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Methode / Gastbeitrag
Wie Design Thinking den Service voranbringt
Die meisten Unternehmen nutzen Design Thinking vor allem für die Produktentwicklung. Andere Firmen haben die Methode bereits für die Verbesserung ihrer Services entdeckt. Das macht Design Thinking auch für Geldinstitute interessant.

„Fast jeder kann sich eine Idee ausdenken. Was wirklich zählt, ist die Weiterentwicklung zu einem praktischen Produkt.“ Was schon Henry Ford wusste, betrifft nun massiv die Bankenbranche: Onlinebanking reduziert den Kundenkontakt auf ein Minimum, Kontoführungsgebühren werden gerade von den jüngeren Generationen als ein nicht nachvollziehbares Konzept gesehen.

Die Angst der Banken ist genauso groß wie auch berechtigt: Wie kann eine Bank konkurrenzfähig sein, wenn sie die Serviceprodukte „Konto“ und „Kreditkarten“ austauschbar macht, der Zahlungsverkehr durch die Technologien neue Wege erfährt und Fintechs durch deren Flexibilität eine neue Konkurrenz darstellen?

Design Thinking ist eine Methode, um existierende Probleme und neue Erkenntnisse in marktfähige, neue Lösungen zu verwandeln. Dabei hilft dieser Ansatz, Trends und Ideen rechtzeitig zu erkennen und vor allem schnell umzusetzen. Im Zentrum dieser Methode steht der Endnutzer, um dessen Bedürfnisse sich alle Entwicklungen und Problemlösungen letztlich drehen. Ausgehend vom Verständnis der Kundenbedürfnisse werden Ideen in einem iterativen, also sich schrittweise annähernden Prozess generiert.

Design Thinking denkt den Endkunden immer mit

Daraus entstehen wiederum Prototypen, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt direkt mit dem Nutzer getestet und basierend auf dessen Feedback angepasst werden. So wird sichergestellt, dass die Lösung auch den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer entspricht. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Ideen entwickelt werden, die genauso logisch wie neu sind – dank dem „Out of the box“-Denken.

Während die meisten Unternehmen Design Thinking vor allem für die Produktentwicklung nutzen, haben andere Firmen die Methode bereits für die Verbesserung ihrer Services entdeckt. Das macht Design Thinking auch spannend für Geldinstitute. Etwa für jene Bank, die mittels Design Thinking herausfinden wollte, wann Kunden bereit sein könnten, weiterhin für Bankleistungen zu zahlen.

Denn einerseits gibt es bereits eine Menge an komplett kostenlosen Konten, die noch dazu einen guten Service bieten. Eines aber können diese digitalen Bankkonten laut unseren Ergebnissen den Kunden nicht bieten: Sicherheit, eine persönliche Beziehung und Vertrauen.

 

Design Thinking ist eine Methode, um existierende Probleme und neue Erkenntnisse in marktfähige, neue Lösungen zu verwandeln, sagt Innovationsexpertin Ingrid Gerstbach.


Phase 1: Einfühlen in den Kunden

Die wenigsten Kunden sind sich ihrer eigenen Bedürfnisse bewusst. Daher können sie auch nur schwer auf die Frage nach dem konkreten Produkt eine konkrete Antwort liefern. Und so sind Kundenbefragungen nicht immer der richtige Weg auf der Suche nach den gewünschten Erkenntnissen. In direkten Beobachtungen werden aber neue Informationen gefunden, die wiederum auf reale Bedürfnisse hinweisen und so auch einfacher in Gruppen zusammengefasst werden können.

So war das Bedürfnis der Kunden einer Bank, die wir im Rahmen eines Design-Thinking-Prozesses begleitet haben, folgendes: Es sollten immer genügend Mittel für die Zukunft zur Verfügung stehen, sodass sich die Kunden keine Sorgen machen mussten. Weiter haben wir die Hypothese verwerfen müssen, dass die Nutzer der Bank vertrauen würden. In Wahrheit hat keiner der von uns befragten und beobachteten Nutzern Vertrauen zu einem Bankberater. Im Gegenteil!

