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Kundenansprache
Gezielt Interesse wecken
Wer junge Leute für Finanzthemen gewinnen möchte, geht auf deren Lebenswirklichkeit ein. Das gilt ebenso für junge Eltern und für vermögende Senioren. Profis verdeutlichen, wie sich unterschiedliche Generationen gewinnen lassen.

Die Zahl ist beachtlich: 10.000-mal haben jungen Kunden der Sparkasse Hannover die „Jepp!"-App auf ihre Smartphones geladen. Die Anwendung bietet Rabatte beim Einkauf, Gewinnchancen und Wissenswertes zu angesagten Spots in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Für Kerstin Berghoff-Ising, Vorstandsmitglied der Sparkasse Hannover, zählt dabei vor allem, wie die Applikation genutzt wird: „Und da haben wir im vergangenen Jahr einen rasanten Anstieg der Seitenaufrufe gemessen.“ Im vierten Quartal 2020 seien es mehr als 15.000 pro Monat gewesen.

Ihr Ziel ist es, „diese Zahl in den kommenden Monaten weiter nach oben zu treiben“. Aus Sicht der Betriebswirtin ist Jepp ein Kundenbindungsinstrument für Personen bis zum Alter von 30 Jahren, die ein Girokonto bei der Sparkasse Hannover eröffnet haben. 

 

Kerstin Berghoff-Ising, Vorstandsmitglied der Sparkasse Hannover.


Spielerisches Herangehen

Menschen jeden Alters lassen sich für finanzielle Fragen gewinnen, wenn die medialen Mittel ihrer Lebenswirklichkeit entsprechen und die gebotenen Lösungen überzeugen. Das gilt für Nachwuchskunden, wenn sie etwa über interaktive Webinare humorvoll und spielerisch an ein Thema herangeführt werden (siehe unten: „Die passende Ansprache wählen“).

Das trifft auf junge Eltern zu, deren finanziellen Risiken sich mit der familiären Situation ändern. Und es berührt auch vermögende Senioren, die zusehends mehr daran denken, wie sie am besten ihren Nachlass regeln. Auf alle Situationen haben die Sparkassen mit ihren Verbundunternehmen passende Antworten. Die allerdings sind noch lange nicht allen Kundinnen und Kunden geläufig.   

Die Jepp-App ist für Vorständin Berghoff-Ising ein zeitgemäßes Instrument, jungen Kundinnen und Kunden attraktive Mehrwerte zu bieten. Die Anwendung zeigt ihr zufolge vor allem eines: „Die Sparkasse Hannover versteht Dich und Deine Lebenswelt. Bei uns geht es nicht nur um die ernsten Themen des Lebens, sondern wir ermöglichen Dir, Spaß zu haben und das Leben zu genießen.“ 

 

Die Jepp-App soll jungen Kundinnen und Kunden attraktive Mehrwerte bieten.


An Sichtbarkeit gewonnen

Bei den Inhalten von Jepp und der Internetfiliale unterscheiden die Hannoveraner dabei strikt. „Finanzthemen spielen wir allein auf unserer Website. Hier haben wir den Themenmix und die Tonalität den Zielgruppen angepasst“, sagt die Kommunikationswirtin. Dies alles sei für Suchmaschinen optimiert und mit einer entsprechenden Onlinemarketingstrategie unterlegt.

Aus Sicht von Berghoff-Ising geht das Kalkül auf: „Wir haben enorm an organischer Sichtbarkeit gewonnen, und die Klickzahlen zeigen, dass wir auch die richtigen Inhalte bieten.“ Allein im März konnte die Internetfiliale mehr als 11.000 Besuche auf den Seiten für Nachwuchskunden zählen. Am meisten geklickt werden dort Themen rund um Finanzwissen.

 

Allein im März konnte die Internetfiliale der Sparkasse Hannover mehr als 11.000 Besuche auf den Seiten für Nachwuchskunden zählen. Am meisten geklickt werden dort Themen rund um Finanzwissen.


Mit dem Versicherungsordner in die Filiale

Beachtliches Interesse spürt auch Kevin Gregori, Leiter Versicherungen der Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim. Auf den Seiten der Internetfiliale wird der S-Versicherungsmanager als digitales Fitnessprogramm für die aktuell bestehenden Policen interessierter Kunden beworben.

