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Recruiting
Fachkräfte werden knapper
Der Fachkräftemangel macht auch vor den Sparkassen nicht halt. Es wird schwieriger, gute Vertriebler und Spezialisten zu finden. Wie Sparkassen gegensteuern.

Wenn Claudia Sigl extern Vertriebsmitarbeiter sucht, braucht sie immer mehr Geduld. „Die Attraktivität des Berufsbildes leidet unter der stetig zunehmenden Regulatorik, aber auch unter dem persönlich empfundenen Vertriebsdruck“, sagt die Leiterin Personal bei der Sparkasse Nürnberg. „Dabei bieten Kundenberaterfunktionen inhaltlich so viel Abwechslung – man kann Menschen in allen ihren Lebenslagen helfen und hat dadurch laufend Erfolgserlebnisse.“

Wesentlich leichter finde sie bei externen Suchen Spezialisten, sei es für den Personalbereich oder das Controlling. „Da können wir bei der ein oder anderen Stelle schon mal aus mehr als 150 Bewerbungen auswählen.“

 

Claudia Sigl, Leiterin Personal, Sparkasse Nürnberg:  „Bei der ein oder anderen Stelle können wir aus mehr als 150 Bewerbungen auswählen.“

Der Fachkräftemangel trifft auch immer mehr Sparkassen. Vor allem die Demografie und die passende Qualifikation erschweren die Personalsuche. Gleichzeitig macht zwar der Personalabbau auch vor den Sparkassen nicht halt. So sank die Zahl der Mitarbeitenden zwischen 2010 und 2020 von 248.137 auf 200.670. Nicht alle altersbedingt Ausgeschiedenen werden ersetzt, aber nach wie vor sind Stellen zu besetzen, sei es intern oder extern, weil zum Beispiel junge Mitarbeiter an die Uni gehen, Kollegen umziehen oder den Job wechseln wollen.

Fluktuation weiter gesunken

Corona habe die Situation etwas entspannt, beobachtet Sigl von der Sparkasse Nürnberg. Die Fluktuation, die sich auch zuvor in Grenzen hielt, sei gesunken. Die Personalerin vermutet, dass „der ein oder andere Wechselwillige lieber an seinem Job festhält oder die vorhandenen positiven Rahmenbedingungen in der Sparkasse bewusster wahrnimmt, da aktuell aus der Bankbranche viele negative Nachrichten kommen. Sei es, dass Wettbewerber massiv Personal abbauen oder sich aus Geschäftsbereichen zurückziehen.“

Harald Kohl, Abteilungsleiter Personalmanagement bei der Sparkasse Leipzig, sagt, Bewerber empfänden die Sparkassen immer noch als „sicheren Hafen“. „Gerade während der Pandemie haben wir mehr Bewerbungen für Ausbildungsplätze bekommen, weil Sparkassen als sicherer Ausbildungsbetrieb gelten.“ Gleichzeitig beobachtet er ein gestiegenes Interesse von Bewerbern aus Großbanken, die aktuell wesentlich stärker als die Sparkassen Personal abbauen.

 

Harald Kohl, Abteilungsleiter Personalmanagement, Sparkasse Leipzig: „Bewerber sehen die Sparkassen immer noch als sicheren Hafen.“

Höhere Wechselbereitschaft

Immer noch würden freie Stellen zu 90 Prozent aus den eigenen Reihen besetzt. Bei den jungen Mitarbeitern nehme die Wechselbereitschaft aber zu, weil sich die Jobperspektiven verbessert hätten. Umso wichtiger ist es aus Kohls Sicht, viel Energie in die Personalentwicklung zu lenken. „Wir müssen den Mitarbeitern aufzeigen, welche Karrieremöglichkeiten es innerhalb unseres Hauses gibt. Deshalb fördern wir das lebenslange Lernen.“

Die Sparkasse Leipzig bietet allen Mitarbeitenden nach der Ausbildung die Möglichkeit, ein berufsbegleitendes Studium zum Bankfachwirt zu absolvieren. Darüber hinaus fördert sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Potenzial für eine Führungsaufgabe oder für eine fachlich höherwertige Position mit individuellem Förderprogramm.

