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Finanzielle Bildung
Reich werden im „Klub zur hohen Kante“
ETF? Rendite? Mit solchen Fachbegriffen können viele Deutsche rein gar nichts anfangen. Doch in Zeiten von Niedrigzinsen und größer werdender Rentenlücke wird finanzielle Fitness immer wichtiger. Welche neuen Angebote haben die Sparkassen?

Edgar hat gerade seine erste Wohnung in Berlin gemietet. Miete und Studium finanziert der 22-Jährige mit einem gut dotierten Nebenjob. Der bringt ihm monatlich 1000 Euro ein, genug, um noch etwas für das Alter zurücklegen. „Mir ist es aber wichtig, notfalls schnell an meine Rücklagen heranzukommen“, sagt der angehende Ingenieur.

Im „Klub zur hohen Kante“ erhofft sich der Student gute Tipps für die erste Geldanlage. Jungen Kunden wie Edgar will die Berliner Sparkasse auf Augenhöhe begegnen und hat deshalb im August 2020 im Berliner Szenekiez Friedrichshain eine ganz besondere Filiale eröffnet. 

Ein großes Graffiti in grellen Farben ziert die Wand, aufeinandergestapelte Paletten ersetzen förmliche Möbel, ein Raum mit Sitzkissen und Kaffeeautomat lädt zum Verweilen ein. Und die zehn Berater sind maximal Mitte 20, passend zur Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen. Etliche Häuser haben bereits solche Geschäftsstellen, die sich an ein junges Zielpublikum richten.

 

Mit dem „Klub zur hohen Kante“ will die Berliner Sparkasse jungen Kunden auf Augenhöhe begegnen und hat deshalb im August 2020 im Berliner Szenekiez Friedrichshain eine ganz besondere Filiale eröffnet. 


„Wir sind für den Kunden da, wo und wann er uns braucht. Wir kommen auch in sein Lieblingscafé, die Firma, an die Uni oder nach Hause. Per Whatsapp können wir natürlich auch angefunkt werden“, sagt Lisa Enderlein, Beraterin bei der Berliner Sparkasse. Schon bald sollen Workshops etwa zum Thema Finanzierung eines Auslandssemesters oder Gründung eines Start-ups das Angebot ergänzen.

Wenn die Deutschen sparen, dann vor allem wie Edgar für den Notfall. Erst mit deutlichem Abstand folgen als Motive „größere Anschaffungen“ und die „Altersvorsorge“. Doch das Sparen wird immer schwieriger, seitdem die Lieblingsanlage der Deutschen – das Sparbuch – kaum noch Erträge abwirft.

Wie man sein Geld trotzdem clever vermehrt, das wollen die jungen Sparkässler ihren Altersgenossen nahebringen. Denn auch sie wissen: Vor allem Jüngere lassen Finanzthemen in der Regel ziemlich kalt. ETF? Fonds? Rendite? Was ist das denn? Die SparkassenZeitung hat sich in Berlin, München, Stuttgart und Frankfurt umgehört, was die Institute der Finanzgruppe für die finanzielle Fitness ihrer Kunden unternehmen.

Private Vorsorge wird wichtiger

Für Olaf Schulz, Generalbevollmächtigter bei der Berliner Sparkasse, steht fest: „Wer jung an Themen wie Sparen, Kredite, Wertpapiere oder Altersvorsorge herangeführt wird, geht damit später umso selbstverständlicher und sicherer um.“ Das Niedrigzinsumfeld erfordere beim Sparen ein Umdenken und die Offenheit für neue Anlageformen, zumal die private Vorsorge immer wichtiger werde.

„In dem Zuge gewinnt auch Finanzkompetenz an Bedeutung. Zugleich steigt die Zahl von Anbietern und Produkten am Finanzmarkt, von reiner App-Bank bis Robo-Advisor“, so Schulz. Neben klassischen und lang etablierten Tools wie der Zeitung Knax, dem gerade laufenden Planspiel Börse, Referaten in Schulen, Einschulungsmappen oder etwa Lehrerkalendern spielt die Digitalisierung eine zunehmende Rolle. 

So hat die Berliner Sparkasse ein neues interaktives Seminar „Giro Hero“ mit einer Medienakademie entwickelt. Via Tablet lernen die Schüler Wissenswertes rund um Taschengeld, Nebenjobs bis hin zu Versicherungen und der ersten Wohnung. Im Spielverlauf treffen die Teams Entscheidungen und sammeln dabei Punkte, ein Experte aus der Berliner Sparkasse begleitet den Wettbewerb mit Hintergrundwissen.

„Der Erfolg ist so groß, dass wir das Seminar für weitere Altersstufen und Themen ausbauen wollen – Wertpapiere zum Beispiel“, so Schulz. Junge Erwachsene wollen die Berliner mit ihrem neuen Podcast „Kopfgeld“ ansprechen, in dem junge Berliner, Mitarbeiter und unabhängige Experten über Bafög, Wohngeld oder das erste Einkommen informieren. 

 

„Wer jung an Themen wie Sparen, Kredite, Wertpapiere oder Altersvorsorge herangeführt wird, geht damit später umso selbstverständlicher und sicherer um.“

Olaf Schulz, Generalbevollmächtigter bei der Berliner Sparkasse.


