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Gesellschaftliches Engagement / Interview
Rein in den Klingelbeutel
Ob Drittmittel oder Fundraising – beides meint im Grunde extra Geld für eigene Projekte. Das könnten auch Sparkassenstiftungen stärker nutzen, meint Fundraising-Experte Professor Tom Neukirchen.

Herr Neukirchen, Stiftungen haben einen Stiftungszweck und dafür Kapital. Ist zusätzliches Fundraising nicht ein bisschen, nun ja – unfein?

Tom Neukirchen: Nein, es ist pragmatisch und hilft, die Welt ein Stück besser zu machen. Fast alle Stiftungen erleben doch derzeit Ähnliches: Die Niedrigzinsphase dauert an. Rücklagen sind aufgebraucht. Noch mehr sparen geht nicht. Die Ausschüttungen sinken. Förderzusagen sind gefährdet.

Die meisten Stiftungen versuchen das irgendwie auszuhalten – so wie der Frosch im Wasser, das langsam erhitzt wird. Eigentlich müssten sie aber springen, solange sie noch können, und sich aktiv mit Fundraising befassen.

 

Prof. Tom Neukirchen


Ist denn aktuell ein guter Zeitpunkt, wegen Krise und Corona?

Neukirchen: Dreimal ja. Denn Sparkassen sind aktuell mit Zustiftungen in ihre eigenen Stiftungen vorsichtig – sie tragen ja einen Großteil der Last der Krise. Die meisten Spender in Deutschland sind hingegen Rentner, deren Einkommen von Krisen weitgehend unabhängig ist. Und wie schon in der letzten Krise sucht auch jetzt das große Geld danach, etwas Sinnvolles zu tun – das bieten Sie.

Der eigentlich entscheidende Punkt ist aber noch ein anderer: Fundraising lohnt sich auch unabhängig von der aktuellen Situation. Reifes Fundraising hat einen Return on Investment von 4.  

Das heißt, man kann aus einem Euro fünf Euro machen? Wie denn das?

Neukirchen: Das ist eine einfache Rechnung. Viele gemeinnützige Organisationen, die nur Fundraising-Einnahmen haben, kommen laut ihren Geschäftsberichten auf einen Werbe- und Verwaltungsetat von 20 Prozent. Ganz offensichtlich setzen sie einen Euro Aufwand an, und generieren damit ein Budget von vier Euro. Professionelle Vermögensanlage bringt dagegen im Vergleich eine nur sehr kleine Rendite.

Wie machen die das? Nun, es braucht schon ein paar Investments vorab – Zeit, ein Netzwerk und einen hohen Bekanntheitsgrad.

 

Spenderpyramide


Aber das haben Sparkassen-Stiftungen doch im Allgemeinen. Was müssen Sie noch dazutun?

Neukirchen: Es gibt im Fundraising letztlich zwei wichtige Voraussetzungen: Vertrauen und Zugang zu Menschen. Beides haben Sie. Die Stiftung ist bereits aktiv, das Image gut, die Zielgruppe bekannt.

Auf dieser Basis lassen sich auch für die Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe individuelle Fundraising-Strategien entwickeln. Für den Bereich der Kundenstiftungen ist es wichtig, die Fundraising-Instrumente zu kennen, für die Nachfrage besteht oder geweckt werden kann. Dazu gehören etwa Zustiftungen, Treuhand-Stiftungen, Verbrauchsstiftungen, Stiftungs-Fonds oder Spenden für ausgewählte Projekte. Diese Instrumente kann jede Stiftung weiterentwickeln.

Dann verraten Sie uns die wichtigsten Vertriebsregeln im Fundraising, bitte.

Neukirchen: Es sind nur drei: Sie müssen zu den Leuten gehen. Sie müssen ein gutes Angebot haben, damit die Leute wiederkommen, denn nur so lohnt sich das Geschäft langfristig. Und Sie müssen versuchen,  Spenden upzugraden, das heißt mehr Ertrag pro Spender zu generieren, beispielsweise indem man auch Zustiftungen anbietet und einwirbt,  um nachhaltig mehr finanzielle Sicherheit zu haben.

Was Sie dazu einsetzen müssen, ist rechtliche, kommunikative und vertriebliche Expertise. Denn was Sie noch nicht haben, ist eine feste Zielgruppe, die von sich aus spendet. Den Wunsch gilt es zu wecken – also: Spender gewinnen, binden und upgraden! Bieten Sie Emotionen etwa durch aktive Teilhabe. Es verankert Sie besser in Ihrer Community und macht Ihr Anliegen für den Spender zu einem Lebenswert.

Sparkassenstiftungen bekommen heute schon Einzelspenden und Erbschaften – oft ohne danach gefragt zu haben. Das zeigt doch schon das große Potenzial für Fundraising im Stiftungsbereich.

 

Anke Bunz
– 4. Mai 2021