Grundlage dafür ist laut Kohl ein großes Spektrum an Weiterbildungsangeboten, die die Sparkasse mit eigenen Trainerinnen und Trainern, aber auch in Zusammenarbeit mit Partnern der Sparkassen-Finanzgruppe anbietet. „Wir öffnen damit unseren Beschäftigten langfristige berufliche Perspektiven sowohl in den Fach- als auch in den Führungsebenen“, so Kohl.

Mit echtem Fachkräftemangel hat Elisabeth Kreß-Maier zwar kein Problem, aber es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, geeignete Auszubildende für das Unternehmen zu gewinnen. „Es erfordert ungleich mehr Engagement als früher, diese Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt die Bereichsleiterin Personal und Recht von der Sparkasse Heidelberg. Vor acht Jahren habe sie noch jährlich einige 100 Bewerbungen bekommen, aktuell seien es rund 200. „Eine interessante Zielgruppe sind zwischenzeitlich Studienabbrecher – was nicht wirklich überrascht.“

 

Elisabeth Kreß-Maier, Bereichsleiterin Personal und Recht, Sparkasse Heidelberg: „Es erfordert ungleich mehr Engagement als früher, Ausbildungsplätze zu besetzen.“

Azubis als Werbebotschafter

Kreß-Maier setzt inzwischen verstärkt auf die eigenen Azubis als Werbebotschafter in den sozialen Medien, um Schulabgänger für die Ausbildung zu erwärmen. „Während Corona ist das natürlich besonders wichtig, weil Veranstaltungen in Schulen oder Ausbildungsmessen als klassische Tools nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Über eine Art Mentoringprogramm sowie ein Talentmanagement stellt sie zudem sicher, dass die Einsteiger frühzeitig Kontakt zur zweiten Führungsebene bekommen, um Aufstiegschancen in der Sparkassen-Finanzgruppe ausloten zu können.

Eva Gerhardt, Leiterin der Abteilung Personalentwicklung bei der Sparkasse Saarbrücken, stellt wie ihre Kollegen fest, dass es schwieriger wird, offene Positionen zu besetzen, vor allem wenn dies kurzfristig geschehen muss oder hochqualifizierte Sachbearbeiter gesucht werden. „Grundsätzlich müssen Bewerber heute deutlich höher qualifiziert sein, und hier bekommen wir kurzfristig weniger geeignete Bewerbungen.“

 

Eva Gerhardt, Leiterin der Abteilung Personalentwicklung bei der Sparkasse Saarbrücken: „Grundsätzlich müssen Bewerber heute deutlich höher qualifiziert sein, und hier bekommen wir kurzfristig weniger geeignete Bewerbungen.“

Einfacher als vor der Pandemie habe sie hingegen im vergangenen Jahr die 25 Ausbildungsplätze besetzen können. Gerhardt konnte sogar aus mehr Bewerbungen als in den Vorjahren auswählen.

Die Lebensentwürfe der jungen Bewerber hätten sich indessen deutlich geändert. „Früher kamen die jungen Leute zu uns, um zu bleiben. Heute wollen sie zwar auch gern bleiben, sich aber gleichzeitig Optionen offenhalten.“ Studienwünsche unterstützt die Sparkasse mit dem Angebot von Teilzeitverträgen. „So stellen wir sicher, dass zumindest ein Teil der Auszubildenden, die an die Uni gehen, uns erhalten bleibt“, sagt Gerhardt.

Frühe Suche nach Nachfolgern

Seit 2012 lenkt Annett Zahn die Sparkasse Uecker-Randow im östlichen Mecklenburg-Vorpommern. Was ihr Sorgen bereitet: In ihrem Landkreis steigt das Durchschnittsalter. „Aufgrund des Fachkräftemangels in den vergangenen Jahren ist es generell schwieriger geworden, gut qualifizierte Führungskräfte zu gewinnen“, sagt die 52-Jährige.

