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Betriebsstrategie der Zukunft
Hürdenlauf trifft Marathon
Fünf Fragen an S-Consulting-Geschäftsführer Norbert Zimmer und S-Servicepartner-Geschäftsführer Rainer Remke. Beide appellieren an die Sparkassen, die Betriebsstrategie der Zukunft endlich gemeinsam umzusetzen.

Norbert Zimmer und Rainer Remke sind Vorsitzende des S-Dienstleister-Netzwerks und waren bei der Konzeption der Betriebsstrategie der Zukunft (BdZ) eng eingebunden. Heute setzen sie mit ihren Unternehmen die Strategie in den Sparkassen um.

Herr Zimmer und Herr Remke, die Betriebsstrategie der Zukunft bleibt ein hochaktuelles Thema. Was steckt dahinter?

Remke: Seit Jahren stellen Unternehmensberater unterschiedlichster Prägung unangenehme Prognosen für die Sparkassen-Finanzgruppe auf. Auch in den folgenden Jahren werde das kumulierte Betriebsergebnis der Sparkassen um mehrere Milliarden Euro zurückgehen. Die Gründe sind in aller Munde: Niedrigzins und Digitalisierung.

Antworten versucht BdZ seit 2017 zumindest auf der Kostenseite zu geben. Mit großer Energie wurde an einem gemeinsamen Zielbild für die Sparkasse von morgen gearbeitet. Um den Herausforderungen zu begegnen, ist es notwendig, pro Institut rund 15 bis 30 Prozent des Verwaltungsaufwands einzusparen. Die Hilfsmittel: Standardisierung, Automatisierung, Industrialisierung und Re-Organisation der Prozesse. Doch so richtig voran ging es hier aus meiner Sicht noch nicht, zumindest nicht mit der nötigen Geschwindigkeit.

Fünf Jahre sind seit dem Start vergangen. Wo steht die BdZ jetzt? Mitten in der Umsetzung?

Zimmer: Wir stecken durchaus in der Umsetzung, nur stoßen wir dabei gelegentlich auf neue Hürden, für deren Überwindung wir noch keine Standard-Antwort haben. Bei manchen Themen ist die Umsetzung schon so gut wie durch und gut gelungen, bei manchen stecken wir mittendrin, viele sind leider noch gar nicht begonnen worden.

Remke: Dass dies eher ein Langstreckenlauf als ein Sprint werden würde, war uns klar. Die Analogie zum Sport trifft es vielleicht ganz gut und passt in den Olympia-Sommer. Die beliebte „Häppchenstrategie“ von Marathonis passt auch zu BdZ: die Strecke in kurze Etappen aufteilen und Etappenerfolge erreichen.

Der Start ist wichtig: Man muss sich ein Bild von den Etappen machen und loslegen. Bereits die konsequente Nutzung von Standards, eine gute Restrukturierung und erste Auslagerungen bringen erhebliche Effekte und sind die Basis für weitere Schritte. Wir helfen den Sparkassen gern auch beratend dabei.

 

 

Welche Hindernisse gibt es?

Zimmer: Um beim Bild des Marathons zu bleiben: Die Route war nicht immer eindeutig ausgeschildert. Einige Beispiele: 15 bis 30 Prozent des Verwaltungsaufwands sind zu reduzieren, davon 80 Prozent als Personalaufwand. Man kann sich leicht ausrechnen, was dies für den Personalbestand der Sparkassen bedeutet.

Allerdings: Das Thema des Umgangs mit dem Personal wurde frühzeitig von der Agenda genommen. Kostenersparnis ist erst dann erreicht, wenn sie in der GuV angekommen ist. Auch die damit verbundene Re-Organisation in der Sparkasse wurde kaum näher betrachtet. Doch genau die ist für eine echte und nachhaltige Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung nötig. Den Sparkassen steht hier schlichtweg keine Blaupause zur Verfügung. Auch die Weiterentwicklung der Prozesslandschaft läuft nicht im gleichen Tempo wie die BdZ-Umsetzung.

Remke: In BdZ haben die Mitwirkenden 21 Pakete mit auslagerungsfähigen Leistungen definiert. Auch wir Dienstleister haben hier mit am Tisch gesessen – der erste Schritt in Richtung gelebter Arbeitsteiligkeit in der Gruppe. Es wurden quantitative Entscheidungswerkzeuge geschaffen und die konsequente Nutzung der Standards an konkreten Feldern festgemacht.

Ehrlicherweise müssen wir Dienstleister einräumen, dass wir mit Blick auf die prognostizierten Mengen- und Effizienzerwartungen erst einmal unsere Hausarbeiten machen mussten. Insgesamt ist es uns allen gemeinsam schlichtweg bisher nicht gelungen, die erforderliche Aufbruchsstimmung in der Organisation zu erzeugen.

Ist die Betriebsstrategie der Zukunft gescheitert?

Zimmer: Nein, im Gegenteil. Sie ist der richtige Weg! Wir müssen die Chancen gemeinsam ergreifen und einfach konsequent anfangen zu handeln.

 

 

Remke: Um unseren BdZ-Marathon in die nächsten Etappen zu bringen, schauen wir noch mal auf die bisher zurückgelegte Strecke und wo die Wegbeschreibung noch unkonkret ist. Man muss heute konstatieren, dass die hochgesteckten Kostenziele so, wie wir es angefangen haben, kaum zu erreichen sind. Wir sind nicht mit dem richtigen Tempo gestartet. Ein konsequentes und unserem öffentlichen Auftrag entsprechendes Personalumbau-Management fehlt.

