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Servicequalität / Interview
Zufriedene Kunden sind gute Kunden
Die Sparkasse Hannover schlägt neue Wege ein, um die Zufriedenheit ihrer Kunden zu steigern. Wie sich dadurch der Geschäftserfolg verbessern soll, erklären Vorstandschef Volker Alt und seine Stellvertreterin Marina Barth.

Ob der US-Techkonzern Apple oder der Hörgeräte-Hersteller Kind – immer mehr Unternehmen nutzen elektronische Wege, um die Kundenzufriedenheit zu messen. Jetzt will die Sparkasse Hannover nachziehen. Warum? 

Volker Alt: Zufriedene Kunden sind ein zentraler Faktor für den nachhaltigen Geschäftserfolg. Das gilt für die Sparkasse Hannover wie für alle Institute der Sparkassen-Finanzgruppe. Jetzt planen wir, Kundenzufriedenheit konkreter messbar zu machen und noch stärker in der Sparkasse zu verankern.

Nicht nur als Befragungsroutine, sondern als Einstellung und Haltung im Unternehmen. Eine neue Methode hilft uns, unsere Kunden besser zu verstehen und die Kundenzufriedenheit systematisch zu steigern. 
 

Wie funktioniert diese Methode?

Alt: Anders als bei Befragungen, die im zweijährlichen Rhythmus Ergebnisse für das Gesamthaus liefern, setzen wir hier auf die Messung der Zufriedenheit mit gerade erlebten Service- und Beratungserfahrungen unserer Kunden. Bei den großen Befragungen ist der Abstand zwischen Umfrage und Auswertung oft sehr lang und dadurch liefern die aggregierten Ergebnisse wenig Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen.

Wenn wir Rückmeldungen aus spezifischen Kundenerfahrungen bekommen, dann gelingt es uns, die Sparkasse aus der Sicht unserer Kunden zu beurteilen: Stimmt der Preis für ein Produkt? Dauerte die Kontoeröffnung zu lange? Kommen Kunden mit der Push-TAN zurecht? Solche Fragen liefern Veränderungsansätze und sie führen dazu, die Kundenperspektive einzunehmen. 

 

„Wir wollen unsere Kunden und ihren Bedarf so gut wie möglich verstehen. Unmittelbare Erhebungen der Kundenzufriedenheit bringen uns sehr viel näher an unsere Kunden heran.“​​​​​

Volker Alt, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hannover.


Fortlaufende Verbesserungen

Was wollen Sie ändern?

Alt: Wir wollen unsere Kunden und ihren Bedarf so gut wie möglich verstehen. Unmittelbare Erhebungen der Kundenzufriedenheit bringen uns sehr viel näher an unsere Kunden heran. Dazu haben wir uns verschiedene Systeme auch aus anderen Branchen angeschaut. Darunter das sogenannte Net-Promoter-System, kurz NPS, eine bewährte Metrik, um die Kundenzufriedenheit zu messen.

Doch uns geht es nicht um diese spezielle Messmethode. Hier gibt es auch andere Messverfahren, die man einsetzen kann.
 

Worum geht es der Sparkasse denn?

Alt: Im Kern geht es darum, dass wir bei der Sparkasse Hannover einen fortlaufenden Veränderungsprozess einleiten, um die Kunden zufriedener zu stellen. Die Metrik ist dabei das Instrument, um das Kunden-Feedback einzuholen. Das hilft uns, und das ist das Entscheidende, die Stellschrauben in Richtung Kundenzufriedenheit zu bewegen. Diese ist zentral, denn zufriedene Kunden empfehlen uns weiter und sind bereit, mehr Produkte zu kaufen.

Außerdem sind solche Kunden weniger anfällig für die Angebote von Vergleichsplattformen und Fintechs, die versuchen, sich in unsere Kundenbeziehungen zu drängen und uns zu reinen Produktlieferanten zu machen. Zufriedene Kunden und stabile Kundenbeziehungen sichern unseren Geschäftserfolg.
 

Wie messen Sie mit der Methode, ob die Kunden zufrieden sind?

Marina Barth: Die Messweise ist einfach. Wir stellen unseren Kunden eine simple Frage zum Beispiel nach einem Beratungstermin: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie die Sparkasse Hannover Ihren Verwandten und Freunden weiterempfehlen auf einer Skala von null bis zehn? Kunden, die eine Neun oder Zehn wählen, sind bei uns die „Fans“. 
 