„Wenn wir wissen, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt ausscheidet, suchen wir schon zwei Jahre vorher, besetzen die Stelle gegebenenfalls doppelt, um den Nachfolger in Ruhe einzuarbeiten.“ Bei Spezialisten sei es besonders schwierig, so Zahn. Den neuen Leiter der Innenrevision habe man vier Jahre lang gesucht.

 

Annett Zahn, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Uecker-Randow: „Wer Party machen und das Großstadtleben genießen will, ist bei uns natürlich nicht richtig.“

Bei Sparkassen außerhalb der Metropolregionen kann sich auch der Standort als Nachteil erweisen. „Wer Party machen und das Großstadtleben genießen will, ist bei uns natürlich nicht richtig“, sagt Zahn. Der Suchradius bleibt deshalb eng, die Bewerber kommen überwiegend aus der Region und wollen gern vor Ort bleiben. Das hat Vorteile. „Sie können hier für wenig Geld ein Haus bauen und die Kinder problemlos allein zur Schule schicken.“

Ausgefeiltes Gesundheits­management

Um Mitarbeiter zu halten, spielt der Wohlfühlfaktor eine entscheidende Rolle. „Mit Benefits wie 31 Tagen Urlaub, 14 Gehältern, variablen Arbeitszeiten, vermögenswirksamen Leistungen, Zusatzversicherungen für Arbeitnehmer und Homeoffice können wir vor allem bei Quereinsteigern punkten“, sagt Zahn. Darüber hinaus positioniert sich die Sparkasse zum Beispiel mit einem ausgefeilten Gesundheitsmanagement.

Als grenznahes Geldinstitut hat die Sparkasse viele Kunden aus Polen. Die will sie natürlich in ihrer Landessprache bedienen. In diesem Bereich sei es überhaupt nicht schwierig, geeignete Fachkräfte zu locken, so Zahn.

Das hat viele Gründe. Der deutsche Arbeitgeber zahlt besser als der polnische – und Wohnungen und Häuser sind in und bei Pasewalk günstiger als in Polen. „Viele polnische Kollegen wohnen deshalb in Deutschland und erreichen von hier in nur 30 Minuten die nächste größere polnische Stadt Stettin.“ Da eine duale Ausbildung dort nicht bekannt ist, hatte die Sparkasse 2014 das Ausbildungsprogramm „Cleveres Köpfchen“ gestartet. Auf einen vom Arbeitsamt geförderten Crashkurs in Deutsch folgt eine klassische Ausbildung. Das zahlt sich mittlerweile aus.

Viele Jüngere scheuen Erfolgsdruck

Wie sich das Thema Fachkräfte bei den kleineren Sparkassen entwickelt hat, kann auch Carola Frisch gut beurteilen. Seit mehr als 20 Jahren verantwortet sie den Bereich Personal und das Vertriebsmanagement bei der Sparkasse Mansfeld-Südharz mit Hauptsitz in der Lutherstadt Eisleben.

„Es ist schwieriger geworden, gute Fachkräfte zu finden“, sagt Frisch. „Alteingesessene Berater tun sich schwer mit der ständig steigenden Regulatorik und wegen des Zinsumfeldes werden die alternativen Anlageprodukte auch immer anspruchsvoller.“ Viele Jüngere scheuten zudem den Erfolgsdruck in der Beratung.

 

Carola Frisch, Leiterin Personal- und Vertriebsmanagement, Sparkasse Mansfeld-Südharz: „Viele Jüngere scheuen zudem den Erfolgsdruck in der Beratung.“

Quereinsteiger willkommen

Wie bei vielen kleinen Sparkassen ist auch bei dem Institut in Sachsen-Anhalt mit seinen 16 Geschäftsstellen und rund 260 Mitarbeitern die Fluktuation gering und Personalabbau kein Thema. Vorrang haben interne Besetzungen. „Entsprechend wichtig ist es, junge Leute aus den eigenen Reihen weiterzuentwickeln“, so Frisch.

