue Markenkampagne auf, in der acht Werte vermittelt werden, darunter Vielfalt. Mit dem Werbemotiv, auf dem eine Männer- und eine Frauenhand ein Herz in Regenbogenfarben halten, demonstriere das Institut ein klares Bekenntnis zum Thema LGBT, so Schaening, die bei Haspa Direkt als Geschäftsführerin tätig ist. Und in der neuen Mitarbeiter-App „Haspa2Go“ sei ein Kanal für Themen des Netzwerks HaspaPride reserviert. 

 

Die Haspa setzte im Mai dieses Jahres eine neue Markenkampagne auf, in der acht Werte vermittelt werden, darunter Vielfalt.


Auch bei der Stadtsparkasse München hat sich viel getan. Seit zwei Jahren entwickelt und realisiert eine unter anderem von Maaßmann initiierte Arbeitsgruppe Maßnahmen für mehr Offenheit im Umgang mit sexueller Orientierung sowie zur Stärkung von Geschlecht und geschlechtlicher Identität, zu der auch die Frauenförderung zählt. Alle vier Wochen treffen sich deren Mitglieder, zuletzt auch häufiger, um die diesjährige Prideweek vorzubereiten.

Sag es mit Blumen: Fotowand vor der Hauptstelle am Münchener Marienplatz.

„Natürlich haben auch wir Flagge gezeigt“, sagt Maaßmann. Am Verwaltungszentrum wurden Fahnen in Regenbogenfarben gehisst, an der Hauptstelle am Marienplatz Beachflags. Zum Christopher Street Day (CSD) stellten die Mitarbeiter vor dem Gebäude eine Fotobox auf, mit der die Besucher vor einer Wand in Regenbogenfarben Schnappschüsse machen und zugleich an einem Gewinnspiel teilnehmen können. 

 

Zum CSD stellten die Mitarbeiter vor dem Gebäude eine Fotobox auf, mit der die Besucher vor einer Wand in Regenbogenfarben Schnappschüsse machen und zugleich an einem Gewinnspiel teilnehmen können. 


„In diesem Jahr fiel die traditionelle Parade wegen Corona wieder aus, nächstes Jahr wollen wir aber gemeinsam mit der Versicherungskammer Bayern einen 30-Tonner mit zirka 60 Kollegen zur Parade schicken“, so der Bankkaufmann, der als einziger Sparkässler in der Liste der Prout Executives der gemeinnützigen Stiftung Prout at Work aufgeführt wird.

Mit der Liste will die Denkfabrik mehr Sichtbarkeit für das Thema LGBT*IQ in der Arbeitswelt schaffen. Welche Außenwirkung seine Platzierung hat, überraschte selbst Maaßmann. „Mich haben Kollegen von anderen Sparkassen kontaktiert und wollten wissen, wie sie das Thema auch in kleineren Instituten verankern können.“ Ein formelles Netzwerk betreiben zwar auch die Münchner nicht direkt, pflegen aber enge Kontakte zur Versicherungskammer, zur BayernLB, zur Landeshauptstadt und auch zu privaten Unternehmen und deren Diversity-Arbeitsgruppen.

Nach der langen Corona-Zwangspause freuen sich auch die Kollegen und Kolleginnen von den anderen Sparkassen darauf, wieder durchstarten zu können. Schaening plant mit ihren Mitstreitern und Mitstreiterinnen gerade die Aktivitäten für die Hamburger Pride Week vom 24. Juli bis 7. August, in der auch der Christopher Street Day gefeiert wird.

 

Auf der Hamburger Pride Week wird auch der Christopher Street Day gefeiert.


An der Haspa-Zentrale wird in dieser Zeit als Zeichen der Solidarität die Regenbogenflagge gehisst. Im Juni habe man sich zum ersten Stammtisch getroffen, berichtet Köpke aus Berlin. Und so wie es aktuell aussieht, findet 2021 im Oktober auch wieder das bekannte Motzstraßenfest in Schöneberg statt, bei dem die S-Que(e)rdenker seit Jahren die Regenbogenflagge hissen und für die Offenheit ihrer Arbeitgeberin werben. Ganz oben auf Köpkes persönlicher Agenda steht zudem, sich mit anderen Sparkassen etwa via Skype intensiver zu vernetzen. 

Eli Hamacher (Bilder: SFG)
– 13. Juli 2021