In vielen Fällen ist der Umgang mit Personalüberhängen ein zunächst verständlicher Hinderungsgrund. Er muss es aber nicht sein; wir haben im S-Dienstleister-Netzwerk mittlerweile Unterstützungsansätze, um zum Beispiel Personal an die öffentliche Hand oder in lokale Unternehmen weiterzuvermitteln und damit Win-win-Situationen zu schaffen.

Zimmer: Wie schon erwähnt, wurde auch eine straffe Standard-Aufbauorganisation, gegebenenfalls nach Größenklassen, nicht ausreichend betrachtet. In unserer wichtigen Nebendisziplin, der Prozessgestaltung, stellen wir fest: Die Entscheidung zur Weiterentwicklung der Prozesslandschaft hat man sehr spät, erst drei Jahre nach Start der BdZ, getroffen. Nämlich, dass PPS bei der Finanz Informatik angesiedelt ist. Daraus wird in Zukunft noch dynamischer eine integrierte IT entstehen und die Prozesse werden bankfachlich weiterentwickelt.

Remke: Eine gute Perspektive; bedauerlich ist nur, dass der eine zentrale Backoffice-Dienstleister bis heute nicht realisiert wurde und damit Skaleneffekte nicht optimal realisiert werden können. Zusammenarbeit schreiben wir jedoch trotzdem groß. Über unser S-Dienstleister-Netzwerk haben wir Kräfte gebündelt und können weitgehende Transparenz über unser Gesamtangebot geben.

 

Grafik aus einer DSGV-Präsentation: „Das BdZ-Credo ist eigentlich ganz einfach: Machen oder weglassen. Entweder die IT macht’s oder der Dienstleister macht’s oder die Sparkasse macht’s“, erklärt S-Servicepartner-Geschäftsführer Rainer Remke. 

Es ist offenbar alternativlos, den BdZ-Marathon zu laufen. Wie können Sparkassen die nächsten Hürden nehmen?

Remke: Das BdZ-Credo ist eigentlich ganz einfach: Machen oder weglassen. Entweder die IT macht’s oder der Dienstleister macht’s oder die Sparkasse macht’s. Wir müssen nur endlich aus den Potenzialen Effekte machen. So sind wir von einer Standard-Arbeitsteiligkeit, in der möglichst alle Sparkassen den gleichen Auslagerungsumfang realisiert haben, sehr weit entfernt. Eine derartige Standard-Arbeitsteiligkeit würde unseren Sparkassen aber optimale Mengendegressions- und Kostensenkungseffekte ermöglichen.

Zimmer: Und dafür müssen wir die Umsetzungsansätze, angereichert um den Faktor Personal neu definieren:

  1. Wir regen die Entwicklung einer Standard-Aufbauorganisation an, die beispielsweise in drei Größenklassen ausgeprägt sein kann. Die Sparkassen Consulting kann hier mit reichlich Erfahrung aus ihrer analytischen und gestaltenden Begleitung vieler Sparkassen einen wertvollen Beitrag leisten. Die Umsetzung dieser Standard-Aufbauorganisation kann als Blaupause für die in der BdZ-Studie vorgesehene Reorganisation der Sparkassen dienen.
     
  2. Dienstleister orientieren sich bei ihren Angebotspaketen konsequent an den BdZ-Paketen und ermöglichen der Sparkasse eine faire Vergleichsrechnung. Wo nötig werden die Pakete zentral auf die heutigen Angebotsmöglichkeiten der Sparkassen angepasst. Darüber hinaus stellen die Dienstleister den Sparkassen Leistungsübernahmemodelle zur Verfügung, die den nötigen Personalumbau (-abbau) der Sparkassen berücksichtigen.
     
  3. Sparkassen werden bei dem nötigen Personalumbau professionell unterstützt. Wir haben in der Gruppe genügend Erfahrung und bieten diese Unterstützung ja bereits seit Jahren an. Ergänzend kommen Modelle und Partner zum Einsatz, die eine Weiterentwicklung gut ausgebildeter Bankkaufleute beispielsweise in die öffentliche Verwaltung der Region unterstützen.
     
  4. Die Organisation ernennt – wenn wir es ernst meinen – einen „BdZ-Botschafter“, der als neutrale Instanz aktive Lobbyarbeit für die BdZ-Initiative macht, aber auch handfeste Informations- und Vermittlungsarbeit betreibt.
     
  5. Nicht zuletzt setzen wir alles daran, den einen bankfachlichen Dienstleister zu verwirklichen, der in die Governance der Organisation passt, sehr eng mit der FI verdrahtet ist und auf Standard-IT und Standard-Prozessen den Sparkassen optimale Skaleneffekte ermöglicht.
     
  6. Und: Sprechen wir darüber. Kommunikation ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Reden hilft!

Am Ende geht es um nichts weniger als die Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eigenständiger und souveräner Sparkassen und damit das Weitertragen der Sparkassenidee in die nächste Generation.

Juliane Schälicke. S-Servicepartner (Bild oben: Shutterstock, SFG)
– 1. September 2021