Zurück
Porträt
Eine Exotin
Nur zwei von 371 Sparkassen werden ausschließlich von Frauen geführt. Annett Zahn, Chefin der Sparkasse Uecker-Randow, über Frauenquoten, MeToo und die Vorzüge von Diversität.

„Sehr geehrte Frau Zahn, sehr geehrte Herren.“ Wenn Annett Zahn an Konferenzen teilnimmt, hört sie immer wieder diese Begrüßung.

In den neun Jahren, seitdem sie als Vorstandsvorsitzende die Sparkasse Uecker-Randow führt, hat sich daran nichts geändert. Noch immer ist die heute 52-Jährige eine Ausnahme in den männerdominierten Führungsetagen der aktuell 371 Institute, von denen laut einer Studie von Barkow Consulting gerade einmal 16 Sparkassen die Spitze mit einer Frau besetzt haben.

Dass sich Annett Zahn die Vorstandsarbeit mit einer Kollegin teilt, macht sie vollends zur Exotin. Nur die Müritz-Sparkasse arbeitet gleichfalls mit einer weiblichen Doppelspitze.

Weibliche Doppelspitze

Wahrscheinlich liegt es an Zahns Vergangenheit, dass sie auf das Thema trotzdem recht pragmatisch schaut. Als die damals 23-Jährige ihre Karriere bei der Sparkasse Ueckermünde startete, war die Mauer drei Jahre zuvor gefallen. „Dass Frauen arbeiteten, auch in Führungspositionen, und Kinder von klein auf ganztägig betreut wurden, war ja in den neuen Bundesländern selbstverständlich“, erinnert sich die gebürtige Sächsin.

Im Jahr 1990 habe der Frauenanteil bei der Sparkasse 98 Prozent betragen. Aber selbst rund 30 Jahre später hat das noch Folgen.

In Ost-Deutschland liegt die Frauenquote in Sparkassen-Vorständen mit 9,8 Prozent fast doppelt so hoch wie in Westdeutschland mit 5,2 Prozent. Klare Nummer eins mit knapp 39 Prozent ist Mecklenburg-Vorpommern, wo auch die Sparkasse Uecker-Randow sitzt, 1995 aus der Fusion von Sparkasse Ueckermünde und Sparkasse Pasewalk entstanden.

Mut, Durchhaltevermögen und Ehrgeiz sind wichtig

Vier Vorstände (davon drei aus Westdeutschland) begleiteten damals den Zusammenschluss der Institute. Aus Altersgründen schieden diese jedoch nach und nach aus und schauten sich deshalb nach einer Nachfolge in den eigenen Reihen um. Eine Chance, die die Diplomkauffrau gut zu nutzen wusste. „Ich hatte im Service und in der Kundenberatung gearbeitet sowie den Bereich Marketing aufgebaut, aber für einen Vorstandsposten fehlten mir noch Erfahrungen in wichtigen Bereichen wie Firmenkunden und Eigenhandel“, sagt Zahn.

Doch der amtierende Vorstand stärkte ihr den Rücken, sodass sich die ambitionierte Mutter einer kleinen Tochter für die Aufgabe fit machen konnte - und das nicht nur im eigenen Haus.

Auch Stationen bei einer Sparkasse in Erfurt und dem Ostdeutschen Sparkassenverband in Berlin gehörten zur „Ausbildung“ und damit mehrere Umzüge. „Für solche Aktionen benötigen sie Mut, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und, ganz wichtig: einen Partner, der mitzieht.“ Ausgezahlt haben sich ihre Flexibilität und Veränderungsbereitschaft allemal.

Digitalisierung vorangebracht

2012 rückte Zahn an die Spitze der Sparkasse Uecker-Randow mit Sitz im beschaulichen Pasewalk, unweit der polnischen Grenze. Mit Vorstandskollegin Susan Mirasch lenkt sie eine Sparkasse mit einer Bilanzsumme von zuletzt 830 Millionen Euro und acht Geschäftsstellen, die mit 146 Mitarbeitern vorrangig Kunden aus dem Mittelstand und Handwerk betreuen.

Wegen der Grenznähe spielt auch Polen eine wichtige Rolle fürs Geschäft. Allein 1560 Kunden haben dort ihren Sitz. Ihre Dienstleistungen hat die Sparkasse auf ihrer Website deshalb auch ins Polnische übersetzt, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Polen verstärken zudem das Team.

Seit 2012 an der Spitze der Sparkasse Uecker-Randow: Annett Zahn.

An Herausforderungen mangelt es aktuell nicht. „Für 2021 ist es mir besonders wichtig, den aktiven Vertrieb wieder anzukurbeln und uns als kleine Sparkasse weiterhin so stabil am Markt aufzustellen, wie uns dies bisher gelungen ist“, sagt Zahn, die das erste Corona-Jahr auch genutzt hat, um die Digitalisierung schnell voranzubringen.

Ihre Sparkasse gründete eine Direktfiliale, alle Mitarbeiter machten einen digitalen Führerschein. Die Fachbereichsleiter nahmen an einem ganzjährigen Führungskräftetraining teil und in allen Bereichen wurden Workshops zur Teambildung, Zielfindung, Verantwortung und Motivation durchgeführt.

Gesunde Mischung macht's

Angesichts eines Frauenanteils von 73 Prozent ist Frauenförderung nur ein Thema von vielen. „In unserem Haus gibt es seit vielen Jahren ein Nachwuchsführungsprogramm, mit dem wir interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für künftige Führungsaufgaben befähigen und die Lust auf die Übernahme von Verantwortung wecken möchten. Dabei unterscheiden wir nicht nach Geschlechtern.“

Für Zahn kommt es vielmehr auf Diversität an. „Eine gesunde Mischung in allen Bereichen von Mann und Frau, aber auch jung und alt, erfahren und neu ist wichtig, um gute Ergebnisse zu erzielen.“

Von einer Frauenquote hält Zahn deshalb wenig - und diese trotzdem für unerlässlich. „Es sollte in unserer Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein, dass Führungspositionen nach fachlicher Eignung und nicht nach Geschlecht besetzt werden“, findet die Sparkassenchefin. Dafür müssten aber vor allem die Voraussetzungen verbessert werden.

Dazu gehörten zum Beispiel die ganztägige Kinderbetreuung und auch die Akzeptanz, dass Männer Elternzeit nutzen. Dass Frauen für eine Karriere eine größere Durchsetzungskraft mitbringen müssen als Männer, findet auch Zahn.

Und doch ist es ihr mit Blick auf die MeToo-Debatte wichtig zu betonen: „Während meiner Karriere in der Finanzwelt habe ich als Frau wirklich nie schlechte Erfahrungen gemacht.“

Eli Hamacher
– 29. März 2021