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Private Banking / Interview
„Wer, wenn nicht die Sparkassen?“
Die Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe hat auch in der Coronakrise das Geschäft mit wohlhabenden Kunden ausgebaut, wie der Vorsitzende der Geschäftsleitung Holger Mai berichtet. Die Vergütungen der Partnersparkassen seien um ein Drittel gestiegen.

Herr Mai,  Ihr Unternehmen hat jetzt verkündet, dass die verwalteten Kundengelder in diesem Mai erstmals die Marke von 15 Milliarden Schweizer Franken überschreiten. Von der Coronakrise haben Sie nichts gespürt?
Holger Mai: Wir sind mit dem Vorjahresergebnis, der Steigerung des Brutto-Anlagevolumens auf 13,7 Schweizer Franken, in der Tat sehr zufrieden. Ich denke, unsere Kooperationssparkassen sind es auch, denn deren Vergütungen stiegen um rund 33 Prozent auf 23,3 Mio. Franken.

Aber selbstverständlich haben wir die Pandemie gespürt, die etwa einen erheblichen Digitalisierungssprung notwendig gemacht hat. Immerhin ist es uns gelungen, Anfang März 2020 innerhalb von drei Tagen eine Umstellung zu einer 90-prozentigen dezentralen Arbeitsorganisation zu installieren. Übrigens war Corona nicht unsere einzige Herausforderung.

Was gab es denn noch?
Wir sind in den vergangenen Jahren erheblich personell gewachsen, um auch perspektivisch mit unseren Beraterkapazitäten und den Sparkassen ein höheres Anlagevolumen abarbeiten zu können. Obwohl diese Personalinvestitionen mit erheblichen Kosten verbunden waren, konnten wir die Vermögensverwaltung 2020 mit einem positiven Ergebnis abschließen; trotz des massiven wirtschaftlichen Einbruchs.
 


„Unsere Beraterinnen und Berater in der Vermögensverwaltung sind im Juli wieder mit vollen Terminkalendern zu den Sparkassen und Kunden unterwegs."

Holger Mai, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe.


Die Beratung vermögender Kunden ist üblicherweise sehr persönlich. Wie haben Sie in der Coronaphase mit den Kunden kommuniziert?
Wir hatten einen sehr intensiven Austausch über Telefon und Videokonferenzen. Die Vermögensverwaltung hat häufig ältere Kundinnen und Kunden, die größtenteils sehr dankbar waren, dass wir von unserer Seite aus auf den persönlichen Kontakt verzichten konnten. Das hatte natürlich damit zu tun, dass der Impfstart auch für diese Gruppe zögerlich verlief und es zudem einige Zeit dauerte, bis unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft wurden.

Bleibt es künftig bei der Videoberatung?
Nein, wir merken jetzt langsam, dass viele Kundinnen und Kunden sich auf eine „physische“ Beratung freuen, aber auch das ist natürlich sehr individuell und wir werden uns auf persönliche Präferenzen einstellen. Jedenfalls sind unsere Beraterinnen und Berater in der Vermögensverwaltung wieder im Juli mit vollen Terminkalendern zu den Sparkassen und Kunden unterwegs.

Wie lief und läuft der Kontakt zu den Sparkassen in Zeiten der Reisebeschränkungen?
Auch zu den Sparkassen haben wir digitale Austauschmöglichkeiten aufgebaut, bereits im Juni 2020 hatten wir mehr als 20 digitale Angebote geschaffen: Bei den etwa 30-minütigen Vorträgen für die Institute sowie für Kunden zu aktuellen Themen war die Resonanz sehr groß, wir hatten hohe Teilnehmerzahlen.

Das Angebot steht bis jetzt und es hat uns eine sehr hohe Kontaktfrequenz zu den Sparkassen ermöglicht, ohne unsere dortigen Ansprechpartner physisch gesehen zu haben. Unsere laufenden Digitalisierungsprozesse haben sich allgemein erheblich beschleunigt, was sicherlich bei den meisten Instituten der Fall ist.

 


Wie schwierig war es im vergangenen Jahr, neue Kunden zu gewinnen?
Lassen Sie mich so beginnen: Wenn wir versucht hätten, am Telefon ohne ein „Entrée“ eine sogenannte „Kaltakquise“ zu starten, hätte das vermutlich nicht funktioniert. Die meisten Kunden waren in irgendeiner Form mit der Pandemie und Gesundheitsfragen beschäftigt und zudem war die wirtschaftliche Situation so unsicher, dass Geldanlage als schwieriges Thema gesehen wurde.