„Im vergangenen halben Jahr haben schon mehr als 120 Personen einen Termin vereinbart, um digital zu checken, ob ihre bestehenden Versicherungsverträge den aktuellen Bedarf decken“, erzählt der 39-Jährige. Die Kunden bringen dafür ihren Versicherungsordner in der Filiale vorbei. Die Policen werden eingescannt und mithilfe der intelligenten Technologie des Konzerns Versicherungskammer überprüft. 

Die Bedienung des S-Versicherungsmanagers ist aus Sicht Gregoris sehr einfach, damit kämen alle Kolleginnen und Kollegen gut klar. „Beim zweiten Termin vor Ort folgt dann die Beratung. Das ist schon bei der Hälfte der eingereichten Ordner passiert“, sagt der Sparkassenfachwirt – natürlich immer unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsgebote.

Im Personenkreis, der an solch einem Check interessiert ist, finden sich, Gregori zufolge, alle Altersklassen. Allerdings fällt ihm und seinem Team bei den 25- bis 40-Jährigen eines auf: „Ein Gutteil dieser Gruppe hat ihren Versicherungsschutz schon einige Jahre nicht mehr angeschaut, einen entsprechenden Bedarf zum Optimieren und ist auch bereit, das zu tun.“

 

Kevin Gregori, Leiter Versicherungen der Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim.


Zweistufiger Weg

Die dafür hilfreiche Anwendung haben Profis des Konzerns Versicherungskammer so weiterentwickelt, dass sie schon heute bei Sparkassen in Bayern, der Pfalz, im Saarland sowie in Berlin und Brandenburg eingesetzt wird.

„Der Rollout wird dort zum Ende des Jahres komplett abgeschlossen sein“, sagt Christoph Rösner, Organisationsdirektor Strategie und Steuerung Sparkassenvertrieb bei der Versicherungskammer. „Wir gehen in unserem Geschäftsgebiet den zweistufigen Weg, starten immer erst stationär das Tool, um es bei den Beraterinnen und Beratern bekannt zu machen, und bieten darauf aufbauend die Endkundenversion an, die es heute schon fertig gibt“, so der 37-Jährige.

Dann finden viele Sparkassenkunden den S-Versicherungsmanager in ihrer Internetfiliale und können die Policen auf Wunsch selbst einscannen und fehlende Policen online oder mithilfe ihres Beraters abschließen.

 

Christoph Rösner, Organisationsdirektor Strategie und Steuerung Sparkassenvertrieb bei der Versicherungskammer.


Medial, stationär und hybrid begeistern

Auch die Provinzial Holding, die Versicherungsgruppe Hannover und die Sparkassenversicherung in Stuttgart und Sachsen werden die Anwendung ausrollen, sodass Rösner in absehbarer Zeit mit einer großen Verbreitung rechnet. Aus Sicht des Betriebswirts wäre von 2022 an die Zeit, „den S-Versicherungsmanager in allen Vertriebskanälen der Sparkassen zu nutzen und unsere Kunden medial, stationär und hybrid zu begeistern.“

Dabei wollen auch die Verbände helfen. Ines Raetz, Abteilungsdirektorin Digitalisierung und Payment beim DSGV, sagt: „Der S-Versicherungsmanager ist eine richtungsweisende Anwendung, deren Rollout wir gemeinsam mit dem Verband öffentlicher Versicherer in der Kommunikation über alle Kanäle begleiten werden.“

 

Ines Raetz, Abteilungsdirektorin Digitalisierung und Payment beim DSGV.


Enorme Potenziale

Der DSGV unterstützt Sparkassen aller Größen auch im Rahmen des Projekts „Private Banking 2.0“ dabei, eine Wachstums- und Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, um wohlhabende Unternehmerfamilien, Firmen- und Immobilienkunden sowie Start-up-Gründer in Vermögensfragen noch bessere Angebote machen zu können.

Abteilungsdirektor Thomas Glutting, der das DSGV-Projekt leitet, nennt als einen Schwerpunkt den 360-Grad-Beratungsprozess: „Dabei geht es neben einem Strategiegespräch um das Optimieren des Vermögens, das Absichern finanzieller Risiken, das Management von Immobilien, die passende Altersvorsorge und Fragen rund um das Thema Generationenmanagement.“ Private Banking sei für die Sparkassen ein Wachstumsmarkt mit enormen Ertragspotenzialen, die auch mit Unterstützung der Verbundpartner realisiert werden könnten.

