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Beteiligungsgeschäft / Interview
Private Equity als Alternative
In der wirtschaftlich belastenden Coronasituation könne Beteiligungskapital für viele Unternehmen die bessere Finanzierungsoption sein im Vergleich zu Kredit und staatlicher Förderung. Das sagt Ansgar Schleicher, Vorstand der Aachener S-UBG-Gruppe.

Fünf Fragen an Ansgar Schleicher (48), Vorstand der Aachener S-UBG-Gruppe und Geschäftsführer der Managementgesellschaft Seed Fonds und des Techvision Fonds.

Der promovierte Informatiker ist seit Jahresbeginn neben Bernhard Kugel Vorstand der S-UBG-Gruppe. Die Beteiligungsgesellschaft ist seit mehr als 30 Jahren als Partner verschiedener Sparkassen im westlichen Rheinland aktiv und stellt Eigenkapital bereit für etablierte mittelständische Unternehmen (S-UBG) und technologieorientierte Start-ups (Techvision Fonds I).

Zum Gesellschafterkreis der S-UBG gehören heute die Sparkassen Aachen, Düren und Krefeld, die Kreissparkassen Heinsberg und Euskirchen sowie die Stadtsparkasse Mönchengladbach.

Zuvor war Vorstand Schleicher Geschäftsführer der Firma DSA – Daten- und Systemtechnik, eines global tätigen mittelständischen Unternehmens der Automobilindustrie mit Standorten in sieben Ländern, und Geschäftsführer des VC-Tochterunternehmens DSA Invest. Die DSA ist seit 2012 im Seed Fonds II und im Techvision Fonds I investiert.

Schleicher ist außerdem an der RWTH Aachen als Dozent in den Masterstudiengängen Informatik und Elektrotechnik tätig und verfügt über  unternehmerisches Know-how, insbesondere in den Bereichen IT, Mobilität, Industrie, Software und Digitalisierung. Er vertritt die S-UBG-Gruppe in verschiedenen Aufsichts- und Beiräten ihrer Beteiligungen.

 

Herr Schleicher, Beteiligungsgesellschaften stehen in der Sparkassen-Finanzgruppe oft nicht im Fokus der Firmenkundenberater. Welche Vorteile bieten Beteiligungsinvestments und Private-Equity-Gesellschaften für mittelständische Unternehmen in der Coronakrise?

Ansgar Schleicher: Meiner Einschätzung nach sind Unternehmen mit Private-Equity im Rücken deutlich krisenfester. Grundsätzlich können wir feststellen, dass unsere Bestandsbeteiligungen bisher sehr gut durch die Krise gekommen sind. Wir haben einige Unternehmen im Portfolio, die durch die Pandemie in ihren Absatz- und Beschaffungsmärkten stark betroffen waren oder sind.

Hier zeigt sich, dass ein unternehmerischer Investor eine große Hilfe ist, und zwar aus mehreren Gründen: Wir können ein höheres Risiko bei der Finanzierung von Unternehmen eingehen, wenn die Langfristperspektive stimmt. Eine starke Eigenkapitalposition stärkt die Verhandlungsposition des Unternehmens gegenüber Fremdkapitalgebern. Und wir sitzen mit am Tisch, um unternehmerische Lösungen zu finden, denn unser Asset sind in der Regel einzig die von uns gehaltenen (Minderheits-)Anteile am Unternehmen.

Das hat sich auch in der Flutkatastrophe der vergangenen Wochen gezeigt: Wir haben ein extrem stark betroffenes Unternehmen im Portfolio. Für den geschäftsführenden Gesellschafter allein hätte es wahrscheinlich kaum noch eine Möglichkeit zur Fortführung des Unternehmens gegeben. Zusammen mit uns und anderen Private-Equity-Investoren sowie hoffentlich einigen öffentlichen Fördermitteln hat das Unternehmen eine gute Chance, nächstes Jahr wieder erfolgreich am Markt zu agieren. 

Hilfs- und Förderkredite waren in der Krise sicher hilfreich. Welche Finanzierungsformen brauchen Unternehmen jetzt am dringendsten?

Schleicher: Das ist sehr individuell für jedes Unternehmen zu beantworten und abhängig von den jeweils in Anspruch genommenen Hilfen und Krediten. Alle nicht rückzahlbaren Hilfen waren sicherlich ein sehr probates Mittel, um kurzfristige Liquiditätsengpässe von Unternehmen zu vermeiden.

