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Brexit
Finanzbranche vor dem Teilumzug
Britische Finanzdienstleister wollen Geschäfte in Milliardenhöhe nach Deutschland verlagern. Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling empfiehlt, mit dem Umzug von Bilanzpositionen und Personal nicht länger zu warten.

Die Bundesbank rechnet im Zuge des endgültigen Brexit mit einer Verlagerung von Geschäften nach Deutschland in Milliardenhöhe. Die größten fünf Banken, die nach Deutschland kommen, haben bis Juni bereits ihre Bilanzsummen um 158 Milliarden Euro auf 213 Milliarden Euro erhöht, teilt die Bundesbank mit.

Für alle hereinkommenden Banken seien weitere Verlagerungen von zusätzlich 397 Milliarden Euro auf 675 Milliarden Euro bis zum 1. Januar 2021 zu erwarten.

Ende des Jahres läuft nach dem britischen EU-Austritt die Übergangszeit aus, in der für das Vereinigte Königreich noch die EU-Regeln gelten. Damit endet für Banken auch die Möglichkeit, mithilfe des sogenannten EU-Passes von der Londoner City aus Geschäfte in der gesamten EU zu betreiben.

Rechnet mit 2500 neuen Bankenjobs in Deutschland: Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling.

Wuermeling: Anpassungen nicht hinauszögern

„Die im Zuge des Brexit nach Deutschland kommenden Institute sind insgesamt gut auf das Ende der Übergangsfrist vorbereitet“, sagte Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling. Einige Banken und deren Kunden wollten aber bis zur letzten Minute mit den Vorbereitungen warten. „Sie sollten besser jetzt handeln.“ Verlagerungen von Bilanzpositionen und Mitarbeitern sollten zeitnah abgeschlossen werden.

„Die Pandemie darf nicht als Vorwand dienen, notwendige Anpassungen weiter hinauszuzögern“, sagte Wuermeling, der im Vorstand der deutschen Notenbank für die Bankenaufsicht zuständig ist. Die Bundesbank rechnet mit bis zu 2500 neuen Bankenjobs in Deutschland wegen Geschäftsverlagerung.

Bundesbank sieht keine Gefahr für die Finanzstabilität

Insgesamt haben laut Bundesbank Banken, Finanzdienstleister und Wertpapierfirmen 64 Lizenzanträge in Deutschland gestellt. Bei mehr als 40 davon habe die Aufsicht bereits grünes Licht erteilt. Die restlichen Anträge sind noch anhängig und betreffen vor allem kleinere Institute und Finanzdienstleister.

Aus Sicht der Bundesbank wird die Stabilität des Finanzsystems zum Ende der Übergangsfrist nicht ins Wanken geraten. „Auch wenn ein Rest an Unwägbarkeit bleibt, kann der Schalter jetzt umgelegt werden“, unterstrich Wuermeling, der im Bundesbankvorstand für das Thema Bankenaufsicht zuständig ist. Für die Bankenbranche seien die größten Klippen im Großen im Ganzen inzwischen umschifft. „Eine Gefahr für die Finanzstabilität ist nicht erkennbar.“(rtr)

2. November 2020