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Brexit / Chefvolkswirte
„Wirtschaftliche Effekte weitestgehend eingepreist“
Die deutschen Geldinstitute haben sich gut auf den EU-Austritt Großbritanniens vorbereitet, sagen die Chefvolkswirte.

Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Großbritannien über ein Handelsabkommen haben an diesem Wochenende nochmals an Fahrt zugelegt. Leider konnte noch immer kein Abschluss erzielt werden.

„Die wirtschaftlichen Effekte des Austritts Großbritanniens aus der EU sind weitestgehend eingepreist – unabhängig davon, ob ein Handelsabkommen zustande kommt, oder nicht. Mit Abkommen sind die negativen Effekte für Großbritannien jedoch geringer“, sagt Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB.

„Großbritannien ist besonders stark von der Coronapandemie getroffen und gemessen am BIP-Wachstum schon lange das Schlusslicht Europas. Ein Handelsabkommen mit der EU abzuschließen, sollte im ureigenen Interesse der Briten liegen“, sagt Michels.

Regeln für zentrale britische Gegenparteien bleiben bis auf Weiteres bestehen

Seit der Entscheidung für einen Brexit in 2016 wurden bereits vielen Anpassungen vorgenommen, die die wirtschaftlichen Auswirkungen abmildern. Im Finanzsektor hat die EU-Kommission in einer ersten Äquivalenzentscheidung für die Zeit nach dem 1. Januar 2021 bereits beschlossen, dass die Regeln für britische zentrale Gegenparteien (Central Counterparties, CCPs) zunächst für weitere 18 Monate unverändert weiter gelten.

Die Kommission hatte den Schritt bereits im Juli angekündigt und auf mögliche Risiken für die Finanzstabilität verwiesen, die sich ansonsten ergeben könnten. Hintergrund ist der hohe Marktanteil der britischen CCPs im europäischen Clearing-Geschäft.

Marktzugang im Finanzbereich kein Thema der laufenden Verhandlungen

Daher ist der künftige Marktzugang Großbritanniens im Finanzbereich nicht Bestandteil der laufenden Verhandlungen, sondern soll künftig über einseitige Äquivalenzentscheidungen aus Brüssel geregelt werden. Die EU hält insgesamt 28 dieser Gleichwertigkeitsbeschlüsse im Finanzsektor für UK für möglich.

„Der Bankensektor hat sich gut auf den Austritt Großbritanniens aus der EU vorbereitet“, sagt Reinhold Rickes, Leiter Volkswirtschaft beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). So haben nach Angaben der Deutschen Bundesbank die Geldhäuser bisher allein nach Deutschland Bilanzpositionen in Höhe von 278 Milliarden Euro verlagert und wollen diese Summe bis Anfang 2021 auf 675 Milliarden Euro aufstocken.

Vierzig Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Finanzdienstleister haben laut Bundesbank in Deutschland neue Lizenzen erhalten oder bestehende Genehmigungen erweitert. Die in Deutschland lizensierten Brexit-Banken planen bis Anfang 2021 2500 Mitarbeiter in die EU zu verlagern. Davon profitiert in erster Linie Frankfurt am Main.

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe erstellen regelmäßig zu aktuellen geld- und wirtschaftspolitischen Fragen Standpunkte. Sie stellen eine Art Think Tank in der Sparkassen-Finanzgruppe dar.

30. November 2020