Phase 2: Problem definieren

Um eine gute Lösung zu finden, ist die Abgrenzung zu einer klaren Problemstellung das Nonplusultra. Dadurch wird vor allem ein gemeinsames Verständnis gefördert und die Rahmenbedingungen werden festgesteckt. Das Problem wird dazu in Form einer Frage definiert. So lautete die Problemdefinition in unserem Beispiel: Wie müssen unsere Anlageprodukte entwickelt werden, um für junge Berufseinsteiger eine sorglose Zukunftssicherung zu garantieren? 

Phase 3: Ideen generieren

Basierend auf den Bedürfnissen der Kunden und der definierten Problemstellung werden Ideen generiert. Um möglichst kreative und neue Lösungen zu entwickeln, werden die unterschiedlichsten Design-Thinking-Techniken genutzt und in einer möglichst heterogenen Gruppe diskutiert und entwickelt. Eine Idee in unserem Beispiel war ein Anlageprodukt, das sich ohne großen Aufwand und schnell in liquide Mittel umändern ließ. 

Phase 4: Experimentieren und testen

Beim Prototyping werden die Ideen visualisiert, etwa in Form eines Storyboards, damit sich die Menschen die einzelnen Schritte vorstellen können. Nach Möglichkeit werden die neuen Produkte sogar direkt anfassbar gemacht. Die umgesetzten Lösungen machen so vor allem die Stärken als auch Schwächen der Ideen sichtbar. Je einfacher ein Prototyp, desto ehrlicher und hilfreicher ist das Feedback der Tester.

Denn niemand gibt gerne schlechtes Feedback, wenn offensichtlich bereits viel Herzblut in die Umsetzung eingeflossen ist. Diese Prototypen werden mit der Zielgruppe früh getestet und das gewonnene Feedback in neue Prototypen umgesetzt. Das Testen hilft zudem, die Problemstellung noch besser zu verstehen und im Fall des Falles auch noch anzupassen.

So hat in unserem Fall das Design-Thinking-Team die Problemstellung umformuliert, da die Zielgruppe sich nicht von der Lösung angesprochen fühlte. Die Frage lautete letztlich: Wie können wir Berufseinsteigern ohne viele Vorkenntnisse oder Interesse die Wichtigkeit von Anlagen erkennbar und unser Angebot schmackhaft machen? Eine Möglichkeit könnte etwa eine individuelle Beratung sein, bei der der Kunde ein für sich passendes Portfolio angeboten bekommt (aufgrund einer vorhergehenden Analyse) und sich darüber hinaus mit anderen Kunden austauschen kann, die bereits bei dem jeweiligen Bankberater sind.

Fazit

Das Potenzial von Methoden wie Design Thinking im Bankenbereich ist enorm. Mithilfe solcher Prozesse lassen sich komplexe Fragestellungen mit geringem Aufwand entwickeln und auch gleich testen. Dies bringt nicht nur Zeit- und Effizienzvorteile, sondern erleichtert auch die Entscheidungsfindung für oder gegen mögliche Investitionen in größere Projekte. Gelebtes Design Thinking in Unternehmen geht über den eigentlichen Prozess hinaus und manifestiert sich in einer gelebten Unternehmenskultur, in der die Mitarbeiter automatisch den Endkunden mitdenken. 
 

 Die Autorin

Ingrid Gerstbach ist Innovationsexpertin und gilt als die deutschsprachige Koryphäe der aus den USA stammenden Innovationsmethode Design Thinking. Die studierte Betriebswirtin, Wirtschaftspsychologin und Erwachsenenbildnerin berät internationale Unternehmen und Universitäten und schreibt Kolumnen und Bücher. Ihr Buch „77 Tools für Design Thinker“ ist gerade in komplett überarbeiteter Ausgabe im Verlag Gabal erschienen. Ingrid Gerstbach lebt und arbeitet mit ihrem Mann Peter in Klosterneuburg bei Wien.

 

Ingrid Gerstbach (Bild oben: Peter Gerstbach)
– 17. September 2021