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Umsetzungsbaukasten 12/20
Wertpapierregulierung und kein Ende?
Mifid II hat die Anforderungen an das Wertpapier- und Derivategeschäft erneut erhöht. Die Umsetzung der neuen Vorgaben bleibt für Sparkassen eine Mammutaufgabe. Der jetzt aktualisierte Mifid-Leitfaden hilft Instituten bei der praktischen Umsetzung vor Ort.

Der UBK-Steckbrief „Mifid-Revision“ hat im November 2020 auf Platz 1 im Ranking der Zugriffszahlen des Umsetzungsbaukasten gelegen. Dabei sind die europäischen Vorgaben für Wertpapiergeschäfte (Mifid II/Mifir) nicht neu – die Regeln sind bereits seit knapp drei Jahren in Kraft.

Wertpapiergeschäft ist wichtig wie nie

Dass die Zugriffszahlen auch bei der (nunmehr im UBK abrufbaren) sechsten Überarbeitung des Mifid-Umsetzungsleitfadens so hoch liegen, zeigt zum einen die Wichtigkeit des Wertpapiergeschäfts in der Sparkassen-Finanzgruppe. Denn eine qualifizierte Vermögensberatung unabhängig von Wohnort und Einkommen ist gerade in Zeiten niedrigster Zinsen wichtiger denn je.

Zum anderen ist dies aber auch Ausdruck einer nicht enden wollenden „Regulierungswut“ des europäischen Gesetzgebers im Wertpapierbereich. Denn die Regeln für Wertpapiergeschäfte werden fortlaufend ausgebaut und konkretisiert. Um den Instituten passgenaue Umsetzungshilfen an die Hand zu geben, wird der Mifid-Umsetzungsleitfaden regelmäßig fortgeschrieben.

Wie alles begann …

Die mit Mifid II/Mifir am 03. Januar 2018 in Kraft getretenen neuen Regeln haben eine erhebliche Verschärfung der Anforderungen an das Wertpapier- und Derivategeschäft mit sich gebracht. Hintergrund waren die Erfahrungen aus der Finanzkrise und der Wille, den daraus resultierenden Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte und den Anlegerschutz zu begegnen.

Viele der neuen Vorgaben waren gut und richtig – etwa einen stärkeren Fokus darauf zu legen, den Anlegern auf sie zugeschnittene Produkte anzubieten. Bei etlichen Vorgaben ist der Gesetzgeber jedoch über das legitime Ziel des Anlegerschutzes hinausgeschossen und hat bürokratische Vorgaben geschaffen, die sowohl Kunden als auch Instituten das Leben schwermachen.

Zusammenarbeit im Verbund als Garant für praxisgerechte Lösungen

Um den mit den neuen Vorgaben einhergehenden enormen Umsetzungsaufwand zu schultern, hat der DSGV bereits frühzeitig ein Projekt mit Experten aus der Sparkassen-Finanzgruppe initiiert. Darin waren insbesondere Praktiker aus Regionalverbänden, Sparkassen, Dekabank, Landesbanken, Finanz Informatik und Dwpbank vertreten.

In diesem Projekt sind die zentralen Fragen der neuen Vorgaben herausgearbeitet und Umsetzungshilfen entwickelt worden – stets mit dem Ziel, für die Praxis möglichst schlanke Prozesse (einschließlich IT-gestützter Lösungen) aufzusetzen und so den Instituten bei der täglichen Arbeit zu helfen.

Ein Beispiel: Allein der Anlegerschutzteil des Mifid II-Umsetzungsleitfadens (Version 1.3) umfasst heute (inklusive Anlagen) über 1.200 Seiten. Neben rechtlichen Ausführungen enthält er vor allem zahlreiche Umsetzungshinweise für die Praxis. In den Anlagen ist zudem eine Vielzahl praktischer Umsetzungshilfen enthalten (z. B. Mustertexte, Ausfüllhilfen für IT-Anwendungen der Finanz Informatik, Schaubilder etc.). Diese Detailtiefe bei der Umsetzungsunterstützung im Wertpapierbereich ist verbandsübergreifend einmalig.