Und bei anderen?

Barth: Als „passiv“ stufen wir Kunden ein, die sieben oder acht ankreuzen. Wer die Felder zwischen null bis sechs auswählt, gilt als „Kritiker“. Und das sind in der Regel die Kunden, über die wir am meisten Veränderungsimpulse erhalten.

Ob nach der Eröffnung eines Girokontos, nach einer Kartenentsperrung oder einer Wertpapierberatung – diese Erhebung werden wir künftig an den wesentlichen Interaktionspunkten vom SB-Service bis zur Beratung einsetzen. Dadurch können wir genau feststellen, ob der Kunde mit unserer Leistung zufrieden ist.

 

„Ob jung oder alt, ob Individual- oder Servicekunde – alle empfinden es als positiv, dass uns ihre Zufriedenheit so wichtig ist.“​​​​​​

Marina Barth, stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Sparkasse Hannover.


Sprechen Sie die Kunden auch direkt an?

Barth: Ja, wenn ein Kunde einverstanden ist, melden wir uns nach der Bewertung telefonisch bei ihm. Das verschafft uns als Sparkasse den größten Mehrwert. Denn damit haben wir die Chance, die Wünsche oder Kritik des Kunden besser zu verstehen.

So können wir zielgenauer auf die Kundenbedürfnisse eingehen. Schon diese Gespräche helfen übrigens, die Kundenbindung zu erhöhen. Kunden spüren hier das echte Interesse der Sparkasse an ihrer Meinung. 
 

Erreichen Sie neue Kunden?

Alt: Ob Bankkunden, die nur den Geldautomaten benutzen, oder Kunden, die weggezogen sind – zu einigen unserer Kunden haben wir seit Jahren keinen direkten Kontakt mehr. Jetzt haben wir durch NPS die Möglichkeit, mit diesen Kunden in Verbindung zu treten. Das hilft uns, die Kundenbindung wieder zu intensivieren. 

Sind die Befragungen limitiert, um keine genervten Kunden zu hinterlassen?

Barth: Das haben wir bei der Konzeption berücksichtigt. Befragte Kunden werden drei Wochen lang aus dem Befragungssystem herausgenommen, um zu verhindern, dass sie durch zu häufige Feedback-Anfragen genervt werden.
 

Kundenbefragung nach Beratungstermin 

Erhält der Kunde nach jeder Beratung eine SMS oder Mail?

Barth: Wir haben verschiedene – die aus unserer Sicht relevantesten – Interaktionspunkte ausgewählt, nach denen der Kunde die Umfrage erhält. Beratungsgespräche gehören dazu. Unser Ziel ist es, dass der Kunde schnell nach der Interaktion eine SMS oder Mail bekommt. Wenn wir anschließend anrufen, sollte das innerhalb von zwei bis drei Werktagen geschehen. Wichtig ist, dass er uns hierfür seine Zustimmung erteilt. 

 

Für die Umfrage nach einer Interaktion sollte der Kunde innerhalb von zwei bis drei Werktagen angerufen werden.


Apropos Email oder SMS – heutzutage werden viele gut gemachte Phishing-Mails versandt. Bestehen hier für den Kunden Gefahren?

Barth: Nein. Aus der SMS oder Mail geht klar hervor, dass der Absender die Sparkasse Hannover ist. Auch unsere Berater bauen Schwellenängste der Kunden ab. Sie informieren die Kunden nach der Beratung darüber, dass sie eine SMS oder Mail erhalten, um die Kundenzufriedenheit abzufragen. Damit sind die Kunden gut vorbereitet.
 

Viele ältere Menschen besitzen kein Smartphone oder Computer. Wie funktioniert dies hier?

Alt: Wenn wir das Feedback eines Kunden nicht auf elektronischem Wege einholen können, können wir ihm auch einen Brief schicken. Unser Ziel ist das konkrete Feedback des Kunden, der Weg dorthin ist letztlich egal. 
 

Sie testen seit einigen Monaten das neue Verfahren. Wie kommt es bei den Kunden an?