Aber im Sparkassenverbund ist das etwas anderes: Man wird empfohlen, es gibt einen gemeinsamen Termin am Telefon oder per Video, an dem der langjährige Sparkassenberater und wir als Frankfurter Bankgesellschaft teilnehmen. Und wenn es uns dann gelingt, mit unserer Expertise zu überzeugen, dann weiß der Kunde, sein Geld wird von einem Partner seiner Sparkasse verwaltet.

 

Wenn wir versucht hätten, am Telefon eine „Kaltakquise“ zu starten, hätte das vermutlich nicht funktioniert. Aber im Sparkassenverbund ist das etwas anderes: Man wird empfohlen, es gibt einen Termin am Telefon oder per Video, an dem der Sparkassenberater und wir teilnehmen." 

 

Wir haben volatile Märkte gesehen. Welche Auswirkung hatte dies auf die Investmentstrategie der Frankfurter Bankgesellschaft? 
Wir haben relativ schnell im März die Aktienquote massiv reduziert; zu dieser Entscheidung haben wir unsere Kundinnen und Kunden umfassend telefonisch oder per Mail informiert. Bereits Anfang April haben wir uns dann auf die Bewegungs- und Frequenzdaten fokussiert, das heißt, wir haben verfolgt, welche Verkehre eine größere Auslastung hatten, welche Internetanfragen für Bestellungen besonders häufig gestellt wurden und ähnliches.

Entsprechend dieser Erkenntnisse haben wir die Aktienquote wieder hochgefahren und waren schließlich bei einem Plus von 4,7 Prozent nach Kosten. Auch wenn man sich ein noch besseres Ergebnis vorstellen könnte – über vier Prozent nach diesem wirtschaftlichen Einbruch und mit all den Unsicherheiten, die ein unerforschter Erreger für den Pandemieverlauf mit sich bringt, ist schon ganz ordentlich.

Und wenn ich an unser Leistungsversprechen erinnern darf – „Stabilität für Ihr Vermögen“ – dann ist es genau das, was wir erreicht haben, ohne irgendwelche Strukturen, die keiner versteht, sondern mit qualitativ guten Einzeltiteln bei Aktien und Anleihen.

Gab es in der Pandemiephase noch den „typischen Kunden“ der Vermögensverwaltung?
Die Reaktionen und damit auch das Verhalten unserer Kunden waren sehr unterschiedlich: Manche waren verunsichert und haben lieber in sichere Anleihemärkte investiert, andere wiederum hatten mit zusätzlichen Mitteln gerade in Aktien investiert, weil sie rückblickend meinten, nach der Finanzkrise zu zögerlich gewesen zu sein und damit Kurserholungspotenziale liegengelassen zu haben. Es gab also keine typische Verhaltensweise. Wir sind Dienstleister unserer Kundinnen und Kunden und können beraten, aber sie entscheiden selbst über die grundsätzliche Ausrichtung ihrer Anlagen.

 

„Manche Kunden wollten lieber in sichere Anleihemärkte investieren, andere haben gerade in Aktien investiert, weil sie rückblickend meinten, nach der Finanzkrise zu zögerlich gewesen zu sein. Es gab keine typische Verhaltensweise."

 

Was wir allerdings häufiger gesehen haben, war eine stärkere Diversifizierung der Geldanlagen und in diesem Zusammenhang eine größere Anfrage für den Standort Zürich. Gerade in Krisenzeiten sehen manche Anleger in der Schweiz einen „sicheren Hafen“.

 


Welche Bedeutung haben für die Frankfurter Bankgesellschaft die ESG-Kriterien? 
Für uns sind die ESG-Kriterien schon lange wichtig, weil wir auch Gelder von gemeinnützigen Stiftungen verwalten, die in vielen Fällen Ausschlusskriterien in ihren Anlagerichtlinien formuliert hatten. Und wir selbst reduzieren zum Beispiel im Gebäudemanagement auch unseren ökologischen Fußabdruck und haben Selbstverpflichtungen unterzeichnet.

