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Struktur – Standpunkt
Selbst gestalten statt getrieben werden
Sparkassen und Verbundunternehmen sollten sich stärker zusammenschließen und arbeitsteiliger arbeiten, empfiehlt Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern. Noch sei es möglich, aus der Position der Stärke zu handeln.

Die Zahl der Sparkassen in Bayern werde in den kommenden Jahren weiter deutlich zurückgehen, sagte Ulrich Reuter jetzt der Presse. „Wenn der bisherige Trend anhält, könnten wir bis 2030 auf eine Zahl Mitte 50 zugehen“, zitierte der „Nordbayerische Kurier“ am Samstag (20. Juni) den Präsidenten des Sparkassenverbands Bayern. Ende 2015 habe es in Bayern 71 Sparkassen gegeben, fünf Jahre später seien es jetzt 64. Diese Zahl werde sicherlich weiter sinken.
In diesem Standpunkt erläutert Reuter, dass er auch über Bayern hinaus Zusammenschlüsse als folgerichtig ansieht, zumal der Druck auf die Kreditwirtschaft wachse.

Kürzlich verlautbarte Professor Joachim Wuermeling, für Bankenaufsicht zuständiger Bundesbank-Vorstand: „Damit unsere Banken auch mittelfristig stabil und rentabel bleiben, werden auch künftig unpopuläre Geschäftsentscheidungen wie die Schließung von Filialen und die Aufgabe von Eigenständigkeit notwendig sein. Banken werden auch vermehrt Negativzinsen an Kunden weitergeben und Gebühren erhöhen müssen.“

Das ist eine klare Ansage, möglicherweise auch ein Auftrag – es ist zumindest eine Erinnerung für uns alle: Aus berufenem Munde wird bestätigt, dass die Sparkassen ihre Preispolitik verschärfen, ihr Geschäftsstellennetz straffen und sich konzentrieren müssen.

Gleichzeitig adressiert Wuermeling mit dem Postulat „Aufgabe von Eigenständigkeit“ aber auch, dass es wirtschaftlich ist, wenn sich Kreditinstitute zusammentun. Und das ist grundsätzlich ebenfalls richtig. Für uns geht es jetzt und künftig darum, Synergien zu heben und gemeinsam mehr Kraft im Markt zu entfalten.

Bausparkassen: Zusammenschlüsse im Backoffice sollten möglich sein

Dazu mag eine klassische Fusion dienen können, oder Kooperationen in Feldern, in denen Arbeitsteilung oder Delegation verstärkt möglich ist. Nicht nur Landesbanken können den vormaligen Wettbewerb konstruktiv auflösen und Kräfte in ähnlicher Weise bündeln, wie es LBBW und BayernLB im Kapitalmarktgeschäft bereits getan haben.

Mit annähernd gleicher Produktpalette sollte aber mindestens ein Zusammenschluss im Backoffice möglich sein. Man denke hier an die Bausparkassen. Unter den Versicherern unserer Gruppe konnten wir 2020 bereits einen weiteren Schritt in die richtige Richtung sehen: die Provinzial-Fusion. Es wäre in allen Bereichen zu begrüßen, kämen wir weiter voran.

Ab März 2020 war angesichts der Pandemie vieles andere zu tun. Unsere Kunden brauchten schnelle Liquidität und Online-Zugänge, es war nötig, die Lage täglich neu einzuschätzen und zu bewerten. Mit der Stabilisierung der Situation müssen jetzt aber auch wieder strukturelle Fragen diskutiert werden.

Wir setzen uns bereits seit mehr als 200 Jahren ständig aufs Neue mit der Entwicklung unseres Umfelds auseinander – das müssen wir jetzt nicht nur weiter, sondern besonders verstärkt fortsetzen.

Strukturveränderungen ohne grundsätzliche Tabus

Um langfristig leistungsfähig zu bleiben, gehört es heute unerlässlich dazu, unsere geschäftspolitischen Entscheidungen an der Marktsituation negativer Zinsen zu orientieren und ohne grundsätzliche Tabus an Strukturveränderungen zu arbeiten.

 

„Noch ist das Zeitfenster für eine Konsolidierung in Eigenverantwortung offen – wir sollten es nutzen“, sagt Professor Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern.

Ich denke, dass wir auf den nächsten Zusammenschluss nicht mehr lange warten müssen – ob eine Vollfusion zu einem größeren und leistungsstärkeren Institut oder eine verstärkte, intensive Zusammenarbeit. Denn die Überlegung ist jetzt für alle Sparkassen und ihre Verbundpartner geboten, selbstverständlich genauso für die Regionalverbände.

Die Bündelung der Kräfte aus einer jeweiligen Position der relativen Stärke ist für die jeweils Handelnden, aber auch für uns alle als Gruppe vorteilhaft.

Die Schritte zur Bündelung sind in einer zutiefst dezentral und regional aufgestellten Gruppe mit unterschiedlichsten Eigentümerstrukturen und Rechtsformen häufig besonders komplex, weil die Entscheidungen untereinander verwoben und die Abhängigkeiten groß sind. Davon dürfen wir uns aber nicht abschrecken lassen, Flurbereinigungen sind immer schwierig.

Sparkassen-Finanzgruppe muss sich für die Zukunft neu aufstellen

Vielmehr müssen wir die raffinierte Denksportaufgabe und den diplomatischen Verhandlungs-Parcours umso entschlossener angehen. Das gilt für Zusammenschlüsse auf lokaler Ebene ebenso wie für bundesweite Initiativen. Wir werden das verkraften, denn der Preis der Effizienz und Stärke ist es wert. Es ist damit an der Zeit, an vielen Stellen über die Zukunftsaufstellung nachzudenken.

Die Zusammenarbeit zu vertiefen und Arbeitspakete zu verteilen, anstatt redundant und konkurrierend abzuarbeiten, ist unverzichtbar und wird es uns auf allen Ebenen erleichtern, die Zukunft aktiv zu gestalten.

Es geht darum, die ganze Sparkassen-Finanzgruppe langfristig als kraftvollen Partner für unsere Kunden aufzustellen und das gemeinsame Angebot weiterzuentwickeln. Noch ist das Zeitfenster für eine Konsolidierung in Eigenverantwortung offen – wir sollten es nutzen.

Professor Ulrich Reuter, Sparkassenverband Bayern
– 18. Juni 2021