Barth: Das wird durchweg positiv aufgenommen. Ob jung oder alt, ob Individual- oder Servicekunde – alle empfinden es als positiv, dass uns ihre Zufriedenheit so wichtig ist. Sie sind begeistert, wenn wir Themen aufnehmen, um ihre Bedürfnisse noch besser verstehen und bedienen zu können.

Das erklärt auch die große Bereitschaft, im Nachgang telefonisch über die Gründe ihrer Bewertung zu sprechen. Besonders positiv nehmen es Kunden natürlich auf, wenn sich nach ihrer Kritik konkret etwas verändert. 
 

Wie läuft der Verbesserungsprozess?

Barth:  Der Prozess hat zwei Abschnitte. In dem ersten geht es um die Verbesserungsansätze, die individuell auf der Ebene des Beraters oder des gesamten Teams im Beratungs-Center gelöst werden können. Zum Beispiel bei schwer verständlichen Passagen in der Beratung, in denen zu viele Fremdwörter benutzt werden, zum Beispiel die Freundlichkeit im Service.  
 

Und der zweite Abschnitt?

Barth: In dem geht es eher um strukturelle Themen, die die gesamte Sparkasse betreffen. Muss sich beispielsweise die Kommunikation verbessern, weil die Kunden nicht zwischen Beratungs- und Öffnungszeiten unterscheiden können? Oder müssen Produktmerkmale verändert werden? Da ist die gesamte Organisation der Sparkasse gefordert und nicht mehr ein einzelnes Team.
 

Motiviert das neue Vorgehen Berater oder Service-Angestellte zu besseren Leistungen?

Barth: Der gesamte Prozess verändert die Denkhaltung unserer Mitarbeiter. Sie achten stärker darauf, dass die Kunden zufriedener sind, sehen auch stärker durch die Kundenbrille. Ob Service-Angestellte oder Berater am Point of Sale – die Mitarbeiter sind hoch motiviert, damit die Kunden ihre Leistungen positiv bewerten oder sie erfahren, wie sie das Kundenerlebnis noch verbessern können.

 

Die Mitarbeiter der Sparkasse achten intensiver darauf, dass die Kunden zufrieden sind und sehen verstärkt durch die Kundenbrille.


Verändert sich die Beratung?   

Barth: Es bleibt beim ganzheitlichen Beratungsansatz der Sparkasse. Daran ändert sich nichts. Aber das Thema Kundenzufriedenheit wird aktiv angesprochen, weil wir im Anschluss per SMS oder Mail eine Beurteilung einholen wollen. 
 

Was machen Sie bei unzufriedenen Kunden?

Barth: Wir haben unsere Mitarbeiter geschult, wie sie mit dem Feedback der Kunden umgehen sollen. Dabei haben wir festgestellt: Die Kunden nehmen es positiv auf, wenn sich der Berater ihrer Kritik annimmt. So sind die Gespräche der Berater mit den Kunden eine echte Chance, um aus Kritikern Fans zu machen. Viele Berater sind übrigens auch für Kritik dankbar, die ihnen hilft, besser zu werden. 
 

Messen Sie über das System die Qualität der Kundenberater?

Barth: Wir haben in der Software genau geregelt, wer welche Daten einsehen darf. Als Vorstand nehmen wir keinen Einblick auf Einzelbewertungen von Beratern. Das ist Sache der Führungskraft. Sie spricht regelmäßig mit jedem Berater, wie sich sein vertrieblicher Erfolg entwickelt.

 
Richtet sich die Entlohnung nach dem neuen Vorgehen aus?

Barth: Wir haben unser Vergütungssystem nicht an den NPS gekoppelt. Das halte ich auch für gefährlich. Vielleicht haben Sie auch schon einmal Angestellte in einer Hotel-Lobby erlebt, die um gute Bewertungen bitten, um keinen Ärger mit dem Chef zu bekommen. Das wollen wir auf keinen Fall. Unser Ziel ist es, zufriedene Kunden zu haben. 
 

 

Volker Alt: „Unser Ziel ist das konkrete Feedback des Kunden.“


Verringert sich durch die Kundenzufriedenheits-Analyse der personelle Aufwand?

Barth: Nein, das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Bislang wurden die Kundenbefragungen über alle Zielgruppen zentral von Marktforschungsfirmen und den Stäben angefertigt. Jetzt ist jeder einzelne Berater am Point of Sale gefordert.  Das ist aus unserer Sicht zielführend, weil die Berater dadurch noch häufiger Kontakt zu ihren Kunden haben.
 

