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Start-ups in der Krise / aktualisiert
Ganz schön mutig
Vielen ist die Lust aufs Gründen vergangen. Aber manche Unternehmerinnen wagen gerade jetzt den Gang in die Selbstständigkeit. Sparkassen unterstützen sie dabei.

Vorab die wichtigsten Punkte:

++ Auch Sparkassen spüren ein nachlassendes Interesse seitens potenzieller Gründer.

++ Gut durchdachte Businesspläne unterstützen die Institute aber weiterhin.

++ Nach anfänglichem Einbruch ziehen die Nachfragen seit Sommer 2020 wieder an, quer durch alle Branchen.

++ Mutige Gründerinnen und Gründer lassen sich durch die Krise zu neuen Geschäftsmodellen inspirieren.

++ Gut aufgestellte Unternehmer nutzen die Krise auch für Übernahmen.

++ Bei Frauen geht das Interesse an der Selbstständigkeit indes generell zurück. Einige Jungunternehmerinnen haben das Gefühl, für Anerkennung im Geschäftsleben stärker kämpfen zu müssen als Männer.

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(Sie lesen die aktualisierte Fassung eines im November 2020 erschienenen Artikels).

Heike Drawert bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Die 32-Jährige arbeitet in Teilzeit bei einem Augenoptiker, ist Mutter von zwei kleinen Töchtern und lebt mit einem Berufssoldaten zusammen, der ständig auf Achse ist. Die meisten würden das „gut ausgelastet“ nennen.

Doch als Drawert mit ihrer Familie im Sommer 2019 in den Urlaub fahren wollte, stellte sie fest: „In der Nähe konnten wir kein Wohnmobil mieten, sondern wurden erst im fast 45 Kilometer entfernten thüringischen Altenburg fündig.“ Das ließ die erfahrene Camperin nicht mehr los.

Berater knüpft Kontakt zur Sparkasse

Zügig reifte der Plan, künftig selbst Wohnwagen und Wohnmobile zu vermieten. Zurück aus den Ferien ließen sie und ihr Partner die Idee von einem Unternehmensberater prüfen, der auch den Kontakt zur Sparkasse Chemnitz knüpfte.

„Der Firmenkundenberater hat unser Vorhaben sehr positiv aufgenommen“, erinnert sich Drawert. Und dann kam Corona. Doch die Jungunternehmerin ließ sich nicht beirren, am 16. April 2020, mitten im ersten Lockdown, gründete sie in der sächsischen Gemeinde Erlau das Einzelunternehmen Camper Queen.

 

 

Heike Drawert: „Der Firmenkundenberater hat unser Vorhaben sehr positiv aufgenommen.“

 

Und trotzte dem Trend. Die Zahl neu gegründeter Kleinunternehmen sei im Jahr 2020 mit rund 135.400 deutlich niedriger gewesen als im Jahr zuvor, berichtet das Statistische Bundesamt und beziffert den Rückgang mit 17,3 Prozent. Insgesamt sanken die Gewerbeanmeldungen um 1,8 Prozent auf rund 658.800. Doch manche Unternehmerinnen wagten gerade in der Krise die Selbstständigkeit. Die Sparkassen unterstützen sie dabei.

„Am Konzept von Camper Queen hat uns überzeugt, dass die Gründerin aufgrund eigener Erfahrungen den Markt gut beurteilen kann. Positiv war zudem, dass Heike Drawert erst einmal ihren Job behalten hat und so feste Einnahmen fließen“, sagt Falko Wolf, Firmenkundenberater bei der Sparkasse Chemnitz.

Marktstudien belegten zudem, dass der Camping-Boom durch die Pandemie eher noch einen zusätzlichen Push bekomme. Das bestätigt auch Manfred Böhme, Direktor beim Landestourismusverband Sachsen: „Camping ist in Coronazeiten eine der beliebtesten Urlaubsformen.“ Das wirkt sich laut Wolf auch positiv auf die Preise aus, da die Anbieter wegen der hohen Nachfrage keine Nachlässe geben müssten.