Der Mifid-Leitfaden: von den Anfängen bis heute

Die Entstehungsgeschichte des Mifid-Leitfadens reicht bis weit in die Zeit vor Inkrafttreten von Mifid II zurück. Die ersten vier Auflagen des Leitfadens sind bereits vor dem 03. Januar 2018 veröffentlicht worden.

Bereits im Juni 2016 – und mithin eineinhalb Jahre vor Anwendbarkeit der neuen Vorgaben – ist die 0.5-Version erschienen. Sie hat den Instituten einen frühzeitigen Überblick über die anstehenden Umsetzungsmaßnahmen gegeben.

Ein halbes Jahr später ist die 0.8-Version des Leitfadens veröffentlicht (Anfang Dezember 2016) worden. Diese Überarbeitung hat die zwischenzeitlich erfolgten Konkretisierungen der europäischen Texte abgebildet und das damals im Entwurf vorliegende nationale Umsetzungsgesetz berücksichtigt.

Damit sollte vor allem die Grundlage für die Ressourcenplanungen der Umsetzungsprojekte in den Instituten geschaffen werden. Es folgten weitere Überarbeitungen mit Version 1.0 (Veröffentlichung: Mai 2017) und Version 1.1 (Veröffentlichung: Oktober 2017). Trotz der zu diesem Zeitpunkt teilweise noch bestehenden regulatorischen Unklarheiten konnte den Instituten damit ein Umsetzungsleitfaden an die Hand gegeben werden, um die internen Umsetzungsarbeiten vor dem 03. Januar 2018 zu finalisieren.

Das Inkrafttreten der Mifid II am 03. Januar 2018 war dann allerdings kein Grund zum Verschnaufen. Denn auch nach Inkrafttreten haben sich die Rahmenbedingungen im Bereich Finanzmarktregulierung in großem Tempo weiterentwickelt. Zu nennen sind insbesondere die Maßnahmen der Europäischen Wertpapieraufsicht (European Securities and Markets Authority, ESMA), die seit 2018 unter anderem verschiedene Leitlinien sowie Fragen und Antworten („Q&A“) veröffentlicht hat.

Maßnahmen der ESMA sind zwar nicht unmittelbar bindend für die Institute, haben aber eine faktische Bindungswirkung, weil die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) diese in der Regel 1:1 in ihre Aufsichtspraxis übernimmt.

Die Bafin hat ihre Verwaltungspraxis seit 2018 ebenfalls sukzessive aktualisiert und im Rahmen der sogenannten Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (Macomp) sowie von Fragen und Antworten (FAQs) weiter konkretisiert.

Die entsprechenden Anforderungen und die im DSGV-Projekt dazu erarbeiteten Handlungsempfehlungen haben Eingang in den im Februar 2019 (Anlegerschutz) bzw. April 2019 (Marktinfrastruktur) aktualisierten Leitfaden 1.2 gefunden.

Seit Auslaufen des Mifid-Projekts Ende 2019 werden die Arbeiten am Umsetzungsleitfaden im Rahmen von Umsetzung Regulatorik (UmRe) fortgeführt. Dadurch ist gewährleistet, dass die von Bafin und ESMA stetig modifizierten Leitlinien, Macomp, Q&A und FAQ weiterhin zentral bearbeitet werden. Sowohl die neuen Anforderungen als auch zahlreiche Hinweise aus der Praxis sind in die aktuelle Version 1.3 des Mifid-Leitfadens eingeflossen.

Greifbare Verbesserungen im Wertpapiergeschäft: Mifid Quick-fix

Die Corona-Krise hat auch im Wertpapierbereich ihre Spuren hinterlassen. Die weitreichenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Frühjahr 2020 haben Schwächen in der Wertpapierregulierung offengelegt. Den europäischen Gesetzgeber hat dies dazu bewogen, schnell zu handeln und gegenzusteuern.