Etliche der pandemiebedingt gewährten Kredite gehen allerdings mit deutlichen Restriktionen einher, beispielsweise einer Ausschüttungshemmung an den Unternehmer. So wird auch unternehmerische Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

Hier können wir als Private-Equity-Investor helfen und Hilfskredite durch eine Eigenkapitalfinanzierung ablösen und so die volle unternehmerische Handlungsfähigkeit wieder herstellen.

Wann genau kann ein Kredit für ein Unternehmen zur Belastung werden und was können Sie dann tun?

Schleicher: Je nach Höhe der Kredite im Verhältnis zur Wirtschaftskraft eines Unternehmens können die Kredite zu einer enormen Belastung werden. Hier können (Teil-)Ablösungen von Krediten durch Eigenkapitalfinanzierungen ein probates Mittel sein. Dadurch entfällt die Zins- und Tilgungsbelastung.

Und es kommt gleichzeitig ein Investor an Bord, der die unternehmerischen Ziele teilt, die Firma mit den Bestandsgesellschaftern ertragsstark entwickeln möchte und genau wie diese nur von ausgeschütteten Gewinnen profitiert. Wir geben so quasi das Unternehmen wieder in die Hände des Unternehmers.

Von der Entwicklung in der Pandemie haben viele Unternehmen auch profitiert, beispielsweise in der IT-Branche. Inwieweit kann Private Equity sinnvoll sein, wenn gesunde Unternehmen weiter expandieren wollen?

Schleicher: Wachstumsfinanzierungen sind ein klassisches Betätigungsfeld für Private-Equity-Firmen. Eine solche Finanzierungsform kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn das Wachstum mit gewissen Risiken verbunden ist, sodass die Möglichkeiten für Fremdkapitalfinanzierungen eingeschränkt sind.

Häufig ist dies aber keine Entweder-oder-, sondern eine Sowohl-als-auch-Frage. Wir arbeiten in vielen Fällen intensiv mit unseren Aktionärssparkassen zusammen und erstellen Gesamtfinanzierungskonzepte mit Eigenkapital-, Fremdkapital- und mezzaninen Bestandteilen. Auf diese Weise können wir individuelle, kosten- und risikoadäquate Modelle entwickeln, die für das Unternehmen und seine Vorhaben wie ein Maßanzug passen.

Es gibt ungefähr 70 Beteiligungsgesellschaften regionalen Zuschnitts im Verbund. Zu viel oder zu wenig? Wie stellen Sie sich in Zukunft das Beteiligungsgeschäft in der Sparkassen-Finanzgruppe vor?

Schleicher: In den meisten Fällen ist das Beteiligungsgeschäft etwas sehr Persönliches. Insbesondere ist das beim Thema Unternehmensnachfolge der Fall. Wenn Unternehmer ihr Lebenswerk in neue Hände geben, ist das meist sehr emotional. Hier sind Gespür und Vertrauensbildung entscheidend und das geht nur von Mensch zu Mensch. In abgeschwächter Form trifft das aber immer zu, wenn neue Gesellschafter an Bord kommen. Insofern ist eine regionale und persönliche Nähe zu den Unternehmerinnen und Unternehmern entscheidend für den Erfolg.

Zusätzlich braucht es auch eine gewisse Größe und ein signifikantes Geschäftsgebiet, damit erfolgreiche Nachfolge- und Wachstumsfinanzierungen auch zu Empfehlungen bei anderen Firmen einer Region führen. Wir sind sicherlich eines der größten Beteiligungshäuser im Verbund und können im westlichen Rheinland beides gut darstellen: Nähe und Weiterentwicklung durch Empfehlung.

Für die Zukunft müssen wir darauf achten, dass Private Equity eine immer größere Rolle im Finanzierungsmarkt spielt und auch der Sparkassenverbund dabei eine starke Rolle einnehmen sollte. Gerade bei Nähe und Vertrauen haben die Sparkassen ja eine starke Marke. Über gute Beteiligungsgesellschaften kann man die unternehmerische Sicht und das grundsätzlich andere Risikoprofil abbilden.

Über die passende Anzahl von Beteiligungsgesellschaften kann ich leider nur spekulieren. Die Anzahl ist meines Erachtens nicht entscheidend, sondern die Frage, welche Gesellschaft mit welchem Konzept erfolgreich ist. Das können wir dann ausbauen oder replizieren. 

 

Ansgar Schleicher (48) – der promovierte Informatiker ist seit diesem Jahr Vorstand der Aachener S-UBG-Gruppe und Geschäftsführer der Managementgesellschaft Seed Fonds und des Techvision-Fonds.
(Foto oben: S-UBG)
– 26. August 2021