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Insurtech-Studie
Versicherungsbranche wird aufgewirbelt
Ein Einstieg der Tech-Konzerne in die Versicherungsbranche und der Trend zur Plattformökonomie werden Versicherer und Insurtech-Firmen herausfordern, so ein Studienfazit von Sparkassen Innovation Hub, ID-Fabrik und Strategie- und Managementberatung ZEB.

Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert, heißt es von den Autoren der Studie. „Wer es schafft, die Komplexität aus Produkten und Endkundeninteraktion zu reduzieren, wird sich auf digitalen Kanälen durchsetzen.

Was für Sparkassen und Banken gilt, trifft auch auf Versicherungen zu: Das Damokles-Schwert der BigTechs rückt immer näher“, weiß Jens Rieken, Leiter des Sparkassen Innovation Hubs. Das Bedrohungspotenzial sei indes nicht gleich hoch: Während Microsoft und Facebook eher als Partner auftreten, könnten sowohl Amazon als auch Google in Zukunft eine dominante Vermittlerrolle einnehmen.

Die großen Technologiekonzerne werden auch im Versicherungsvertrieb eine wachsende Bedeutung bekommen, sagt Jens Rieken, Leiter des Sparkassen Innovation Hubs.

Zudem werden Plattformen die Branchen umsortieren. Versicherer stehen deshalb vor der Aufgabe, ihre eigene Rolle innerhalb von Ökosystemen zu definieren. Sie müssen entscheiden, ob sie etwa als zentraler Plattformanbieter, Produkt- oder Technologielieferant agieren wollen.

„Sollten es die etablierten Versicherer nicht schaffen, Plattformen mit hohem Kundenmehrwert und Interaktionsquoten zu entwerfen, werden sie in die Rolle reiner Produktgeber zurückgedrängt. Schnittstellenfähigkeit und branchenübergreifende Kooperationen sind existenziell“, so Rieken abschließend.

"Branchengrenzen werden aufweichen"

Das althergebrachte System der vertrieblichen Kooperation zwischen Produktanbietern und Kundenvertretern werde bald der Vergangenheit angehören, heißt es in der Studie. Mittelfristig würden zentrale Versicherungsplattformen bedarfsgerecht gebündelte Leistungen für alle Marktteilnehmer zugänglich machen.

Diese Entwicklung ebne den Weg "für eine neue Welt, in der Branchengrenzen zusehends aufweichen". Das Thema Versicherung werde "zum festen Bestandteil bedarfsorientierter Ökosysteme".

Der kommende Plattform-Ansatz werde Kunden und ihre Bedürfnisse rund um verschiedene Lebensbereiche (z. B. Wohnen und Freizeit) in den Fokus stellen, heißt es. So würden Kunden aufgrund ihres Bedürfnisses nach Mobilität beispielsweise Automotive-Plattformen ansteuern und über dieses branchenfremde Portal auch gleich die zu ihrem Bedürfnis passende Versicherung abschließen.

Branchengrenzen lösten sich auf und ließen das Thema Versicherung zum wichtigen Bestandteil bedarfsorientierter Plattformen werden.

Grenzen digitaler Vertriebsansätze

Doch bei aller Euphorie oder auch Ängste über digitale Entwicklungen im Versicherungsbereich, scheint es doch deutliche Grenzen für die Expansionspläne zu geben. "Nach meiner Einschätzung ist die hohe Komplexität und das geringe Wissen über Versicherungsprodukte ein entscheidendes Hemmnis für eine stärkere Nutzung digitaler Kanäle", sagt Karin-Brigitte Göbel, Vorsitzende des Vorstandes der Stadtsparkasse Düsseldorf. Zudem seien die Interaktionsquoten bei Versicherungsprodukten deutlich niedriger.

Versicherungsprodukte sind komplex und erklärungsbedürftig, weswegen digitale Kanäle sich nur bedingt für den Vertrieb eignen, so Karin-Brigitte Göbel, Vorsitzende des Vorstandes der Stadtsparkasse Düsseldorf.

Im Interview mit den Studienmachern erläutert sie Unterschiede und Vergleichbarkeiten zu Bankprodukten. "Im Online Banking handelt es sich in der Regel um sehr einfache und hochfrequentierte Standardvorgänge wie etwa Überweisungen und Depottransaktionen", so Göbel.

Komplexe Bankprodukte, wie zum Beispiel der Aktienkauf oder die Baufinanzierung, würden ähnlich wie im Versicherungsbereich noch überwiegend über stationäre Kanäle beraten und vertrieben. "Solange Versicherungsprodukte und -prozesse nicht spürbar vereinfacht werden, werden die digitalen Kanäle nur zögerlich an Bedeutung gewinnen", fügt sie hinzu.

26. November 2020