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Börsenausblick / Interview
Dax wird die 16.000er-Marke knacken
Die Börse wird seitwärts tendieren, sagt Börsenexperte Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG in München. Erst nach dem Frühjahr sieht er Potenzial für eine Aufwärtsbewegung und eine neue Rekordmarke beim Dax.

Herr Ehrhardt, an der Wallstreet tobt ein heftiger Kampf: Kleinanleger vernetzen sich und durchkreuzen die Pläne von Hedgefonds, die versuchen, Kurse einzelner Aktien in den Keller zu treiben. Wie beurteilen Sie diese Aktionen?
Jens Ehrhardt: Die Kleinanleger wollen Geld verdienen. Die oft gehörte Story, dass dies die Rache der Kleinanleger sei, die in der Finanzkrise 2008/09 viel Geld verloren hätten, während den institutionellen Anlegern staatlicherseits geholfen worden sei, stimmt nicht und ist auch nicht der Grund des Treibens. Es ist einfach schlau, Aktien zu kaufen, deren Kurs durch Shortseller, die sich bis zu einem bestimmten Termin möglichst billig wieder eindecken müssen, in den Keller getrieben wurden. Wenn dann die Kleinanleger en masse einsteigen, wird der Kurs getrieben und bei rechtzeitigem Ausstieg springt ein guter Gewinn heraus.

Gibt es an der deutschen Börse bereits ähnliche Vorgänge?
Auffällig ist: Bei Banken werden derzeit viele neue Depots von Kleinanlegern eröffnet. Also könnte sich auch hierzulande einiges tun. Für die Behörden dürfte es schwierig werden, gegen die riesige Herde von Akteuren effektiv vorzugehen. Allenfalls könnte man die „Rädelsführer“ zur Verantwortung ziehen.

Nachdem der Dax die 14.000er-Marke kurzzeitig übersprungen hatte, dümpeln die Kurse seit einiger Zeit um diese Marke dahin?
Seit dem Jahreshoch haben einige Börsen zirka fünf Prozent eingebüßt. Die Stimmung ist etwas zurückhaltender. Das dürfte mit den Irritationen um das Impfen gegen das Virus zusammenhängen. Gerade die institutionellen Investoren an der Börse schauen aber auch auf den US-Dollar, und der hat  in den letzten Wochen wieder deutlich zugelegt.

 


„Bei Banken werden derzeit viele neue Depots von Kleinanlegern eröffnet. Also könnte sich auch hierzulande einiges tun.“

Jens Ehrhardt, Börsenexperte und Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG in München.


Große Investoren sollen bereits kräftig an der Börse engagiert sein, die Liquidität daher eher gering?
Ja, das spricht für eine zunächst noch holprige Börse, die zu einer Kursbereinigung führt, was den Investoren wieder Geld in die Kassen spült, das dann an der Börse wieder in Aktien eingesetzt werden wird. Anleihen sind zinsbedingt weiterhin keine Alternative. 

 

„Anleihen sind zinsbedingt weiterhin keine Alternative.“

 

Wann rechnen Sie mit einer Trendumkehr an der Börse?
Es ist möglich, dass wir im Februar noch eine weitere Korrektur – keine deutliche Abwärts-, sondern eher eine Seitwärtsbewegung – erleben. Aber ich denke, dass die Tendenz im März/April wieder aufwärts weist. Das Impfgeschehen scheint verlässlicher zu werden. Vor allem aber bleibt die zur Verfügung stehende Liquidität sehr hoch, was auch die Zinsen anhaltend niedrig hält, sodass es zu Aktien kaum Alternativen gibt. Auch die staatlichen Hilfen werden ihre Wirkung auf die Konjunktur nicht verfehlen. Wenn zudem der Lockdown zum Sommer hin gelockert wird, wird dies die Aktienkurse mit dem üblichen saisonalen Vorlauf antreiben.

