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BBL_Informelle Bankregulierung
Aufsicht besser beaufsichtigen?
Operiert die Bafin am Rande des rechtlich Zulässigen? Ja, glaubt Rechtsprofessor Lars Klöhn. Sein Gutachten belegt, dass Banken mitunter schon Merkblätter, Pressemeldungen oder Interviews der Aufsicht strikt beachten.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) soll grundlegend reformiert und dadurch künftig flexibler und schlagkräftiger werden. Diese Pläne verfolgt zumindest Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Die Behörde soll künftig stärker präventiv agieren und Ver­dachtsfällen in der Bilanzkontrolle schneller und effizienter nachgehen können.

Die Arbeit der Bafin war zuletzt durch ihre Positionen zu Dividen­denzah­len von Banken und Sparkassen in die Kritik geraten. Ungeklärte verwal­tungsrechtliche Probleme hat Prof. Lars Klöhn jetzt in einem Gutachten an diesem Beispiel aufgezeigt. Beauftragt hat den Rechtswissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), in dem die regionalen Volks- und Raiffeisenbanken zusammengeschlossen sind.

Ein zentraler Vorwurf: Die Bafin bedient sich verstärkt rechtlich nicht bindender In­strumente wie Merkblättern, Pressemeldungen oder Interviews, um Ban­ken Vorgaben zu machen. Aus Sicht von Klöhn hat diese Form der informellen Bankregulierung, „in den letzten Jahren stark zugenommen“. Damit be­wegt sich die Behörde dem Berliner Rechtsgelehrten zufolge „zuneh­mend am Rande des recht­lich Zulässigen“.

Bafin quasi ihr eigener Gesetzgeber?

Prof. Lars Klöhn (Humboldt-Universität): „Die Bafin erwartet, dass sich Kreditinstitute an ihre informelle Bankregulierung halten.“

Für den GVB sollte der Jurist vor allem drei Grundfragen analysieren und klären:

  1. Welche rechtliche Bindungswirkung entfaltet informelles Ver­wal­tungshandeln der Bafin (zum Beispiel durch Äußerungen in Interviews, Reden/Redemanuskripte, Informationen auf Q&A-Webseiten oder Merkblätter) im Bereich des Bankaufsichtsrechts?
  2. Stehen Banken Rechtsschutzmöglichkeiten gegen informelles Ver­waltungshandeln der Bafin offen?
  3. Bietet es sich aus rechtspolitischer Sicht an, die Rechtsschutz­mög­lichkeiten gegen informelles Verwaltungshandeln der Bafin im Bankaufsichtsrecht zu verbessern?

Mit dem 43-seitigen Gutachten (Download am Ende des Beitrags oder hier) und den darin enthaltenen Antworten will der bayerische Bankenverband nach eigenem Bekunden „einen Beitrag zur Bafin-Reformdebatte lei­sten“. Klöhns Fazit lautet denn auch, dass die informelle Bankre­gulie­rung der Bafin unter rechtsstaatlichen Ge­sichts­­punkten durchaus zweifelhaft ist.

Informelle Bankregulierung hat aus seiner Sicht „eine hohe faktische Bindungswirkung. Grund dafür sind vor allem Reputationsmechanismen, die auf dem Bankenmarkt besonders schlagkräftig sind. Auch die Bafin erwartet, dass sich Kreditinstitute an ihre informelle Bankregulierung halten.“

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Daraus erwachsen große Legitimations-, Kontroll- und Rechtsstaatlich­keits­probleme. Sie ergeben sich für Klöhn „aus dem grundsätzlichen Befund, dass Kreditinstitute aufgrund der auf dem Bankenmarkt be­sonders wirksamen Reputationsmechanismen die Auseinandersetzung mit der Bafin prinzipiell auch dann scheuen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Bafin rechtswidrig handelt“.

Er warnt davor, dass die Bafin mit ihrer Praxis der informellen Bankre­gu­lierung „faktisch selbst gesetztes Recht vollzieht und damit die Gren­zen des aufsichtsrechtlich Zulässigen systematisch überschreitet“.

