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Handelsabkommen
„Ein Heureka-Moment“
Ökonomen und Bankenvertreter zeigen sich erleichtert, nachdem die EU und Großbritannien ein Abkommen nach dem Brexit vereinbart haben.

Die an Heiligabend von Vertretern der britischen Regierung und der EU verkündete Einigung dürfe zwar nicht darüber hinwegtäuschen, „dass nur das Allerschlimmste vermieden wurde“, kommentiert LBBW-Chefökonom Uwe Burkert. Dennoch handele es sich um einen „Heureka-Moment“, so Burkert: „Trennungen tun immer weh“, aber bei jeder guten Scheidung sollte für ein respektvolles Miteinander danach gesorgt werden.

Burkert: „Gut für die Wirtschaft“

Der Wirtschaft tue es gut, wenn endlich wieder Vernunft das Miteinander bestimmt, kommentiert der LBBW-Chefvolkswirt. „Oder um mit Winston S. Churchill zu sagen: ,It is not enough that we do our best; sometimes we must do what is required.‘“ Am Kurs des britischen Pfund und des Euro zum US-Dollar lasse sich die Bedeutung dieser Einigung für Europa ablesen.

Gelungene Überraschung: EU-Verhandlungschef Michel Barnier (links) präsentiert am Freitag mit einem weihnachtlich gekleideten Kollegen die Akte mit dem Handelsdeal. Nach monatelangem Ringen hatten EU und Großbritannien sich an Heiligabend geeinigt. Streitpunkte waren die künftigen Fischereirechte der EU für britische Gewässer und die Regeln zum fairen Wettbewerb für Firmen auf beiden Seiten. Ohne Abkommen hätten Zölle und andere Handelshemmnisse sowie Chaos an den Grenzen gedroht. Großbritannien ist seit Ende Januar formell kein Mitglied der EU mehr. Bis zum 31. Dezember gilt jedoch eine Übergangsfrist, in der die Regeln der Union greifen. Hätten sich EU und Großbritannien nicht verständigt, hätten die Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO gegolten.

Wambach: „Mehr Planbarkeit und Sicherheit“

„Die Ungewissheit hat ein Ende“, urteilt auch Achim Wambach, ZEW-Präsident. Durch den Abschluss des Abkommens gebe es nun mehr Planbarkeit und Sicherheit für die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.

Die Verhandlungen hätten allerdings Spuren hinterlassen, so Wambach. Unternehmen hätten ihre Investitionen aufgeschoben, um zunächst Klarheit über den Ausgang der Verhandlungen zu bekommen. Diese liege jetzt vor.

Für Deutschland stehe einiges auf dem Spiel – das Vereinigte Königreich liege auf Rang fünf der wichtigsten Exportländer Deutschlands. „Jetzt sind die Weichen gestellt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter vorankommt.“

Kolak: „Große Erleichterung im Mittelstand“

Im deutschen Mittelstand dürfte die Einigung auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit zu großer Erleichterung führen, ergänzt Marja Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).

Die ökonomische Vernunft habe sich gegen die populistische Kurzsichtigkeit durchgesetzt, so Kolak. Wären die Verhandlungen gescheitert, wären die Beteiligten auf die Handelsregeln der Welthandelsorganisation zurückgefallen. Vor allem für Großbritannien, aber auch für die EU wäre das mit hohen Belastungen verbunden gewesen. (rtr)

25. Dezember 2020