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Agiles Arbeiten
Kleine Schritte statt großer Plan
„Die Route wird neu berechnet.“ Warum das Navi-Prinzip Führung verbessern kann und weshalb agiles Management auf kurze Planungs- und Umsetzungszyklen setzt, statt auf in Stein gemeißelte Langfristpläne.

Ein Navigationsgerät versucht stets, Autofahrer auf dem besten Weg zum Ziel zu führen. Dazu gleicht das Programm permanent Ist und Soll ab, also Standort, Ziel und Rahmenbedingungen wie Staus oder dergleichen.

Ändern sich die Rahmenbedingungen, aktualisiert das Navi die ursprüngliche Planung und empfiehlt eine alternative Fahrstrecke: „Die Route wird neu berechnet.“

Dieses Navi-Prinzip ist nichts anderes als agiles Handeln. Agilität steht für die Fähigkeit eines Menschen, eines Systems oder einer Organisation, flexibel und dynamisch auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können.

Agiles Handeln: Management nach dem Navi-Prinzip

Das Navi tut also, was Managementexperten heute als hilfreich empfehlen: Ziele in kurzen, überschaubaren Zyklen aus Planung und Umsetzung ansteuern. Demnach ist es besser, einen iterativen Prozess zu wählen, anstatt einen einmal erstellten, langfristigen Plan zu verfolgen.

Dieses agile Vorgehen gilt heute als unabdingbar, um in einer zunehmend unübersichtlicheren Vuca-Welt (siehe Stichworte unten) erfolgreich zu agieren. 

Früher: Planen bis in jedes Detail

Die Planungstheorien des 20. Jahrhunderts orientierten sich größtenteils an einem weiter gesteckten Zeithorizont und einer größeren Planungstiefe. Ein detaillierter Plan, so der Kerngedanke, sei die stabile Basis für erfolgreiches Handeln.

Je wichtiger die Sache, desto gründlicher war die Vorbereitung. Ein guter Plan müsse umfassend und vollständig sein, solle also möglichst alle notwendigen Mittel, Maßnahmen und Einzelschritte enthalten, um eine Aufgabe zu erledigen oder ein Ziel zu erreichen, so das Credo.

Heute: Planen in iterativen Zyklen

Schwäche dieses Systems: Der zweistufige Prozess – erst komplett planen, dann konsequent umsetzen – ist für viele Aufgaben zu statisch. Gerade für komplexere Vorhaben und länger laufende Projekte kann die anfängliche Planung einfach noch nicht so umfänglich ins Detail gehen wie bei kurzfristigen Aktivitäten. Es braucht in der Umsetzungsphase immer wieder Anpassungen, Änderungen, Aktualisierungen.

Diese Erkenntnis führte schon frühere Planungsexperten dazu, ihr System als kybernetisches Modell darzustellen, etwa Manfred Helfrecht mit seinem HelfRecht-Regelkreis. Darin folgt jedem Zyklus aus Situationsanalyse, Zielplanung, Maßnahmenplanung und Umsetzen des Geplanten der Blick auf die Ergebnisse und Erfolge und den derzeitigen Stand. Und schon beginnen die Analyse und der Start eines neuen Zyklus.

Das iterative Aneinanderreihen von Planungszyklen ist in kybernetischen Planungsmodellen damit bereits angelegt, wenngleich das klassische Planungs- oder Projektmanagement der 70er- oder 80er-Jahre noch in längeren Zeitabschnitten dachte, also eher in Marathon als in Sprint.

Prozessaufteilung in kurze Sprints

Agiles Management setzt auf einen kurz getakteten iterativen Prozess. Mutig machen statt detailliert vorbereiten, einfach loslegen und sich von den ersten Ergebnissen weiterleiten lassen zum nächsten Step.

