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Filialkonzepte
Alle sind willkommen – digital und analog
Geschäftsstellen werden zu Nachbarschaftsfilialen, und in der Internet-Filiale bekommen auch auswärts beschäftigte Kunden Beratung und Produkte. Aktuelle Vertriebsstrategien zeigen, wie Multikanalvertrieb zur Normalität wird.

Wenn Musicalstar Holly Hylton in Hamburg zum Gesangs-Workshop einlädt, dürften die wenigsten an die Haspa denken. Doch die Künstlerin nutzte die Filiale Reeperbahn an vier Montagabenden, um Profis zu unterrichten: „Das ist toll gewesen“, sagt Christian Schley, der die Geschäftsstelle seit zwölf Jahren leitet. „Wir hatten auch schon den Sportjournalisten und TV-Moderator Pit Gottschalk bei uns, der aus seinem Buch vorgelesen hat, und den Profifußballer Thomas Helmer, der mit Familie in der Hansestadt lebt.“ Regelmäßig gebe es Ausstellungen.

Wer die Filiale betritt, hat nicht das Gefühl, dass es gleich geschäftlich wird. Im Blick ist vielmehr eine weiße Regalwand, wo Vereine und Geschäfte aus der Nachbarschaft mit viel Liebe fürs Detail ausstellen, was ihnen wichtig ist. Davor ein großer Tisch, der zum Verweilen einlädt. „Weil sich die Kolleginnen und Kollegen frei in der Filiale bewegen“, sagt der Bankbetriebswirt, „entstehen viele spontane Gesprächsanlässe.“ Die Beratung findet in separaten Räumen statt. Zum Jahreswechsel werden über 90 Haspa-Filialen entsprechend umgebaut sein. Bis 2024 sollen alle 100 Geschäftsstellen auf das neue Nachbarschaftskonzept umgestellt sein.

Wegen des sich stark ändernden Kundenverhaltens und den Fortschritten bei der Digitalisierung finden sich zusehends mehr innovativen Filialkonzepte in der Sparkassen-Finanzgruppe: Geschäftsstellen wandeln sich zu Treffpunkten, digital affine Kunden bekommen die gewünschten Angebote über spezielle Beratungscenter in den Internet-Filialen. Wer überall die ihm vertraute Person sprechen möchte, wählt die hybride Variante. Damit verbunden sind neue Anforderungen an das Personal.

 

Christian Schley, Leiter der Filiale Reeperbahn, über das Nachbarschaftskonzept der Haspa: „Wir sind offen und entspannt. Bei uns ist immer etwas los. Jeder ist willkommen – auch ohne akutes Anliegen.“ 

Nicht jedes Gespräch muss ein Verkaufsgespräch werden

Haspa-Filialleiter Schley will im nächsten Jahr auch einige Events für Jugendliche und junge Erwachsene veranstalten. Geplant sind etwa Termine mit Hamburger Influencern. Bis zu 50 Follower können persönlich in der Filiale zusammenkommen, um sich mit ihrem Social-Media-Star auszutauschen. „Die Influencer beziehen ihre Fans dann auch online mit ein und erschließen uns damit völlig neue Kundengruppen“, so Schley. Der 50-Jährige will dabei eines zeigen: „Wir sind offen und entspannt. Bei uns ist immer etwas los. Jeder ist willkommen – auch ohne akutes Anliegen.“

Schley und sein Team haben gemerkt, wie wichtig es ist, auch die Netzwerke ihrer Gäste aktiv zu nutzen: „Wir bitte immer darum, auch die eigenen Kontakte zu den Veranstaltungen einzuladen.“ Darüber kämen dann natürlich auch Kunden anderer Geldhäuser, aber die seien meist positiv überrascht, weil sie das von ihrer Bank so nicht kennen. Und manchmal sei das dann der Beginn einer ganz neuen Kundenbeziehung.