Also mehr Arbeit für die Berater?

Barth: Unser Ziel ist es, dass jeder Berater pro Woche ungefähr drei bis maximal fünf Rückruf-Telefonate führt. Damit hält sich der Aufwand in Grenzen. Wir schauen aber auch genau, wie sich die Befragungen in den täglichen Arbeitsablauf einfügen.
 

Nutzen Sie die Kundenbefragungen für Data Analytics?

Barth: Wir haben Data Analytics aus vertrieblichen Gründen verankert. Dies ist aber nicht primär darauf ausgerichtet, die Kundenzufriedenheit zu verbessern. Wenn wir die Kunden nach der NPS-Methode befragen, gibt es ein Freitext-Feld. Hier haben die Kunden die Möglichkeit, sich zu äußern. Dafür haben wir ein Analyse-Tool entwickelt, das uns oft genannte Themenfelder anzeigt. Das hilft uns, häufige Treiber von Kundenzufriedenheit oder Kritik zu identifizieren.

 

Marina Barth: „Die Gespräche der Berater mit den Kunden sind eine Chance, um aus Kritikern Fans zu machen.“


Neuausrichtung bis 2022

Soll sich die Kundenzufriedenheitsanalyse über alle Geschäftsfelder erstrecken?

Barth: Ja, unser Ziel ist es, das gesamte Haus auf das neue System umzustellen. Wir werden es im ersten Halbjahr 2021 zunächst im gesamten Privatkundengeschäft einführen. Das sind insgesamt 70 Beratungscenter, drei davon sind schon an das System angeschlossen. Ebenso der gesamte mediale Vertrieb. 
 

Und das Immobiliengeschäft?

Barth: Auch in diesem Bereich sowie für das gewerbliche Geschäft werden wir die Kundenzufriedenheit nach der NPS-Methode messen. Unser Ziel ist es, das neue System bis 2022 in alle Bereiche eingeführt zu haben.
 

Zufriedene Kunden steigern das Neugeschäft. Zeigt die neue Methode geschäftlich Wirkung?

Barth: Studien aus der Finanzbranche und anderen Industriezweigen zeigen, dass zufriedene Kunden dem Unternehmen sehr verbunden sind. Sie kaufen mehr Produkte und empfehlen die Dienstleistungen weiter. Das führt zu mehr Erträgen. Damit rechnen wir auch. 

Alt: Die Sparkassen haben sich zum Ziel gesetzt, vom Kunden her zu denken. Wir wollen Kundenzufriedenheit als führenden Gedanken in der Sparkasse verankern. Mit der neuen Methode haben wir die Chance, näher am Kunden zu sein. Das wird sich für uns auch wirtschaftlich auszahlen.
 

Zur Person: 

Marina Barth ist seit Januar 2020 stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Hannover. Nach ihrer Ausbildung zur Sparkassenkauffrau ist sie von 1996 bis 2000 auf verschiedenen Stationen bei der Stadtsparkasse Hannover im Bereich Firmenkunden aktiv. 
Von 2001 bis 2008 arbeitet Barth als Abteilungsleiterin Beteiligungsmanagement und -controlling bei der Sparkasse Hannover, von 2008 bis 2012 als Abteilungsleiterin Center Kommunen und Institutionen, anschließend ist sie bis 2013 Bereichsleiterin Gewerbekunde und Kommunen.
2013 wird Barth zum stellvertretenden Vorstandsmitglied berufen, im Januar 2014 steigt sie zum Vorstandsmitglied auf.


Volker Alt  ist seit Dezember 2019 Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hannover. Begonnen hat der examinierte Rechtsanwalt seine berufliche Karriere 2000 bei White & Case LLP in Berlin. 2004 wechselt er in die Unternehmensgruppe Landesbank Berlin AG und Vorgängerunternehmen.
2014 wird er zum Mitglied der  Berliner Sparkasse berufen. Hier ist er zuständig für Kredit, Risikocontrolling, Risikobetreuung und Recht, Organisations- und Produktivitätsmanagement sowie für die S-Servicepartner GmbH. Von 2015 bis 2019 ist Alt Mitglied des Vorstands Landesbank Berlin Holding AG.

Gregory Lipinski
– 24. Dezember 2020