Aber neben der ökologischen Komponente sind auch das „S“ und das „G“, also die sozialen und die Standards der guten Unternehmensführung, wichtig. Ein Beispiel: Wir haben als eine der ersten Banken eine testierte Lohn-Gleichheitsanalyse durchgeführt.

Wie beraten Sie Ihre Kunden zum Thema ESG-Kriterien? 
Durch die Gesetzgebung und durch die Pandemie, die fiskalisch durch Konjunktur- und Förderprogramme wirtschaftlich abgemildert wurde, die in Richtung „grüne Umgestaltung“ der Wirtschaft gehen, wird es für Kunden zwingend, diesen Kriterien konform anzulegen. Denn wer in Unternehmen anlegt, deren Geschäftsmodell diese Anforderungen völlig außer Acht lässt, wird Vermögen vernichten, weil der Markt mit höheren Kreditzinsen oder fehlenden Kaufempfehlungen reagieren wird.

Die CO2-Bepreisung wird zu einer riesigen Umverteilung von Vermögen führen; auch deshalb stellen sich Öl- und Energiekonzerne heute sehr viel diversifizierter auf. Als Vermögensverwalter muss man diese Veränderungen antizipieren oder man wird eine Unter-Performance haben.

 

„Die CO2-Bepreisung wird zu einer Umverteilung von Vermögen führen; auch deshalb stellen sich Öl- und Energiekonzerne heute diversifizierter auf. Als Vermögensverwalter muss man diese Veränderungen antizipieren oder man wird eine Unter-Performance haben."

 

Fragen die Kunden auch selbst nach? 
Das ist sehr unterschiedlich. Für Unternehmer, deren Unternehmen schon seit Generationen bestehen, ist Nachhaltigkeit häufig sehr wichtig, andere vermögende Kunden haben durchaus noch Informationsbedarf, was die Auswirkungen der ESG-Kriterien anbetrifft. Da trifft man bei unseren Kundinnen und Kunden auf die gesamte Bandbreite, aber letztlich wird sicherlich der Werterhalt des Vermögens der ausschlaggebende Faktor sein.

 

 

Ende Mai hatte die Frankfurter Bankgesellschaft mit rund 75 Prozent der deutschen Sparkassen Kooperationsverträge abgeschlossen. Welche Verbundquote streben Sie an?
Wir haben uns keine 100-prozentige Marktdurchdringung bei den Sparkassen zum Ziel gesetzt, das wäre unrealistisch. Die Vorteile einer Zusammenarbeit mit uns, wie Provisionserträge ohne zusätzlichen Aufwand und eine Kundenbindung im oberen Vermögenssegment, sind als Argumente bekannt und auch, dass wir ein loyaler Verbundpartner sind.

Aber es gibt Sparkassen, die gehen in der Vermögensverwaltung andere Wege. Wichtig ist für uns, gemeinsam mit den Instituten, mit denen wir eine Kooperation eingehen, einen guten Job zu machen und damit Mehrwert für die Sparkassen und ihre Kunden zu generieren. Dass das geht, zeigen unsere wirtschaftlichen Ergebnisse.

 

 

Nach der Bank haben jetzt auch das Family Office der Frankfurter Bankgesellschaft sowie das Kompetenzzentrum Stiftungsmanagement Auszeichnungen erhalten. Wie wichtig sind solche Bewertungen im Wettbewerb?
Etwas plakativ formuliert würde ich sagen: Diese Auszeichnungen belegen, dass wir es können. Im Gegensatz zu unseren Wettbewerbern machen wir keine Werbung, wir sind nicht als Name allen bekannt. Daher sind wir darauf angewiesen, dass wir im Gespräch mit den Sparkassen und ihren vermögenden Kunden auf andere Weise überzeugen und das tun wir dem Hinweis auf unsere Qualität, die durch diese Auszeichnungen bewiesen wird.

Auch in die Sparkassen hinein hat das eine Signalwirkung; die Berater dort tun sich mit einer Empfehlung für uns leichter, wenn wir in solchen Rankings weit vorne liegen. Gefreut hat mich, dass unsere Finanzbetreuung im Privatbanken-Ranking des Magazins Focus Money im Frühjahr 2021 nach Befragung von rund 64.000 Personen mit „sehr stark“ bewertet wurde. Das ist eine weitere tolle Auszeichnung für die Kolleginnen und Kollegen.