GVB-Chef kritisiert Bafin-Vorgehensweise

Jürgen Gros (GVB): „Bafin muss zurück ins rechtsstaatliche Korsett.“

„Der Rechtsstaat darf nicht zulassen, dass eine Behörde in der Praxis einfach die Rolle des Gesetzgebers übernimmt“, kritisiert auch GVB-Prä­sident Jürgen Gros. „Dort, wo es keine gesetzlichen Regelungen gibt“, so der Verbandschef in einer Stellungnahme weiter, „kann nicht die Bafin diese Lücke über informelle Methoden füllen und quasi Recht setzen. Ein solches Vorgehen steht einer Behörde nicht zu.“

Die Bafin muss aus seiner Sicht „zurück ins rechtsstaatliche Korsett“, was bei der anstehen­den Reform der Aufsichtsbehörde berücksichtigt werden sollte.

In seinem Gutachten geht der Humboldt-Professor auch der Frage nach, wie rechtlich bindend informelle Bankregulierung ist. Die infor­melle Bank­regulierung der Bafin ist danach „nicht regelnd. Sie setzt kein Recht. Sie bindet nicht die Gerichte, sondern muss ihrerseits den Vorgaben von Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) genügen.“

Problematisch ist ferner, dass den Kreditinstituten grundsätzlich kein unmittelbarer Rechtsschutz gegen informelle Bankregulierung der Bafin zur Verfügung steht: „Selbst wenn man die Verlautbarungen der Bafin als Grundrechtseingriffe qualifizieren würde, müsste eine vorbeugende Feststellungs- beziehungsweise Unterlassungsklage grundsätzlich an dem fehlenden Feststellungsinteresse beziehungsweise Rechtsschutzbedürfnis scheitern, weil die Bafin sich in aller Regel zunächst informell an Marktteilnehmer wendet, bevor sie weitergehende Maßnahmen trifft“, so Klöhn.

Dennoch stehen Banken und Sparkassen nicht komplett rechtsfrei im Regen. Kre­ditinstitute haben danach verschiedene Möglichkeiten, die Rechtmäßig­keit informeller Bankregulierung der Bafin sozusagen inzi­dent gerichtlich kontrollieren zu lassen.

Die größte Bedeutung hat in die­sem Zusammenhang die sogenannte „Damokles-Rechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein hinreichendes Feststellungs­interesse im Sinne von Paragraf 43 Abs. 1 VwGO besteht, „wenn die Behörde mit einer Strafanzeige, der Einleitung eines Bußgeldverfahrens oder einer ähnlich einschneidenden Maßnah­me droht, um den Adressaten zu einem bestimmten verwaltungsrechtlich relevanten Verhalten zu bewegen“.

Diese Rechtsprechung führt für Klöhn „bei richtiger Anwendung zu ver­gleichsweise frühen Rechtsschutzmöglichkeiten der Kreditinstitute und deren Geschäftsleitern. Insbesondere sind bei der Beurteilung des Fest­stellungsinteresses die auf dem Bankenmarkt besonders stark ausgeprägten Reputationsmechanismen zu berücksichtigen“.

Ihretwegen ist es Kreditinstituten und deren Geschäftsleitern regelmäßig unzumutbar, meint Klöhn, „einen längeren Schwebezustand zu akzep­tieren, währenddessen die Rechtmäßigkeit ihres Handelns aufgrund von Bafin-Verlautbarungen in Zweifel gezogen werden könnte“.

Eine Aufsicht für die Aufsicht

Das generelle Verhalten der Aufsichtsbehörde offenbart für den GVB ein erhebliches Kontrollproblem. „Dieses Aufsichtsgremium braucht die not­wendigen Kompetenzen, um als unabhängiges Überwachungs­gremium fungieren zu können“, fordert Gros.

Nach seinen Erfahrungen verfügt der Verwaltungsrat der Behörde eher über eine reprä­sen­tative Funktion und Haushaltskontrolle. Gros fordert deshalb, dass sich „die schwache Rolle des Bafin-Verwaltungsrats ändern muss, hin zu einer durchsetzungsstarken Aufsicht für die Aufsicht“.

Der Verband möchte die Bafin dazu verpflichten, den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags regelmäßig über ihre Aufsichtspraxis zu informieren. Die EU soll hier Vorbild sein. In Brüssel ist die europäische Bankenaufsicht EBA gegenüber dem EU-Parlament bereits rechen­schaftspflichtig.

