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Insolvenzen
Volle Kraft voraus
Die befürchtete Pleitenwelle als Folge der Coronapandemie scheint auszubleiben. Selbst von den Lockdowns unmittelbar und mittelbar besonders betroffene Unternehmer wie Gastronomen und Einzelhändler stehen zum Teil wieder gut da. Auch die Sparkassen haben dazu beigetragen.

Noch gut kann sich Manuel Schneider an den 11. März 2020 erinnern. An diesem Tag erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO Corona zur Pandemie, für den Chef der Ratiotec GmbH & Co. KG begann eine herausfordernde Berg-und-Tal-Fahrt. Denn von den folgenden Lockdowns waren die Kunden des Produzenten von Geldzählmaschinen direkt betroffen.

„Unser Umsatz brach bereits im März und April um 70 Prozent ein. Den größten Teil unserer 30 Mitarbeiter haben wir deshalb sofort in Kurzarbeit geschickt“, sagt der Geschäftsführer des Mittelständlers. Größter Haken: Zuvor war die Auftragslage sehr gut, sodass die Essener bei ihren asiatischen Zulieferern große Mengen bestellt hatten.

Frühzeitig abgestimmt

„Zum Glück waren unsere chinesischen Geschäftspartner sehr konziliant. Die Lieferzeiträume konnten wir massiv strecken.“ Gleichzeitig musste Schneider die Finanzlage im Blick behalten, um laufende Kosten decken zu können. „Wir haben schon sehr früh in enger Abstimmung mit der Sparkasse Essen einen KfW-Kredit beantragt. Das hat uns nicht nur geholfen, die Liquidität zu sichern, sondern wir konnten im Verlauf der Pandemie auch in Innovationen investieren“, sagt der 45-Jährige.

Trotz der seit gut eineinhalb Jahren andauernden Coronakrise ist die befürchtete Pleitenwelle ausgeblieben. Mit zahlreichen Instrumenten steuerte die Bundesregierung gegen, um die Folgen für die Wirtschaft abzufedern. So setzte sie vorübergehend unter gewissen Bedingungen die Antragsfristen für die Anmeldung von Insolvenzen aus, zahlt Kurzarbeitergeld und gewährte unterschiedlichste Finanzhilfen, von nicht rückzahlbaren Zuschüssen bis zu KfW-Krediten. Maßnahmen, die greifen.

Insolvenzpflicht aufgehoben

„Bei der Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen wirken weiterhin die staatlichen Corona-Hilfsmaßnahmen nach – insbesondere die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht, die bis Ende April 2021 galt“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, die im ersten Halbjahr dieses Jahres in Deutschland 8800 Unternehmensinsolvenzen verzeichnete, 1,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. 

Mit unternehmerischem Mut, Weitsicht, Innovationsfreude und der Unterstützung der Sparkasse ist es Unternehmer Schneider sogar gelungen, die Basis für weiteres Wachstum zu legen. „Den KfW-Kredit haben wir auch genutzt, um binnen nur sechs Wochen Kundenfrequenzsysteme für den Handel auf den Markt zu bringen.“ Nach Installation einer Lichtschranke am Eingang können die Geschäfte erfassen, wie viele Personen sich aktuell im Laden aufhalten. Mit dem System auf Basis einer IoT-Struktur habe Ratiotec viel Aufmerksamkeit im Markt bekommen, so der Geschäftsführer.

 

Mit unternehmerischem Mut, Weitsicht, Innovationsfreude und der Unterstützung der Sparkasse ist es Unternehmer Schneider sogar gelungen, die Basis für weiteres Wachstum zu legen.


Zu kämpfen hatte sein Unternehmen jedoch mit der damals nachlassenden Investitionsbereitschaft der Kunden. Entmutigen lassen hat sich Schneider trotzdem nicht und mit seinen Entwicklern nach weiteren digitalen Anwendungen gesucht. Dem Einzelhandel bietet Ratiotec aktuell zum Beispiel eine Lichtschranke für die Leergutautomaten an, die den Füllzustand an das Personal weitergibt. Oder einen Kontaktschalter für Tiefkühltruhen, der Alarm schlägt, wenn die Türen nicht richtig geschlossen sind.