 

 

Die Frankfurter Bankgesellschaft hat ihre Aktivitäten zur Betreuung des Mittelstandes in den letzten beiden Jahren ausgeweitet, vor allem mit der Mehrheitsbeteiligung an der Imap, einer M&A-Beratungsgesellschaft für den deutschen Mittelstand. Was ist die strategische Zielsetzung dahinter? 
Unsere Zielsetzung ist, der umfangreichste Dienstleistungsanbieter für den vermögenden Kunden und den Mittelstand in Deutschland zu sein. Wir haben solche Aktivitäten aufgenommen, die unser Dienstleistungsspektrum in dieser Hinsicht ausweiten.

Wir decken jetzt mit unserer Aufstellung das gesamte Beratungsspektrum von vermögenden Familienunternehmern ab –  von der Erarbeitung einer Familienstrategie, der Vermögensstrategie über einen eventuellen M&A-Prozess, falls es keine Nachfolgeregelung gibt –  bis hin zur Anlage der Gelder aus dem Verkaufsprozess und dann durch die Sparkassen und Landesbanken die Möglichkeit der Finanzierung des Käufers.

Sind die Sparkassen für ein solches Angebot überhaupt der richtige Ansprechpartner?  
Wer, wenn nicht die Sparkassen? Sie haben die Marktführerschaft bei der Mittelstandsfinanzierung und wir als Frankfurter Bankgesellschaft haben als einziges Institut im Verbund die Expertise, den vermögenden Mittelstandskunden über diese Bedarfe hinweg zu begleiten. Sowohl unsere Manpower in den verschiedenen Bereichen der Betreuung als auch unser Angebot, zwischen den Standorten Frankfurt und Zürich wählen zu können, zeigt unsere breite Aufstellung.

Der deutsche Mittelstand hat eine Vielzahl von Unternehmen, deren Umsätze zwischen 50 und 300 Millionen Euro liegen und die von Sparkassen betreut werden; ich denke, hier liegt für die S-Finanzgruppe insgesamt noch erhebliches Potenzial. Unternehmen, die weit darüber liegen, haben größere Investmenthäuser an ihrer Seite, das ist dann aber auch eine andere Flughöhe.
 

Was bewerten Sie den Jahresauftakt 2021?
Wir haben bis jetzt rund zwei Milliarden Franken an zusätzlichem Anlagevolumen gewinnen können, davon hälftig neue Anlagen, was für die ersten fünf Monate eine sehr gute Ausgangsentwicklung auch im Vergleich zur Gesamtbranche darstellt. Wir sind also sehr gut gestartet, obwohl wir während der dritten Coronawelle wieder erhebliche Kontaktbeschränkungen hatten und deshalb auf digitale Kanäle gehen mussten.

 

„Auch unsere Performance lässt sich sehen, zumindest gemessen daran, was unsere Kunden von ihren Erfahrungen mit Wettbewerbern berichten. Es kamen sechs neue Sparkassen als Kooperationspartner hinzu und acht Sparkassen sind bei White-Label-Lösung VVS neu gestartet."

 

Auch unsere Performance lässt sich sehen, zumindest gemessen daran, was unsere Kunden von ihren Erfahrungen mit Wettbewerbern berichten. Es kamen sechs neue Sparkassen als Kooperationspartner hinzu und acht Sparkassen sind bei White-Label-Lösung "Vermögensverwaltung für Sparkassen" (VVS) neu gestartet.

Wo sehen Sie die Frankfurter Bankgesellschaft perspektivisch? 
Wir wollen in fünf Jahren als Privatbank unter den Top 5 in Deutschland sein, mit einem Anlagevolumen von gut 20 Milliarden Schweizer Franken. Daraus resultieren würden Provisionserträge vor Verteilung an die Sparkassen von über 200 Millionen Schweizer Franken. Damit wäre unser strategisches Ziel erreicht, rund fünf Prozent aller Wertpapiererträge der S-Finanzgruppe zu generieren.

Gemessen daran, dass wir vor gut zehn Jahren quasi als Start-up gestartet sind, hielte ich das für eine sehr ordentliche Entwicklung. Vielleicht sind es zum Schluss nur 4,5 Prozent, kann auch sein, aber ohne Weg kein Ziel.

Bettina Wieß
– 25. Juni 2021