Dividenden-Stopp für Banken als Streitfall

Raimund Röseler (Bafin): „Wer aber entgegen allen Empfehlungen erlaubt, dass sein Institut in diesen schweren Zeiten Dividenden ausschüttet, der sollte sich fragen, ob er noch das volle Vertrauen der Bankenaufsicht verdient.“ („Bafin-Journal“ 04/20)

Die problematische Anwendungspraxis informeller Bankregulierung zeigt das Gutachten exemplarisch und plakativ am von der Bafin im Frühjahr 2020 (zu Beginn der Coronapandemie) ins Spiel gebrachten Dividenden-Stopp für Banken auf.

Eine seinerzeitige Bafin-Pressemitteilung hatte den Tenor, dass Ban­ken aufgrund der unsicheren Pandemielage zunächst keine Dividen­de aus­zahlen sollen – und bei Zuwiderhandlungen mit „Ver­trau­ensent­zug“ gedroht.

Im April 2020 hatte Bafin-Exekutivdirektor Raimund Röseler in einem entsprechenden Appell im „Bafin-Journal“ nachgelegt. Im Artikel hat er betont, dass sein Haus die Banken in der Pandemie entlastet. Aufsichts­rechtliche Prüfungen waren demzufolge gestoppt, Informationsanfragen auf ein Minimum reduziert und Stresstests verschoben worden. Im Gegenzug hatte die Bafin erwartet, „dass Banken ihre Eigenkapital­basis stärken und Gewinne thesaurieren mögen, anstatt sie auszuschüt­ten“.

Wäre eine solche Maßnahme als Allgemeinverfügung ergangen, hätte sie kaum einer verfassungsrechtlichen Kontrolle standgehalten, glaubt der Rechtswissenschaftler in seinem Gutachten. Vor allem deshalb, „weil sie unter­schieds­­los für alle weniger bedeutenden Institute gelten sollte, das heißt unabhängig von deren Größe, finanzieller Verfassung und Eigentümer­struktur“.

Klöhn vermutet, dass die Genossenschaftsbanken ungleich härter als Privatbanken getroffen worden sind. Denn während bei Privatbanken von dem Ausschüttungsverbot allein die Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter tangiert waren, hat es bei den Genossenschaftsbanken auch viele Ein­leger getroffen, da diese – zumindest in ländlichen Regionen – häufig zugleich Mitglieder der Genossenschaft sind.

Die Empfehlung der Bafin hatte bei Genossenschaftsbanken daher, so Klöhn weiter, das Potenzial eines adversen Effekts: Hat Mitglieder das Ausschüttungsverbot veranlasst, ihre Geschäftsanteile zu kündigen, hätten die Genossenschaftsbanken Eigenkapital verloren, anstatt es hinzuzugewinnen.

„Wenn rechtliche Zweifel bestehen, verbietet es sich, auf Instrumente der informellen Bankregulierung auszuweichen“, kommentiert Gros die Er­geb­nisse des Gutachters: „Ein gutes Instrument, das die Funktion hatte, darüber zu informieren, wie die Bafin denkt, Gesetze auslegt und wel­ches Maß sie folglich an die Banken anlegt, hat sich über die vergange­nen Jahre fehlentwickelt.“

Fazit

Anstatt Berechenbarkeit zu schaffen, hat sich die informelle Bankregu­lierung zu einem machtvollen Gestaltungsinstrument entwickelt. Die Bafin verlässt einem Rechtsgutachten zufolge zunehmend ihre ange­stammte Rolle als Aufseher und betätigt sich als Ersatzgesetzgeber. Bankenverbände wie der GVB fordern daher, dass der Fehlentwicklung im anstehenden Reformprozess entgegengewirkt wird.

Besonders problematisch sind danach Verlautbarungen der Bafin im Rahmen informeller Bankregulierung, die nicht Rechts-, sondern höchstens Rechtserkenntnisquelle sind. Informelle Bankregulierung der Bafin ist insgesamt betrachtet nicht normsetzend. Der Gesetzgeber sollte künftig darauf achten, dass die Bafin nicht zum Neben-Gesetzgeber wird, fordern Bankenverbandsmanager.

Autor
Jürgen Janik ist Redakteur der Betriebswirtschaftlichen Blätter in Mannheim.

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Jürgen Janik
– 8. April 2021