Ein deutlicher Wirtschaftsaufschwung könnte aber auch die Inflation beflügeln?  
Ja, auch die EZB hat bereits verkündet, dass sie vorübergehend mit anziehender Inflation rechnet, aber davon ausgeht, dass sie ihre Geldpolitik nicht ändern wird. Das wird die EZB schon deshalb nicht so rasch tun, weil sie damit die hoch verschuldeten südlichen Euroländer Frankreich, Spanien, Italien belasten würde.

 

„Ich gehe davon aus, dass wir im Verlauf der ersten Jahreshälfte steigende Aktienkurse sehen werden.“

 

Sollte die Inflation aber stärker steigen, könnte die EZB unter Zinserhöhungszwang geraten, weil die Investoren höhere Renditen verlangen und der langfristige Zins steigt?
Es wird einige Zeit dauern, bis die Inflation nachhaltig kräftiger (also über zwei Prozent) anziehen und zu einer Gefahr für die Börse wird. Ich gehe davon aus, dass wir im Verlauf der ersten Jahreshälfte steigende Aktienkurse sehen werden. Im zweiten Halbjahr, wenn die Konjunktur läuft, wird man abwarten müssen, ob die Liquidität weiterhin reichlich an die Börse oder nicht in stärkerem Maße in die dann florierende Wirtschaft fließt.

Wann könnte die von Ihnen erwartet 16.000er-Marke im Dax übersprungen werden?
Ich gehe davon aus, dass das noch bis zur Jahresmitte geschieht.

In welche Bereiche lohnt es sich für den privaten Anleger, jetzt an der  Börse zu investieren?
Die Technologiewerte weisen ein gutes Wachstum auf. Sie sind zum Teil nicht mehr überbewertet und sollten sich erholen. Chemieaktien halte ich ebenfalls für preiswert und teilweise auch kaufenswert. Auch gute Dividendentitel wie zum Beispiel die Versorger und Telekom-Werte sind ein guter Rentenersatz.

 

Es kann auch wieder bergab gehen, warnt Börsenexperte Jens Ehrhardt. Speziell bei Ölaktien warnt er vor Kursrückgängen.


Und  die Werte des Bankensektors, die lange Zeit gelitten haben?
Banken, die sehr aktiv das Aktiengeschäft betreiben, verdienen derzeit gut, weil in diesem Bereich kräftig Umsatz gemacht wird. Gleiches gilt für Börsendienstleister – auch international gesehen. Vorsicht bei Banken, die vorwiegend im Kreditgeschäft, tätig sind (zum Beispiel in Südeuropa) und unter anderem als Folge der Coronakrise etliche Pleiten verkraften müssen. Eine bessere Alternative sind Versicherungsaktien – vor allem Rückversicherer.

Welche Bereiche sollte man meiden?
Vorsichtig bin ich bei Ölaktien. Aufgrund der Nachhaltigkeitsdiskussionen dürfte die Nachfrage nach Öl kontinuierlich zurückgehen. Der Ölpreis steigt nach tiefem Fall zwar zurzeit wieder. Da wirkt besonders Saudi-Arabien, das bemüht ist, das Angebot zu verknappen.  

 

„Interessant sind die asiatischen Börsen. Sie profitieren vom stärkeren Wirtschaftswachstum der Länder in Fernost.“

 

An welchen ausländischen Börsen sehen Sie noch Chancen?
Interessant sind die asiatischen Börsen. Sie profitieren vom stärkeren Wirtschaftswachstum der Länder in Fernost. Zudem sind die Aktienkurse in den Schwellenländern – in Hartwährung gerechnet – seit der Finanzkrise kaum gestiegen und daher wesentlich günstiger als zum Beispiel in den USA.

Auf hohem Niveau notiert auch das Gold. Sehen Sie weitere Chancen für das gelbe Metall?
Mittelfristig bleibt Gold interessant. Mit einem Kauf würde ich aber derzeit warten und den Fokus auf Aktien richten. Wenn Edelmetalle, dann Platin. Es ist relativ knapp und profitiert von der steigenden Elektromobilität.

Dieter W. Heumann
– 9. Februar 2021