 

Heike Drawert: „Viele Gäste mussten ihre Flüge absagen, haben dann das erste Mal Campingurlaub gemacht und im Anschluss oftmals schon für 2021 gebucht.“

 

Zwischen einer Woche und zwei Monaten beträgt die Mietdauer. „Viele Gäste mussten 2020 ihre Flüge absagen, haben dann das erste Mal Campingurlaub gemacht und im Anschluss oftmals schon für 2021 gebucht“, sagt Drawert. Auch mit der aktuellen Buchungslage ist sie sehr zufrieden, gerade in der Ferienzeit gebe es nur noch vereinzelt freie Kapazitäten. „Die anderen Monate könnten noch ein bisschen besser sein. Aber Kunden, die flexibel sind, buchen eher kurzfristig. So war es auch im letzten Jahr.“

Kreditvertrag mitten im Lockdown

Dass manche Zeltplätze die Waschräume wegen Corona nicht öffnen dürfen, muss die Kunden nicht stören. Die kleinen Häuser auf Rädern sind bestens ausgestattet und haben deshalb ihren Preis: Los geht‘s bei 50.0000 Euro, aber auch Preise jenseits von 350.000 Euro rufen die Produzenten auf. Trotz der hohen Anfangsinvestitionen und schwieriger konjunktureller Perspektiven kam der Kreditvertrag mit der Sparkasse Chemnitz mitten im Lockdown zustande.

Über zu zögerliche Bankberater mussten sich auch Miriam Uhl und Karla Küstner nicht ärgern. Die Fachinformatikerin und die Innenarchitektin hatten zusammen in einem Planungsbüro gearbeitet und entschieden relativ spontan, gemeinsam den Gang in die Selbstständigkeit zu wagen. Wie Drawert gründeten sie mitten in der Pandemie.

Ende August ging die Unternehmensgesellschaft „raum rebellen“ in Stuttgart an den Start und bietet ihren Kunden seitdem neben klassischer Arbeitsplatzplanung 3D-Visualisierung, Virtual Reality und Building Information Modeling dank digitaler Tools.

Das gibt Kunden ergänzende visuelle Informationen und eine höhere Planungssicherheit. Dritte Säule des Geschäftsmodells bildet das so genannte Change Coaching, um die Mitarbeiter in die Arbeitsplatzgestaltung einzubinden. Dabei arbeitet das Duo mit Netzwerkpartnern zusammen.

 

Miriam Uhl und Karla Küstner sehen für die Zukunft viel Raum für kreative Begegnungsflächen, um einen Ausgleich zum Homeoffice zu schaffen.

 

Corona hat das Geschäft eher beflügelt. „Die ersten Firmen sind dabei, ihre Post-Pandemie-Konzepte zu erarbeiten“, sagt Uhl. Da weiterhin viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiteten und viele Unternehmen daran zumindest zum Teil festhalten wollten, stehe jetzt die Raumplanung auf dem Prüfstand.

Dabei gehe es nicht nur um Kosteneinsparung und Funktionalität, sondern auch um die Bedürfnisse der Mitarbeiter: „Die Beschäftigten dürfen sich nicht durch die Zunahme von Homeoffice abgehängt fühlen. Wir sehen für die Zukunft deshalb viel Raum für kreative Begegnungsflächen, um einen Ausgleich zum Homeoffice zu schaffen“, sagt Küstner. Eine Umfrage von raum rebellen zum Thema „Homeoffice – gekommen um zu bleiben?“ habe die Prognosen bestätigt, wonach neue Raumkonzepte gefragt seien.

BW Bank macht mit, Start während der Krise

Überzeugen konnten Uhl und Küstner ihre Hausbank, die BW Bank, vor allem deshalb, weil sie schon Kunden in das neue Unternehmen mitbrachten. Dennoch: Ganz leicht ist der Start in der Krise nicht. „Viele Firmen agieren immer noch leicht verhalten, aber die ersten Projekte wurden angeschoben“, so Uhl. Ruhigere Phasen nutzt das Unternehmen, um strategische Kooperationen auszubauen und weiter Vertrieb, Marketing und IT zu stärken. Mitte November kam die erste Mitarbeiterin.

Alexander Hahn, Fachberater Gründung und Übernahme bei der LBBW, war selbst etwas überrascht, als er feststellte, dass zwischen März und Juni 2020 kein einziger Unternehmer mit Unterstützung der LBBW-Tochter BW-Bank einen Betrieb gegründet hatte.

„Es gab zwar Anfragen, die dann aber wieder zurückgezogen wurden. Das ein oder andere Projekt hätten wir gern gemacht“, sagt Hahn. Der Geschäftsbereich habe 2020 trotz des Einbruchs bei den Gründungen aber gut abgeschnitten, weil die BW-Bank zahlreiche Übernahmen begleitet habe. Die erste Gründung nach dem Einbruch war die von Küstner und Uhl.