Das reiche aber nicht. Auch Quereinsteigerprogramme sollen dafür sorgen, dass externe Mitarbeiter leichter in die Sparkassenwelt integriert werden können. Ihnen bietet die Sparkasse Schulungen an der Sparkassenakademie, aber auch die Möglichkeit, eine Ausbildung zum Sparkassenkaufmann nachzuholen. Die Erfahrungen mit den Externen, die zum Beispiel von Versicherungen, aus der Industrie oder sogar von Fastfood-Ketten kämen, bezeichnet Frisch als „geteilt“. Es dauere, bis sich jemand in der Organisation richtig eingearbeitet habe.

Umso wichtiger ist es für die Personalerin, gute Mitarbeiter zu binden. Dafür hat die HR-Expertin selbst noch einmal die Schulbank gedrückt und eine einjährige berufsbegleitende Weiterbildung zur Mediatorin an der Berliner Steinbeis-Hochschule absolviert: „Konflikte im Unternehmen können schnell zu innerer Kündigung führen. Da müssen wir frühzeitig gegensteuern.“ Als weiteres Asset bezeichnet Frisch, dass sie als Vertriebsmanagerin und ausgebildete Trainerin einen guten Überblick über die Sparkassen-Finanzprodukte habe und gut beurteilen könne, ob sich jemand für den Vertrieb eigne.

Zentren saugen Fachkräfte ab

Wenn die Rhön-Rennsteig-Sparkasse in Südthüringen neue Mitarbeiter sucht, ist harte Konkurrenz nicht weit: „Einen gewissen strukturellen Nachteil haben wir schon“, sagt Vorstandsvorsitzende Annette Theil-Deininger. Nur 100 Kilometer entfernt locken bekannte Städte wie Jena, Weimar und Erfurt. „Die Zentralregion saugt die Fachkräfte ab.“

Dabei sei Südthüringen wirtschaftlich, kulturell und landschaftlich attraktiv. Das werde die Sparkasse mit Hauptsitz in Meiningen künftig noch stärker bei Stellenausschreibungen kommunizieren.

Engpässe gebe es insbesondere bei Spezialisten, etwa aus den Bereichen IT, Controlling, Regulatorik. „Da stehen wir mittlerweile nicht nur im Wettbewerb mit anderen Banken und Unternehmen, sondern selbst mit öffentlichen Institutionen“, so Theil-Deininger. Und immer stärker zeichne sich schon der nächste Engpass ab. „Auch Firmenkundenbetreuer werden knapp.“

 

Annette Theil-Deininger, Vorstandsvorsitzende der Rhön-Rennsteig-Sparkasse: „Engpässe gibt es insbesondere bei Spezialisten, etwa aus den Bereichen IT, Controlling, Regulatorik.“

Übernahmequote nahe 100 Prozent

Die Sparkasse, die rund 350 Mitarbeiter beschäftigt, steuert gegen. „Ausbilden, ausbilden, ausbilden“, ist ihre wichtigste Devise. Seit 2015 bietet sie ein duales Studium an, seit 2017 folgte erstmals die Ausbildung von Immobilienkaufleuten und sukzessive schließlich von Fachinformatikern Systemintegration, Kaufleuten für Dialogmarketing und Kaufleuten für Marketingkommunikation.

Die Übernahmequote liegt seit Jahren bei nahezu 100 Prozent. Einmal jährlich checken Teilnehmer eines Strategieworkshops, ob die Berufsbilder noch aktuell sind und zum absehbaren Bedarf der kommenden Jahre passen. Als besonders wichtig schätzt Theil-Deininger zudem die Arbeitgeberattraktivität ein.

Erstmals befragte die Sparkasse deshalb jüngst die Belegschaft, immerhin 75 Prozent der Mitarbeiter beteiligten sich. Mit 82 Prozent bewertete eine große Mehrheit die Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten, Sozialleistungen, Arbeitsklima und Technikausstattung als positiv, 93 Prozent fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz wohl. Alle zwei Jahre will das Institut die Befragung künftig wiederholen. Denn auch Sparkassenchefin Theil-Deininger weiß: „Zufriedene Mitarbeiter bleiben länger und wirken als Markenbotschafter nach außen.“

Eli Hamacher (Foto oben: Shutterstock)
– 12. November 2021