Nach diesem Vorgehen funktionieren ebenfalls Methoden wie Design Thinking, Scrum oder Prototyping (siehe unten). Das Grundprinzip besteht darin, Problemlösungen, innovative Ideen oder neue Produkte nicht, wie bei den klassischen Ansätzen, in einem Zug bis zur Marktreife zu entwickeln, sondern in mehreren kleinschrittigen und aufeinander aufbauenden Durchläufen, den Sprints, die dann zu Teilergebnissen führen.

Beispiel Produktentwicklung: Am Anfang steht ein Prototyp. Kunden testen ihn in realen Anwendungssituationen. Das Kunden-Feedback wird analysiert, der Prototyp entsprechend angepasst, nachgebessert und feinjustiert.

Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis das fertige Produkt alle Anforderungen und Wünsche der Anwender erfüllt, bis ein Problem dauerhaft gelöst oder ein Konzept überzeugend implementiert ist. Der Planungsprozess entwickelt sich also nach und nach, jeder Schritt baut auf den Ergebnissen des vorherigen auf.

Ohne klares Fernziel geht es nicht

Agilität bedeutet aber nicht, die Dinge unvorbereitet anzugehen in der Hoffnung, unterwegs spontan die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ohne Zielangabe kann auch das teuerste Gerät keine Fahrtroute berechnen.

Genauso ist es bei agilem Handeln: Allen Beteiligten muss klar sein, was am Ende des Gesamtprozesses herauskommen sollte. Nur so lässt sich effizient experimentieren oder sprinten.

Auch agiles Handeln braucht also ein klar definiertes Fernziel, an dem sich alle Beteiligten im gesamten Planungs- und Umsetzungsprozess orientieren können wie an einem Leuchtturm.

Um ein Projekt zum Erfolg zu führen, sind unzählige kleine Schritte notwendig. Unterwegs kann vieles passieren, was einen Umweg erforderlich macht. Eine Planänderung ist kein Problem, wenn das Ziel vorab klar definiert, zumindest aber grob festgelegt wurde.

 

Stichworte und Erläuterungen

In der Managementliteratur sind die Bedeutungen zentraler Ausdrücke oft nicht einheitlich. Vieles hängt zusammen, manches wird synonym verwendet. Hier einige Erläuterungen.

  • Agilität Fähigkeit eines Menschen, eines Systems oder einer Organisation, flexibel und dynamisch auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können.
     
  • Design Thinking Ansatz zur Problemlösung und Ideenfindung, der sich an der Vorgehensweise von Designern orientiert. Ein interdisziplinär zusammengesetztes Team arbeitet über mehrere Etappen an der Lösung, die Nutzerwünsche und -bedürfnisse am besten erfüllt.
     
  • Iterativer Prozess Projekte werden nicht vorab bis zum Ende durchgeplant, sondern schrittweise in mehreren Zyklen angegangen, die jeweils auf den Ergebnissen und Erkenntnissen des vorherigen Zyklus aufbauen.
     
  • Prototyping Ein Produkt oder eine Dienstleistung kommt zunächst als Prototyp oder Teilkomponente auf den Markt. Auf Basis des frühzeitigen Kunden-Feedbacks wird es verändert oder überarbeitet und (meist in mehreren Durchgängen) bis zur tatsächlichen Marktreife weiterentwickelt.
     
  • Scrum Ursprünglich Begriff aus dem American Football: Nach jedem Spielzug steckt das Team kurz die Köpfe zusammen und stimmt den nächsten Schritt ab. Heute Bezeichnung für regelmäßige Abstimmung im agilen Prozess, etwa bei Software-Entwicklung und Projektmanagement.
     
  • Sprint Kurzer Zyklus von ein bis zwei Wochen im iterativen Prozess:
  1. Planung von Ziel und Arbeitsschwerpunkten der Etappe;
     
  2. tägliche Abstimmung (Daily Scrum, wenige Minuten);
     
  3. Analyse des Sprints (Ergebnisse, Erkenntnisse) als Vorbereitung des Folgesprints. Die einzelnen „Sprints“ sollen jeweils zu konkreten Teil-/Zwischenergebnissen führen.
Christoph Beck
– 14. April 2021