Zurück
Lockdown-Folgen / 4 Prognosen
Maske auf und durch
Der Weihnachtseinkauf in den Städten vor dem Fest fällt dieses Jahr aus. Der neu beschlossene Lockdown sei unvermeidlich, die Aussicht auf eine Erholung im Jahresverlauf aber gut, berichten vier Volkswirte. Es gibt aber auch Forderungen an die Politik.

1) „Die Wirtschaft nicht komplett zum Stillstand bringen“

Uwe Burkert, Chefvolkswirt LBBW:
„Es war abzusehen: Das Frühjahr wiederholt sich“, sagt LBB-Chefvolkswirt Uwe Burkert. Die Maßnahmen seien unvermeidlich, um die und Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten. Bei aller Dringlichkeit gelte es aber, die Wirtschaft nicht komplett zum Stillstand zu bringen.

 

Uwe Burkert: „Nachdem der Impfstoff aus Deutschland so erfolgreich war, müssen wir nun die Tracking-App erfolgreich machen.“


„Nachdem der Impfstoff aus Deutschland so erfolgreich war, müssen wir nun die Tracking-App erfolgreich machen“, so Burkert. „Dann entlasten wir Gesundheitsämter und können das öffentliche Leben besser offenhalten.“

Klare Kante zeigen, Freiheitsrechte einschränken

Hier müsse die Politik „klare Kante zeigen und Freiheitsrechte einschränken“. Dazu brauche es ein Commitment mit den großen Netzbetreibern. „Das steht meines Erachtens ganz oben auf der Agenda, sonst haben wir die dritte Welle im März wieder vor uns.“

Auch über schärfere Hygienevorschriften würde ich den Regierungen empfehlen, sich Gedanken zu machen. In China werden viel stärkere Hygienemaßnahmen beim Betreten von Gebäuden, Arbeitsstätten etc. getroffen. Ebenso im ÖPNV. Dann können wir die Neuinfektionszahlen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen unter 50 halten.“

2) „Konsum wird nicht so stark leiden wie im Frühjahr“

Volker Wieland, Wirtschaftsweiser:
„Insbesondere aufgrund der Aussicht, dass bald großflächig geimpft wird und die Impfungen recht effektiv sein dürften, würde ich davon ausgehen, dass der Konsum bei Weitem nicht so stark zurückgeht wie bei dem Lockdown im Frühjahr“, sagt der „Wirtschaftsweise“ Volker Wieland.

Im Vergleich zum zweiten Quartal 2020, das von sehr hoher Unsicherheit geprägt war, sei die Aussicht auf nachhaltige Erholung im Jahresverlauf 2021 sehr gut. Trotzdem: Der Winter wird hart. Um Weihnachten und Neujahr herum hätten zwar viele Betriebe sowieso geschlossen oder die Produktion zumindest reduziert.

Risiko: eine mögliche Verlängerung über den 10. Januar hinaus

Es bleibe aber ein Risiko, dass die Industrie und andere Wirtschaftsbereiche dann im Januar stärker betroffen sein werden – insbesondere, wenn der Lockdown über den 10. Januar hinaus verlängert wird, etwa bis Ende Januar oder Februar.

Wenn dann auch die Kindergärten und Schulen länger als bis 10. Januar geschlossen blieben, werde sich das negativ auf die Produktivität und das Arbeitsangebot der Eltern auswirken. Das habe dann Auswirkungen auf die Wirtschaftsaktivität in anderen Bereichen, die nicht direkt von dem Lockdown betroffen sind. Dies sei zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu quantifizieren.

Rasche Impfungen ermöglichen

In jedem Fall solle schnell die Impfung älterer und besonders gefährdeter Menschen ermöglicht werden, so Wieland. Auch wenn es länger dauern werde, um eine gewisse „Herdenimmunität in der Breite der Bevölkerung“ zu erreichen, werde es so schneller gelingen, das Risiko schwerer Krankheitsverläufe, Hospitalisierungen und Todesfälle zu reduzieren, und damit die Gefahr einer Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden.


3) „Deutschland muss sich auf eine zweite Rezession einstellen“

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt:
Pessimistisch zeigt sich Jörg Krämer von der Commerzbank: „Vom harten Lockdown sind neben Hotels, Restaurants, Kneipen und kontaktintensiven Dienstleistungen zusätzlich Einzelhandelsgeschäfte sowie Kindertagesstätten betroffen“, so Krämer.

Basierend auf den Erfahrungen des Frühjahrs dürfe der harte Lockdown die tägliche Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft um schätzungsweise vier Prozent drücken, also um anderthalb Prozentpunkte mehr als der weiche Lockdown, der seit Anfang November gilt.

Damit zeichne sich mehr denn je ab, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal schrumpfen wird. „Wir rechnen mit einem Minus von gut einem Prozent gegenüber dem dritten Quartal. Da auch ein Großteil des ersten Quartals 2021 zumindest von einem weichen Lockdown betroffen sein dürfte, rechnen wir auch für das erste Quartal weiter mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung.“

Strategie des bloßen Dichtmachens ist teuer

Deutschland müsse sich auf eine zweite Rezession einstellen. Die wirtschaftlichen Risiken seien deutlich gestiegen, weil mit dem Einzelhandel ein wichtiger Absatzkanal der deutschen Industrie geschlossen wird.

Die „Strategie des bloßen Dichtmachens“ sei teuer. Krämer: „Wir brauchen dringend tägliche Tests in Altenheimen, eine schlagkräftige Corona-App sowie Hygienekonzepte im öffentlichen Nahverkehr und Schulbussen.“


4) „Der Schock ist wesentlich geringer als in der ersten Welle“

Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg-Bank:
„Wir haben unsere Prognose für das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal von minus 1,0 auf minus 1,8 Prozent zum Vorquartal reduziert“, berichtet Schieding, Chefvolkswirt der Berenberg-Bank. „Allerdings erwarten wir, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2021 diese Verluste wieder aufholen kann. Der Schock ist wesentlich geringer als in der ersten Welle.

Der Handel wird erheblich leiden

Wir können mit einem Lockdown wesentlich besser umgehen als beim ersten Mal. Das verarbeitende Gewerbe und die Ausfuhr sind kaum betroffen. Der Handel wird leider erheblich leiden, da sich Weihnachtseinkäufe von den Innenstädten ins Internet verlagern werden.“ (rtr)

14. Dezember 2020