Glutting zufolge nutzen Beraterinnen und Berater im Private Banking vornehmlich noch das Telefon: „Das soll sich verstärkt zugunsten eines digitalen Kundenerlebnisses ändern.“ Video-Anrufe, Chats, das Teilen des Bildschirms im Verlaufe einer Beratung und das digitale Erledigen von Servicethemen hätten zwar im Zuge der Pandemie an Kontur gewonnen, sollten aus seiner Sicht aber recht bald selbstverständlich werden.

„Ganz in diesem Sinne werden jetzt auch die klassischen Themen des Private Banking wie beispielsweise die Vermögenoptimierung für die Bildschirmberatung gestaltet“, sagt der Abteilungsdirektor. Dabei bleibe Beratung im Private Banking immer ein persönliches Geschäft.

 

Thomas Glutting, Abteilungsdirektor Strategie Individualkunden, Private Banking.


Sparkasse als Privatsekretär

Matthias Leonhardt sagt als Leiter des Private Banking der Sparkasse Göttingen: „Wir sind dann gut, wenn wir für unseren Kunden wie eine Art Privatsekretär über alle miteinander verbundenen Themenfelder hinweg die für ihn persönlich passenden Lösungen bieten.“ Gemeinsam mit seinem 13-köpfigen Team betreut er ein Gesamtvermögen von annähernd einer Milliarde Euro. Die Kunden haben im Schnitt ein Alter von 60 Jahren.

 

Matthias Leonhardt, Leiter des Private Banking der Sparkasse Göttingen.


Zu den Schwerpunkten der Beratung zählt – auch angesichts der demografischen Entwicklung – das Generationenmanagement. Hier ist Leonhardts Kollege Thomas Häntzsch sehr aktiv. Der zertifizierte Financial Consultant und geprüfte Generationenberater hilft, wenn beispielsweise eine Unternehmerin oder ein Firmeninhaber detaillierte Fragen dazu hat, was zu beachten ist, falls der eigene Betrieb an ein Familienmitglied weitergegeben oder etwa extern verkauft werden soll.

 

Thomas Häntzsch, Financial Consultant und  Generationenberater der Sparkasse Göttingen.


„Wir unterstützten auch Kunden, die sich von Assets wie Immobilien trennen möchten“, sagt Häntzsch. Vermögende suchen bei ihm ebenfalls Rat, wenn es um eine mögliche Schenkung geht, oder Details mit Blick auf das Thema Stiftung zu klären sind. Der 44-Jährige kann dann auch das neue Stiftungsportal Südniedersachsen der Sparkasse Göttingen mit ins Gespräch einbringen, wo Interessierte online konkrete Hinweise bekommen, wie sie sich in der regionalen Stiftungswelt finanziell engagieren können.

 

 

In Kürze

Die richtige Ansprache wählen

Kerstin Berghoff-Ising, Vorstandsmitglied der Sparkasse Hannover, über die Herausforderung, 17- bis 30-Jährige noch besser mit interessanten Finanzthemen vertraut zu machen.

Format klären: Zunächst müssen wir uns immer fragen, welche Themen für die Zielgruppe überhaupt relevant sind. Dann geht es um das passende Format bei der Vermittlung. Junge Leute mögen beispielsweise spielerische Tools, mit denen sie erst einmal Dinge für sich ausprobieren können. Sie wollen in der digitalen wie auch in der analogen Welt etwas erleben – und zwar in einer Tonalität und einer Ästhetik, die zu ihrer Lebenswelt passt.

Gezielt ausprobieren: Es gibt nicht die spezielle Gruppe der Nachwuchskunden. Hier müssen wir vielmehr sehr genau zwischen verschiedenen Teilzielgruppen und ihren Ansprüchen unterscheiden. Wir werden deshalb in diesem Jahr als Sparkasse Hannover noch einiges ausprobieren. Dazu zählt beispielsweise ein humorvolles, interaktives Webinar zur nachhaltigen Geldanlage.

Für Aufmerksamkeit sorgen: Wichtig bei all dem ist es natürlich auch, diese Angebote an die entsprechende Zielgruppe heranzutragen. Dafür wiederum benötigt man eine sehr gute Onlinemarketingstrategie und eine Verbreitung über die eigenen Kanäle wie auch die zu bezahlenden Social-Media-Plattformen, um den nötigen Traffic zu erzeugen.

Rudolf Kahlen
– 25. Mai 2021