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Konjunktur
Umsatzrekord im Einzelhandel
Viele Geschäfte mussten schließen, doch der Umsatz im Handel wuchs 2020 im Vergleich zum Vorjahr so stark wie seit zehn Jahren nicht. Wie passt das zusammen?

Monatelang klagten Vertreter und Berater des Einzelhandels, wie schlecht es der Branche gehe. Und nun errechnet das Statistische Bundesamt für 2020 das höchste Umsatzwachstum des vergangenen Jahrzehnts. Demnach wuchs der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um nominal gut fünf Prozent und preisbereinigt um knapp vier Prozent.

Sparneigung und Lockdown-Folgen haben sich zwar negativ auf die Konsumbereitschaft ausgewirkt. Aber der Einzelhandel konnte offenbar von den staatlichen Gegenmaßnahmen profitieren – Konjunkturpaket der Bundesregierung mit Kinderbonus und befristete Mehrwertsteuersenkung – sowie davon, dass Verbrauchern mehr Geld zur Verfügung stand, weil sie beispielsweise in der Gastronomie weniger ausgegeben konnten.

Der Umsatz im Einzelhandel wuchs 2020 um nominal gut fünf Prozent, preisbereinigt um knapp vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr

Eindeutiger Umsatzgewinner ist der E-Commerce, der vom Lockdown besonders profitieren konnte und die höchsten Zuwächse erzielte. Die vermehrten Käufe der Verbraucher bescherten dem Internet- und Versandhandel ein Plus von fast 25 Prozent, mehr als doppelt so viel wie in den Vorjahren.

Umsatzwachstum auch in manchen Verkaufsräumen

Aber auch im stationären Einzelhandel war nicht alles schlecht. Der Einzelhandelsumsatz in Verkaufsräumen wuchs um 2,4 Prozent, preisbereinigt war das immerhin ein Plus von 0,8 Prozent.

Gleichzeitig zeigt sich eine sehr unterschiedliche Entwicklung in den Einzelsegmenten. Auf der Gewinnerseite stehen Supermärkte und Lebensmitteleinzelhändler, die ein Umsatzwachstum von jeweils mehr als acht Prozent verzeichneten. Auch der Handel in Baumärkten profitierte.

In manchen Branchensegmenten verstärkten sich seit Jahren beobachtete Negativtrends. Die Verbraucher kauften deutlich weniger Bekleidung und Textilien, was zu einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent führte.

Doch in manchen Branchensegmenten wurden die Probleme im Jahr 2020 noch offensichtlicher. Die Verbraucher kauften deutlich weniger Bekleidung und Textilien, was zu einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent führte, der Höhepunkt einer mehrjährigen Phase von Umsatzrückgängen. Besonders problematisch  – Stichwort Verödung  – wirkt sich das in den Innenstädten aus, in denen es noch viele Bekleidungsgeschäfte gibt.

Auch das Kaufhaussterben macht sich bemerkbar

Beim Einzelhandel mit Waren verschiedener Art – etwa in Kaufhäusern – betrug das Minus mehr als zehn Prozent. Auch hier hat sich die langjährige Talfahrt bei den Umsätzen fortgesetzt. Das Minus fällt aber auch deshalb besonders stark aus, weil bundesweit etliche Filialen geschlossen wurden.

Mit Blick auf das Umsatzwachstum stellt sich also die Lage des Einzelhandels insgesamt weitaus weniger dramatisch dar als bisweilen befürchtet. Aber bei den negativ betroffenen Segmenten hat die Pandemie die bereits seit mehreren Jahren bestehenden Probleme noch weiter verschärft.

Der Autor ist Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum.

Günter Vornholz
– 17. Februar 2021