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LBBW-Studie
Innenstadthandel vor dem Kollaps
Zu einer umfassenden Unterstützung des notleidenden Einzelhandels rät das LBBW Research.

Anderenfalls drohten den deutschen Kommunen tote Innenstädte, urteilen die Analysten der Stuttgarter Landesbank in einer am Dienstag veröffentlichten Studie „Innenstadthandel am Limit – Ohne Hilfe droht der Kollaps“. Notwendig seien dazu nicht nur finanzielle Hilfen.

„Die Bundesregierung muss mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel dem stationären Einzelhandel jetzt unter die Arme greifen und dabei Fehlentscheidungen der vergangenen Monate korrigieren“, warnt LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. „Ansonsten droht der Handel wie die Landwirtschaft zum dauersubventionierten Wirtschaftszweig mit verödeten Landschaften zu werden. Dieses Mal nicht vor unseren Städten, sondern mittendrin.“

Eine Viertelmillion Jobs in Gefahr

200.000 Handelsunternehmen seien aktuell in Deutschland von einer Fortsetzung des Lockdowns und in der Folge insolvenzbedingten Geschäftsschließungen bedroht, heißt es seitens der LBBW. 600.000 Beschäftigte sind im innerstädtischen Einzelhandel tätig. Bis zu 250.000 davon könnten bei einer Fortsetzung des Lockdowns ihren Job verlieren, schätzt LBBW-Einzelhandelsanalyst Gerold Deppisch.

Obwohl viele Menschen im Einzelhandel auf 450-Euro-Basis – und damit ohne Sozialversicherung – tätig sind, könnte sich der volkswirtschaftliche Schaden durch die Kosten der Arbeitslosigkeit und entgangenen Unternehmenssteuern auf bis zu 5,4 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, befürchtet der Analyst. Hinzu kämen hohe Wertverluste der Immobilien und eine Verödung der Innenstädte.

LBBW rät zu Vorteilen für Geimpfte

Als schnelle Gegenmaßnahme empfiehlt Deppisch, klamme Unternehmen mit einer staatlichen Liquiditätsspritze zu stützen. Die sogenannte Überbrückungshilfe III sollte beispielsweise deutlich schneller nach Antragstellung ausgezahlt werden. Die möglichen Beträge dabei auch über die bisherige Höchstgrenze von 1,5 Millionen Euro steigen dürfen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Zugleich sollten die oftmals inhabergeführten Geschäfte Planungssicherheit durch einen präzisen Öffnungsplan erhalten. Der Analyst schlägt außerdem Vorteile für Geimpfte vor, sobald ein flächendeckendes Impfangebot aufgebaut ist. Weitere Möglichkeiten, den Handel ohne hohe Summen stützen zu können, sieht er in einer Flexibilisierung der Öffnungszeiten. Dies gleiche Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Internethandel aus, der 24 Stunden am Tag erreichbar sei.

Stärkere Belastung des Online-Handels möglich

Um den stationären Handel vergleichsweise attraktiver zu machen, setzt das LBBW Research zugleich auf einen gesplitteten Mehrwertsteuersatz mit einer höheren Besteuerung des Online-Handels. „Die gebetsmühlenhaft vorgetragene Behauptung, es sei technisch unmöglich, online und stationär erzielte Umsätze zu unterscheiden, wird auch durch die ständige Wiederholung nicht richtiger. Sie bleibt eine Schutzbehauptung“, erklärt Burkert. Deppisch fügt hinzu: „Genauso ist es machbar, auf Online-Verpackungen eine höhere Umweltabgabe zu erheben.“

Erstmals hat das LBBW Research auch die konjunkturellen Auswirkungen der Lockdown-Verlängerung bis Mitte Februar untersucht. In jedem Fall werde das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr die Drei-Prozent-Marke nicht mehr überschreiten, so die düstere Prognose. Bislang hatten die Volkswirte mit einem Plus von 3,5 Prozent (nach minus 5,3 Prozent 2020) gerechnet.

Dies gelte auch noch für den Fall einer weiteren Verlängerung bis Ende Februar. Hebe die Bundesregierung den Lockdown aber erst Ende März oder zu Ostern auf, werde das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2021 um sieben Prozent einbrechen und das BIP damit auf Jahressicht bestenfalls stabil (null Prozent) bleiben. Auf Basis harmonisierter Verbraucherpreise erwarten die Volkswirte zugleich einen deutlichen Anstieg der Inflation. Sie soll 2021 bis auf 1,9 Prozent und damit den höchsten Stand seit 2012 klettern.

10. Februar 2021