Im Rahmen der (turnusmäßig alle zwei Jahre erfolgenden) Überprüfung der Mifid II ist beschlossen worden, die Überprüfung des Regelwerks der Mifid II/Mifir in zwei Phasen zu unterteilen: Kurzfristige Maßnahmen mit Corona-Bezug (sogenannte Mifid Quick-fix) und eine eher langfristig ausgelegte Überprüfung von Teilen der Mifid II (regulärer Review). Der Mifid Quick-fix – der bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll – sieht unter anderem kurzfristige Maßnahmen in folgenden Bereichen vor:

  • Umstellung von papierhafter auf elektronische Information: Damit wird eine Zeitenwende im Wertpapiergeschäft eingeläutet. (Privat-)Kunden erhalten Informationen nur noch auf Papier, sofern sie dies ausdrücklich wünschen. Darin liegt auch ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.
  • Beschränkung von Informationspflichten auf Privatkunden und Schaffung weitreichender Ausnahmen für professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien (z.B. Banken und institutionelle Kunden): Damit trägt man der Tatsache Rechnung, dass diese Kunden – anders als Privatanleger – kein Informationsdefizit haben und daher bestimmte Informationen nicht benötigen.
  • Verhinderung von Verzögerungen im Telefongeschäft durch die Möglichkeit nachträglicher Bereitstellung von Informationen: Diese Neuerung ist auch vor dem Hintergrund der Einschränkungen in der Corona-Krise zu sehen. Sie sorgt für eine schnellere und reibungslosere Abwicklung von Wertpapiergeschäften über Telefon.

Fazit und Ausblick

Die mit dem Mifid Quick-fix geplanten Erleichterungen sind ein Schritt in die richtige Richtung und werden bei Kunden und Instituten für spürbare Entlastungen sorgen. Nichtsdestotrotz wird uns die Regulierung im Wertpapierbereich noch lange beschäftigen. Denn der Teufel steckt hier – wie so oft – im Detail. Und ein Ende der Regulierungsdichte ist – ungeachtet der dargestellten punktuellen Verbesserungen durch den Mifid Quick-fix – nicht in Sicht.

Dessen ungeachtet ist die S-Finanzgruppe mit dem Mifid-Umsetzungsleitfaden gut gerüstet. Ein einheitliches Verständnis und eine einheitliche Umsetzung sind nicht nur ein Garant für den Erfolg im Wertpapiergeschäft, sondern auch Ausdruck der Stärke des Verbunds.

Zuständiger DSGV-Ansprechpartner: Arne Hertel


Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) unterstützt die Institute und Institutionen der Sparkassen-Finanzgruppe mit den im Rahmen der strategischen Planung gemeinsam erarbeiteten Projekter­gebnissen. Das zentrale Medium in der Projektlandschaft, das gezielt Informationen über geplante, laufende und abgeschlossene Projekte bereitstellt, ist der Umsetzungsbaukasten (UBK).

Unter www.umsetzungsbaukasten.dekönnen autorisierte Nutzer neben dem Projektsteckbrief des DSGV regionale Projektinformationen aufrufen. Spätestens mit Abschluss des Projekts werden dessen Ergeb­nisse (zum Beispiel Konzepte, Roll-out-Leitfäden [Rolf], Kommunika­ti­ons- und Schulungsunterlagen des DSGV) im Umsetzungsbaukasten (Rubrik: Ergebnisse/Umsetzungshilfen) eingestellt und stehen den Nutzern dort zum Download zur Verfügung.

In den Betriebswirtschaftlichen Blättern präsentieren wir Ihnen monatlich eine Liste mit Projekten, deren Nachfrage durch die Nutzer des UBK im Vergleich zum Vormonat deutlich gestiegen ist.

18. Dezember 2020