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20 Jahre Euro
Passt schon für alle
Europäer in 19 Ländern zahlen in Euroscheinen und -münzen, seit mittlerweile 20 Jahren. Ein Blick zurück nach vorn.

Der Grundstein für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion wurde am 7. Februar 1992 mit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht durch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft gelegt. Im Dezember 1995 schlug der damalige deutsche Finanzministers Theo Waigel den Namen Euro für die europäische Gemeinschaftswährung vor.

Das Wort Euro lasse sich in allen Sprachen der EU gut aussprechen und stehe für die Gemeinsamkeit aller Europäer, entschied der Europäische Rat. Der Euro wurde zunächst im Januar 1999 als Buchwährung eingeführt. Die teilnehmenden Länder brachten ihre nationalen Währungen in die neue Gemeinschaftswährung ein und verzichteten auf eine eigenständige nationale Geldpolitik.

Die Geldpolitik wurde der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragen, die Mitte 1998 in Frankfurt am Main gegründet worden war, „in einer Stadt mit einer großen Tradition der Währungsstabilität in Europa“, wie der damalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer mitteilte.

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (rechts) und Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer im Jahr 1998. Kohl sah den Euro als „ein Synonym für Europa“.

Die Verantwortung für die Stabilität der neuen Währung wurde dem Eurosystem, bestehend  aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Euroländer, übertragen. Die geldpolitischen Entscheidungen trifft der EZB-Rat aus EZB-Präsident, fünf weiteren Mitgliedern des EZB-Direktoriums und den Chefs der nationalen Zentralbanken.

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl sah den Euro als „ein Synonym für Europa“ und betrachtete die Gemeinschaftswährung als „eine einzigartige Chance für das friedliche Zusammenwachsen Europas“. Für den Euro sprachen aber nicht nur politische sondern auch wirtschaftliche Erwartungen.

Wissenschaftliche Forschungen belegten, dass eine gemeinsame Währung  zu einem deutlichen Anstieg des Handels und damit zu höherer Wirtschaftsleistung und mehr Wohlstand führt. Innerhalb der Gebiets der gemeinsamen Währung entfällt der Geldumtausch und Preisvergleiche sind unproblematisch.

Funktionierender Binnenmarkt – internationaler Rückhalt

Aufgrund entfallender Wechselkursschwankungen können Unternehmen Kosten und Erlöse beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen sicherer kalkulieren, was Investitionen und Wachstum gefördert. Zudem ist der Euro eine Voraussetzung für einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt für Güter, Dienstleistungen und Kapital, denn er verstärkt den Wettbewerb unter  den Unternehmen und führt damit zu mehr Vielfalt und niedrigeren Preisen.

Ferner ist  mit dem Euro eine weitere globale Währung geschaffen worden, die in Krisenzeiten Sicherheit suchendes internationales Kapital anzieht. So geschehen in der Finanz- und Wirtschaftskrise  2007 bis 2009, was auch der Eurozone geholfen hat, die Konsequenzen der Krise zumindest etwas abzufedern.

Die Vorteile einer Gemeinschaftswährung  zeigten sich in den ersten zehn Jahren des Euro: Sie schafften die Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum. Vor allem die ärmeren südeuropäischen Euroländer  erfreuten sich eines unerwartet hohen Kapitalzustroms. Durch die Gemeinschaftswährung  waren Investitionen in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal für das internationale Kapital attraktiv geworden, weil ein Aufschließen zu den wirtschaftlich wesentlich stärkeren nordeuropäischen Euroländern erwartet wurde.

Sorgen um Stabilität – so alt wie der Euro

Zudem drückten die erheblichen Kapitalzuflüsse die Zinsen in den südlichen Euroländern auf nie gekannte niedrige Niveaus, was auch die Investitionen und den Konsum der einheimischen Unternehmen und Bevölkerung beflügelte. Allerdings stiegen auch die staatliche und private Verschuldung  sowie die Leistungsbilanzdefizite im Süden der Eurozone kräftig an.

Mit Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in 2007, die von den USA ausging, verschlechterte sich die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum. Sogar die beiden größten Euroländer Deutschland und Frankreich wurden zu den ersten Defizitsündern. Das deutsche Budgetdefizit lag über der im Maastricht-Vertrag festgelegten Drei-Prozent-Grenze.

Dass dies keine Sanktionen nach sich zog, bereitete Skeptikern schon damals „Sorgen um die Stabilitätskultur“ im Euroraum. Die Krise traf die immer noch auf wirtschaftlich schwächerer Basis stehenden und hoch verschuldeten südlichen Eurostaaten besonders hart. Insbesondere Griechen, Spanier und Portugiesen hatten mehr konsumiert als produziert und mehr importiert als exportiert.

Strukturreformen in Südeuropa bleiben aus

Auch zeigte sich, dass die vorangegangene Investitionstätigkeit oft fehlgesteuert war und nicht zur Strukturverbesserung der Wirtschaft und notwendigen Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Länder beigetragen hatte. Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Angleichung des Südens an die nördlichen Eurostaaten erwiesen sich somit als übertrieben oder falsch.

Geblieben war eine Verschuldung der südlichen Euroländer, die weit über die im Maastricht-Vertrag festgelegten Grenzen hinausging sowie deutliche Leistungsbilanzdefizite. Griechenland konnte 2010 seine Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurückzuzahlen. Unter Verletzung der sogenannten No-Bail-out-Klausel des Maastricht-Vertrags, wonach kein Euroland für ein anderes finanziell haftet, wurde das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt. Weitere folgten.