 
Auch aus Sicht von Julia Droege-Knaup wird das Thema immer wichtiger. „Die Coronakrise ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell die vermeintliche Sicherheit ins Wanken geraten kann. Das hat unsere Wirtschaft, aber auch den Alltag und die finanzielle Situation vieler Menschen auf den Kopf gestellt“, beobachtet die Sprecherin der Frankfurter Sparkasse. Wenn man in der Lage sei, die Zusammenhänge zu erkennen, könne man viel flexibler darauf reagieren.

Planspiel Börse, temporäre Azubi-Filialen zur gezielten Ansprache junger Kunden, Stadtrallyes für Schüler am Weltspartag, Projekte für Jugendliche bei Lokalzeitungen ebenso wie Kundenveranstaltungen zur Vermittlung von Finanzwissen an Erwachsene sind einige Beispiele, wie die Frankfurter Sparkasse die finanzielle Fitness stärken will. Intensiver wollen sich die Frankfurter künftig mit digitalen Tools beschäftigen, die aktuell nur beim Planspiel Börse zum Einsatz kommen. 

Die Angebote der Sparkassen-Finanzgruppe treffen einen Nerv. Andrea Friemel vom Schulservice der Stadtsparkasse München beobachtet, dass das Interesse durch die Schulen weiter zunimmt. An rund 20 Realschulen und 40 Gymnasien bietet das Institut für die Jahrgangsklassen sieben bis zwölf Fachreferate zu bankspezifischen Themen an der Schule und Betriebserkundungen in der Sparkasse an.

„Die Lehrkräfte schätzen die Unterstützung, da ihnen selbst oft die praktische Erfahrung fehlt. Auch vonseiten der Schüler erlebe ich sehr positives Feedback.“ Mit 1830 Schülern habe zum Beispiel die Teilnahme am Planspiel Börse in diesem Jahr einen Spitzenwert erreicht. 

Azubis unterstützen im Schulservice

Seit Januar 2019 ist der Schulservice bei der Stadtsparkasse München in der Direktion Personal Bereich Ausbildung angesiedelt, um vergleichbare Aufgaben und die Ausrichtung auf die ähnliche Zielgruppe zu bündeln. Den besten der rund 240 Auszubildenden bietet das Institut an, den Schulservice zu unterstützen. Friemel ist überzeugt: „Es ergibt sich eine Win-win-Situation: Die Schüler können sich auf Augenhöhe mit fast Gleichaltrigen austauschen und unsere Auszubildenden erleben die für sie noch ungewohnte Situation als Referent.“ 

Ausgezahlt hat sich in der Coronakrise der frühzeitige Einsatz digitaler Tools. Bereits im September 2017 führten die Münchner ein Online-Buchungs-Tool für die Lehrkräfte ein. „Während der Schuleinschränkungen von März bis Juli 2020 konnten wir die Lehrkräfte durch selbst erstellte PDF-Dokumente mit Hyperlinks und die digitalen Medien des Deutschen Sparkassenverlags, etwa Quizpakete und Erklärfilme, unterstützen“, sagt Friemel.

Aktuell plane man für alle Themen eine Umstellung auf die Kombination von digitalen Inputs mit Online-Workshops und Präsenzveranstaltungen. Erstmals umgesetzt wurde das Konzept für das Planspiel Börse. 

Wegbegleiterin für Frauen

Spielt die Zielgruppe Frauen bei vielen Sparkassen keine gesonderte Rolle, will die LBBW als „Wegbegleiterin für Frauen zu finanzieller Sicherheit, Freiheit und Teilhabe an finanziellen Chancen“ agieren. Im Sommer vergangenen Jahres startete sie deshalb das Projekt „BeWoman“, das aktuell 66 Mitarbeiterinnen bei LBBW und BW-Bank voranbringen.

 

„Der Trend geht zum umfassend informierten und mündigen Kunden, der auf Augenhöhe in der Beratung agiert und auch komplett digitale Produktabschlüsse tätigt.“

Annett-Katrin Wohlgemuth, Projektleiterin „BeWoman“ bei der LBBW.


„Wir wollen kompetente Beratung von Frauen für Frauen in allen Lebensphasen und Lebensperspektiven anbieten, eine Plattform für Services und Dienstleitungen bereitstellen, einen Mehrwert schaffen durch ein außergewöhnliches Netzwerk und die Außenwahrnehmung der Bank als attraktive Bank für Kundinnen steigern“, fasst Projektleiterin Annett-Katrin Wohlgemuth die Ziele zusammen.

Theaterstück und Mentoring-Programm

An Aktivitäten hat es seit der Gründung nicht gemangelt. Ein Theaterstück wurde inszeniert, mit dem Frauen auf unterhaltsame Weise für das Thema sensibilisiert werden sollen. Die Bank lädt Frauen zu Veranstaltungen ein, vernetzt sich mit anderen Frauen-Netzwerken und bietet zusammen mit einem Mint-Mentoringprogramm für Mentees ab 2021 Online-Kurse zur Finanzbildung an. In Kürze soll die Landingpage des Be-Woman-Projekts in der Internet-Filiale der BW-Bank an den Start gehen. Via Podcasts, Intranet und Newslettern wird das Thema bankintern gepuscht. 

Potenzial sieht Wohlgemuth generell auch bei Finanzthemen, die nicht direkt im Fokus der Bank sind, etwa Informationen zu Steuerthemen, Handyverträgen, Vergleichsportalen oder Unterstützungsanträgen bei Behörden. Fest steht für sie: „Der Trend geht zum umfassend informierten und mündigen Kunden, der auf Augenhöhe in der Beratung agiert und auch komplett digitale Produktabschlüsse tätigt.“
 

Eli Hamacher
– 14. Dezember 2020