„Aktuell verbessert sich die Lage deutlich, auch im Kerngeschäft. Ende Juni haben wir die Kurzarbeit vollständig beenden können und dank der Innovationen die Basis für wieder stärkeres Wachstum gelegt“, sagt Schneider, der 2020 mit einem Umsatzeinbruch von zirka 30 Prozent klarkommen musste, für 2021 mit einer Stagnation und dann wieder mit einem deutlichen Plus rechnet. 

Finanzkraft sichern

Als Erfolgskriterium für das Bewältigen der Krise sieht Pascal Wasin vor allem die Sicherung der Finanzkraft. „Dank des KfW-Kredits konnten wir schnell einen Haken an das Thema Liquidität machen und Ratiotec die Möglichkeit geben, Entwicklungskosten für Innovationen zu schultern“, sagt der Firmenkundenbetreuer bei der Sparkasse Essen. Damit sei auch die Basis für die Nachkrisenzeit gelegt worden.

Permanent hätten sich Kunde und Sparkasse eng miteinander ausgetauscht und würden so die immer noch schwierige Zeit meistern. „Die dritte Phase der Pandemie, also der Austritt aus der Krise, ist für mich die mit Abstand anspruchsvollste Phase“, so Schneider. Die aktuell dramatischen Engpässe bei Containern und Chips würden zu ungewöhnlich langen Wartezeiten führen. „Wir mussten deshalb sehr viele Bestellungen vorziehen, um lieferfähig zu bleiben. Das wiederum macht das Management des Cashflows so herausfordernd.“ 

Mit voller Kraft durch die Krise

Wie Manuel Schneider nahm auch Mathias Schilling die unternehmerische Herausforderung beherzt an. Statt zu klagen steuerte der Hotelfachmann sein zuletzt stark gewachsenes Business volle Kraft voraus durch die Krise. „Dank eines KfW-Darlehens, das wir mit Unterstützung der Sparkasse Vorpommern schnell und unkompliziert beantragen konnten, haben wir die Krise gut meistern können“, sagt der Geschäftsführer der Ökologischer Landbau Schilling GbR in Schaprode, einer Gemeinde auf der Insel Rügen in Mecklenburg-Vorpommern.

Auf der benachbarten familieneigenen Insel Öhe betreibt der Agrarwissenschaftler seit 2009 auf 75 Hektar eine Biorinderzucht und eröffnete in den Folgejahren sechs Restaurants, zwei Hofläden und einen Onlineshop. Sein Salzwiesenfleisch machte er zur Marke. „Insel Öhe“ ist heute überregional bekannt für Wurst im Glas, Salami, Pasteten, Rinderrillettes. Gleiches gilt für den „Hiddenseer Kutterfisch“, Hering und Bückling in Glas oder Dose.

Mitten im Lockdown übernahm Schilling im Februar 2021 in Stralsund den traditionsreichen Fischhandel Rasmus mit kleiner Manufaktur und Laden in der Altstadt. Mit dem Unternehmen, das das Patent für den Original Bismarckhering hält, kann Schilling sein Sortiment im Onlineshop ebenso wie in seinen Hofläden ausbauen und fasst Fuß in Stralsund.

 

Der traditionsreiche Fischhandel Rasmus mit kleiner Manufaktur und Laden in der Altstadt. 


Damit nicht genug. Für seine Rinderherde kaufte der 40-Jährige weitere 160 Tiere dazu, die 2022 schlachtreif sein werden. In einem neuen Steakhaus können seine Gäste dann das Fleisch genießen. Erst Anfang Juni 2021 konnte Schilling nach sieben Monaten Zwangspause seine Restaurants und Läden wieder öffnen. „Seitdem ist es zum Glück sehr gut gelaufen. Wir leben vor allem vom Tourismus und der hat sich an der Ostsee schnell wieder erholt.“ Im laufenden Jahr rechnet der Unternehmer immerhin mit einem Umsatzplus von zehn Prozent. „Mit unserer Liquidität haben wir eine Punktlandung geschafft.“
 

Eli Hamacher (Bild oben: marcusfriedrich.media)
– 3. September 2021