Das beruhigte die Gläubiger indes nicht. Im Gegenteil, auch andere Euroländer wie Irland, Portugal, Spanien oder Italien wurden von der Verunsicherung der Märkte erfasst und der Zusammenbruch der Währungsunion war zu befürchten. Es mehrten sich die Stimmen, die sagten, dass eine Währungsunion ohne politische Union, die sich vor allem an den stärksten Mitgliedsstaaten orientiere, zum Scheitern verurteilt sei. 

Eurokrise: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (links) mit Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras im Jahr 2015.

Als im August 2011 selbst Frankreich von der Panik erfasst wurde und im Mai 2012 die griechische Parlamentswahl im Chaos endete und die Schieflage der spanischen Großbank Bankia einen weiteren kräftigen Börsenrutsch auslöste, signalisierte der damalige EZB-Präsident Mario Draghi mit den Worten, „whatever it takes“, wer Ländern wie Spanien oder Italien Geld leihe, brauche keine Angst zu haben, die EZB werde deren Staatsanleihen stets zurücknehmen.

Mit unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen öffnete die EZB die Geldschleusen weit und die Zinsen wurden auf null Prozent und darunter gedrückt. Zwar gelang es, die  Eurowirtschaft wieder zu stimulieren und die Finanzmärkte zu befeuern, aber die reichlich fließenden Mittel vermochten es nicht, die hochverschuldeten Eurostaaten in ausreichendem Maße zu wirtschaftsstabilisierenden Reformen und zum Schuldenabbau zu bewegen.

Die Coronakrise hat schließlich die Verschuldungen auf neue Höchststände getrieben. So hoch, dass es die EZB heute nicht wagt,  die sich mit kräftigen Wachstumsraten zurückmeldende Inflation, wie notwendig,  mit einer streng restriktiven Geldpolitik zu bekämpfen. Das Problem: Viele Südländer verkraften keine  steigenden Zinsen und die Angst vor einer neuen Eurokrise ist groß.

Internationale Rolle der Eurowährung bleibt nachrangig

Trotz all der Querelen in der Währungsunion hat sich der Euro bis heute jedoch einen festen Platz im Konzert der Weltwährungen gesichert. In den letzten Jahren ist der Euro in seiner Rolle als internationale Währung aber nicht mehr stärker geworden. Der Dollar ist nach wie vor Weltwährung Nummer eins und die wichtigste Reservewährung geblieben.

Auf einem EU-Gipfel Anfang 2021 forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel, alles zu tun, um den Euro als wichtige Weltwährung zu platzieren. Ein als Weltwährung akzeptierter Euro würde nach Bert Rürup, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats dem europäischen Verbund von mittelgroßen und kleinen Staaten ein echtes weltwirtschaftliches und geopolitisches Gewicht verleihen, gerade gegenüber den Supermächten USA und China.

Doch zunächst sollte es darum gehen, der Gemeinschaftswährung ein nachhaltig stabiles Fundament zu geben. Probleme gab es vor allem, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht oder nicht vollständig eingehalten wurden. Gegen die Bestimmungen im Maastricht-Vertrag  wurde vor allem hinsichtlich der Verschuldungsobergrenzen laufend verstoßen – ohne dass strikte Sanktionen erfolgt wären.

Bis heute kein geregeltes Verfahren für Staatsinsolvenzen

Zudem ist innerhalb der Europäischen Union eine geordnete Staatsinsolvenz nicht möglich. Eine Diskussion über Reformen des Vertragswerkes ist zwar in Gang gekommen, aber sie geht in eine andere Richtung. So trafen sich jüngst die Regierungschefs von Frankreich und Italien, Emmanuel Macron und Mario Draghi, von Macron „würdiger Erbe der Gründungsväter der EU“ genannt, da er den Euro gerettet habe. Die Gespräche der beiden Staatschefs dienten der Vorbereitung der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Januar 2022 beginnt.

Mit Blick auf die Währungsunion teilen Macron und Draghi die Ansicht, dass die wegen der Pandemiekosten ausgesetzten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht mehr der Realität in der Gemeinschaft entsprechen. Frankreich überschreitet die im Maastricht-Vertrag festgesetzte maximale Grenze der Gesamtverschuldung in Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit etwa 115 Prozent erheblich. Italien kommt sogar auf etwa 155 Prozent.

Beide Länder werden die vorgeschriebenen maximal 60 Prozent Gesamtverschuldung auf Sicht nicht erreichen. Ein Versuch Frankreichs und Italiens liegt nahe, in der Ära nach Angela Merkel gemeinsam die Schuldenregeln aufzuweichen. So wird erwogen, Zukunftsinvestitionen in die Wirtschaft nicht mehr auf die Grenze von drei Prozent beim Haushaltsdefizit anzurechnen, wie im Maastricht-Vertrag vorgeschrieben ist.  

Spannend werden die Reformbemühungen in der Währungsunion mit Blick auf die neue Bundesregierung. Die Ampelkoalitionäre SPD und Grüne könnten sich Reformen gegenüber offener zeigen. Doch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner betont laufend, dass die Währungsunion zu keiner Schulden- und Transferunion werden darf.

Dieter W. Heumann (Bild oben: Shutterstock)
– 13. Dezember 2021