„Auf solchen Veranstaltungen geht es vor allem um einen guten Austausch, ohne dass daraus gleich ein Verkaufsgespräch wird“, sagt der Filialleiter. Die Kunst sei es, etwa im Rahmen einer abendlichen Vernissage in der Filiale aus dem Smalltalk heraus eine Beziehung aufzubauen. Dann könne es gerne heißen: „Lass uns doch einfach mal telefonieren. Jetzt sind wir zum Anschauen der ausgestellten Aquarelle hier.“ Für ihn lautet das Erfolgsgeheimnis: „Dem Impuls zum sofortigen Verkaufsgespräch zu widerstehen. Sobald sich der Kunde bei uns gut fühlt, wird sich das erfahrungsgemäß zu einem späteren Zeitpunkt ergeben.“

 

Rudolf Marx, Vertriebsdirektor Multikanalmanagement, Sparkasse Passau, über die Internet-Filiale S@Home: „Im Bereich Bausparen, Lebensversicherungen, vor allem aber im Wertpapiergeschäft haben wir unsere größten Erfolge eingefahren. Auch die Themen Baufinanzierung und Immobilien laufen sehr gut.“

Sparkasse Passau: Verbundgeschäft bietet das größte Potenzial

Wenn es ums Mehren des Vermögens, Absichern finanzieller Risiken und Finanzieren persönlicher Wünsche geht, bietet die Sparkasse Passau – neben dem Angebot in ihren Geschäftsstellen – unter der Marke S@Home in ihrer Internet-Filiale ein digitales Beratungscenter für eine sehr klar umrissene Klientel. „Als Universitätsstandort haben wir viele Kundinnen und Kunden, die nach ihrem Studium weggezogen sind, uns aber nach wie vor als ihren finanziellen Hafen sehen und eine Kontoverbindung zu uns unterhalten“, sagt Rudolf Marx, Vertriebsdirektor Multikanalmanagement.

Zudem weiß der Diplom-Betriebswirt von vielen, die in weiter entfernten Ballungsräumen wie München, Regensburg oder Linz beschäftigt sind und oft nur am Wochenende in ihre Heimat zurückkehren. Aus seiner Sicht haben diese beruflich sehr engagierten Kunden eines gemeinsam: „Sie verfügen über ein großes Potenzial, konnten aber bisher über unser stationäres Beratungsangebot nicht oder nur eingeschränkt erreicht werden.“

Das hat sich mit dem siebenköpfigen Team des digitalen Beratungscenters sehr geändert. Marx sieht bei den Kunden, die über S@Home betreut werden, anfangs „große, teilweise eklatante Lücken“ im Bereich der Altersvorsorge und der Absicherungen von Risiken. Aus Sicht der Sparkasse bestehe deshalb das größte Potenzial im Verbundgeschäft.

Screensharing statt Webcam

„Im Bereich Bausparen, Lebensversicherungen, vor allem aber im Wertpapiergeschäft haben wir unsere größten Erfolge eingefahren. Auch die Themen Baufinanzierung und Immobilien laufen sehr gut“, sagt Marx und resümiert: Zwei Jahre nach dem Start des digitalen Beratungscenters sei S@Home eine der erfolgreichsten Vertriebseinheiten, was auch damit zusammenhänge, dass die digitalen Beratungen auch während der pandemiebedingten Einschränkungen problemlos weiterlaufen konnten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Instituten nutzen die Passauer bei S@Home keine Beratungsplattform mit permanenter Videoübertragung via Webcam. „Die meisten Kunden mögen es nach unserer Erfahrung nicht“, sagt der Vertriebsdirektor, „wenn ihnen der Berater oder die Beraterin mittels Webcam ins heimische Wohnzimmer oder in ihr Büro blickt.“