Die Entwicklung der Neugründungen habe sich aktuell deutlich stabilisiert. Man bekomme wieder zunehmend Anfragen von Gründern aus dem Handwerk und auch der Freien Berufe, wie Steuerberatern und Ärzten. Die besonders von den Corona-Folgen betroffene Gastronomiebranche, oder auch der Einzelhandel, werden dagegen von Gründungswilligen derzeit gemieden. „Da die Auswirkungen der Pandemie deutliche Spuren in den 2020er Jahresabschlüssen vieler Unternehmen hinterlässt, haben wir bereits einen leichten Trend zu günstigeren Übernahmepreisen (Relation EBIT/Kaufpreis) festgestellt, dessen Nachhaltigkeit sich aber erst noch beweisen muss“, beobachtet Hahn.

Wie schwer haben es Gründerinnen?

Dass es Frauen beim Schritt in die Selbstständigkeit – wie oftmals behauptet – schwerer haben als Männer, finden weder Drawert noch Uhl und Küstner: „Wir haben bei unserer Hausbank und auch nicht bei anderen Geschäftspartnern das Gefühl, anders behandelt zu werden als ein Mann“, sagt Uhl.

Ganz andere Erfahrungen haben Shila Behjat und Antonia Schulemann gemacht. Im März 2020 gründeten sie in Berlin die Beshu UG, eine Verlagsbuchhandlung, die Bücher konzipiert, produziert und auch vertreibt, im eigenen Shop, aber auch über die klassischen Onlinehändler und stationäre Läden.

Die Gründerinnen, die Erfahrungen im Corporate Publishing, Journalismus, Marketing und als Autorin mitbringen, mussten erst einmal lernen, sich gegenüber den meist männlichen neuen Geschäftspartnern durchzusetzen.

 

Shila Behjat und Antonia Schulemann gründeten im März 2020 die Verlagsbuchhandlung Beshu UG.

 

„Neben Belletristik bringt Beshu Books Bücher von Unternehmen über Unternehmen auf den Markt, sei es als Sachbuch und selbst in Romanform“, erklärt Schulemann. Zu den Erstveröffentlichungen des Verlags zählt ein Buch von Gunther Wobser, CEO des Unternehmens Lauda Dr. Wobser, Spezialist für Temperiergeräte, der ein Jahr lang im Silicon Valley recherchierte, wie ein deutscher Mittelständler zukunftsfähig bleiben kann. „Neu erfinden, Was der Mittelstand vom Silicon Valley lernen kann“ hat der Chef des Hidden Champions sein Werk genannt.

An Herausforderungen mangelte es nicht. Kaum gegründet, kam der erste Lockdown. „Zum Glück durfte der Shop geöffnet bleiben“, sagt Schulemann. Aber bis Ende April 2020 sei dann doch eine deutliche Zurückhaltung bei angelaufenen Projekten zu spüren gewesen. Auch an Literatursalons war wegen der neuen Abstandsregeln in der kleinen Buchhandlung zunächst nicht zu denken.

Optimismus trotz erneutem Lockdown

Seit Mai 2020 lief es besser. Im Herbst kamen die ersten Bücher auf den Markt. Trotz zweitem Lockdown bleiben die Jungunternehmerinnen optimistisch. In der Uckermark vor den Toren Berlins will Beshu Books im laufenden Jahr ein Literaturfestival und Salons in der Natur veranstalten, auf der Frankfurter Buchmesse (wenn sie denn im Herbst stattfinden kann) ein Programm von 15 Büchern vorstellen.

 

Wie viele Gründer sind auch Shila Behjat und Antonia Schulemann erst einmal mit Eigenkapital an den Start gegangen. 

 

Nach dem ersten Jahr zieht Schulemann eine positive Bilanz. Trotz Krise ist es den Kundinnen der Berliner Sparkasse geglückt, mit eigenen finanziellen Mitteln auszukommen. „Und wir haben nicht nur unsere Ziele unter schweren Bedingungen erreicht, sondern auch Ergebnisse darüber hinaus: So können wir zum 1. Mai 2021 drei Mitarbeiterinnen fest einstellen.“

Auch für Gründerin Drawert ist die erste Saison viel besser gelaufen als erwartet. Ein wenig bremsen musste sie dennoch. Eigentlich wollte sie zehn neue Fahrzeuge bestellen, daraus wurden erst einmal nur drei. „Es mangelt an Stellfläche. Es ist gar nicht so einfach, ein Grundstück mit guter Infrastruktur zu bekommen.“ Wenn es soweit ist, muss sie sich um Unterstützung keine Sorgen machen. Die Sparkasse Chemnitz hatte schon Offenheit für die Expansionspläne signalisiert.

Eli Hamacher
– 17. März 2021