Die Sparkasse im Südosten Bayerns setze stattdessen auf einen Screensharing-basierten Ansatz, bei dem die beratende Person ihr Videobild anfangs zum Aufbau des Vertrauens kurz zuschaltet. Im weiteren Verlauf erfolge die Visualisierung der Kundenbedürfnisse und der Lösungsvorschläge über ein Whiteboard, das beide Seiten miteinander teilten. Marx folgert: „Beide Gesprächspartner erarbeiten also gemeinsam die Lösung.“

Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg: Omnikanalberatung mit festen Ansprechpartnern

Die Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg bietet in allen Finanz- und Vermögensangelegenheiten auf Wunsch eine Omnikanalberatung mit festen Ansprechpartnern, einer einfachen und transparenten Darstellung per Bildschirmübertragung und einem sicheren Zugang übers Onlinebanking. Das Team aus sechs Beraterinnen und Beratern verteilt sich über die drei Hauptstellenstandorte und betreut vor allem digital Affine, die vermögend sind und neben dem persönlichen Gespräch vor Ort auch virtuelle Beratungen wünschen.

 

Thilo Schaffrin, Leiter Omnikanalberatung, Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, ist dank zunehmender Akzeptanz digitaler Termine überzeugt: „Wir werden weiter wachsen, denn der Bedarf nach einer professionellen, ganzheitlichen Beratung nimmt zu.“

Thilo Schaffrin, Leiter der Omnikanalberatung, nennt ein sehr favorisiertes Thema dieser Gruppe als Beispiel: „Das Interesse an Wertpapieren zum Aufbau und Optimieren des Vermögens ist groß.“ Bei digitalen Beratungen setzen die Profis beim Teilen der Bildschirme mit den Kunden auf die Konferenz-Software GotoMeeting, so der Sparkassenbetriebswirt. Eine Webcam werde derzeit noch nicht genutzt.

Was die Arbeit bei den Kundenprozessen besonders erleichtere, sei einerseits das FI-System OSPlus-neo, andererseits das elektronische Postfach: „Derzeit testen wir darüber hinaus immer mehr Produktabschlüsse per TAN“, sagt Schaffrin: „Die Übergabe der Prozesse an den Kunden mithilfe des Merkzettels funktioniert super.“

Der Weg begeistere und sorge für einen papierlosen, schnellen Produktverkauf. Als Leiter der Omnikanalberatung ist er angesichts der deutlich gestiegenen Akzeptanz digitaler Termine überzeugt: „Wir werden weiter wachsen, denn der Bedarf nach einer professionellen, ganzheitlichen Beratung nimmt zu.“

In Kürze: Digital erfolgreich beraten

Rudolf Marx, Vertriebsdirektor Multikanalmanagement der Sparkasse Passau, nennt drei erfolgversprechende Aspekte für die virtuelle Beratung:

  • Vertriebseinheit aufbauen: Schaffen Sie ein eigenes digitales Beratungscenter (DBC) und bündeln Sie dort Kunden, für die dieser Ansatz einen Mehrwert bedeutet. Damit schaffen Sie auch die Voraussetzung, dass alle im DBC-Team die nötige Routine in der digitalen Beratung gewinnen.
     
  • Medienbrüche vermeiden: Die beste digitale Beratung bringt nichts, wenn die Folgeprozesse analog bleiben. Setzen Sie also auf E-Sign-Lösungen und das elektronische Postfach, anstatt Verträge oder Unterlagen per Post zu verschicken oder zu archivieren.
     
  • Klarer Fokus: Sorgen Sie dafür, dass Ihre DBC-Beraterinnen und -berater weitgehend von Servicetätigkeiten entlastet werden. Motivieren Sie Ihre DBC-Kunden, intensiv das Onlinebanking wie auch das Servicecenter der Internet-Filiale zu nutzen. Telefonische Anfragen sollten vom Kundenservicecenter beantwortet werden. Je höher die vertriebsaktive Zeit ist, desto effektiver und erfolgreicher wird Ihr DBC sein.
Rudolf Kahlen (Foto oben: Haspa/Marius Roeer)
– 30. November 2021