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Hybrides Arbeiten
Wanderer zwischen den Welten
Viele möchten auch künftig nicht täglich im Büro arbeiten. Wie Sparkassen die mobilen und hybriden Arbeitsformen der Zukunft entwickeln.

Die Stadtsparkasse München hat mehr als 2000 Beschäftigte. Für jeden sei ein Arbeitsplatz da, „aber nie ist jeder Angestellte da“, sagt Moritz Segers, Projektleiter Homeoffice und Arbeitsplatzgestaltung. Viele Flächen seien kaum genutzt. Vor der Pandemie hat das Institut das hingenommen, wie viele andere Sparkassen auch. Jetzt betrachtet es Leerstände als Ärgernis.

Seit Ausbruch dem Corona-Ausbruch im Frühjahr 2020 haben viele Mitarbeiter des Münchner Hauses in den eigenen vier Wänden gearbeitet und ihre Büros über Wochen, ja Monate nicht gesehen. Vor allem im Frühjahr 2020 waren die meisten Räume in der Zentrale unweit des Marienplatzes und in den rund 60 Filialen verwaist. Der Gesetzgeber hatte eine Homeoffice-Pflicht für alle Arbeitnehmer erlassen, die daheim arbeiten konnten.

Heute hat die große Mehrheit der Beschäftigten Erfahrung mit mobilem Arbeiten, und viele wollen auch in Zukunft nicht mehr jeden Werktag am Präsenzarbeitsplatz verbringen. Projektleiter Segers entwickelt ein Konzept, das diese Erfahrungen aufgreift und neue Freiräume für mobiles Arbeiten schafft: „Je mehr Mitarbeiter diese Freiräume nutzen, desto weniger Büroräume werden in Zukunft benötigt“, so Segers erste Zwischenbilanz.

Viele möchten auch künftig daheim arbeiten

Mehr als die Hälfte aller Sparkassenmitarbeiter wünschen auch in Zukunft Homeoffice. Einige Institute können hierbei auf Betriebsvereinbarungen aufbauen, die sie bereits vor der Pandemie formuliert haben. Sie wollten so ihren Ruf als attraktive Arbeitgeber weiter festigen. Aber vor 2020 galten im Berufsalltag Arbeit zu Hause und unterwegs als Ausnahmen für wenige, die in Absprache mit Vorgesetzten und Kollegen ihr Privat- und Berufsleben besser vereinbaren wollten.

Heute ist mobiles Arbeiten für die übergroße Mehrheit der Beschäftigten ein Thema. Bei der Sparkasse KölnBonn können 2400 von 3700 Beschäftigten daheim arbeiten, bei anderen Sparkassen sind es noch mehr. Hybrides Arbeiten heißt das Stichwort. Der Arbeitnehmer entscheidet je nach beruflichen und privaten Präferenzen, ob er im Büro, daheim oder anderswo arbeitet. Der Arbeitgeber entwickelt Arbeitsmodelle, die auf die individuelle Situation möglichst vieler Beschäftigter Rücksicht nehmen.

Weil Sparkassen fast ausschließlich Büroarbeitsplätze haben, können sie den meisten Mitarbeitern ein attraktives Angebot für Mobile Working machen. Während der Pandemie haben in vielen Instituten 50 bis 70 Prozent der Beschäftigten vorübergehend oder dauerhaft zu Hause gearbeitet.

 

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Arbeitsplatz Küche – oft fehlt es Mitarbeitern daheim an geeigneten Räumen und Ausstattung.

Sparkassen können Aufwand und Kosten begrenzen

Einige Sparkassen haben ihr Personal sogar mit Incentives zum Daheimbleiben motiviert, etwa die Hamburger Sparkasse. Die Haspa stattete die Beschäftigten mit I-Pads für Kundengespräche, Video-Meetings, Online-Seminare und Mobile Working aus. Weil die Mitarbeiter sich mit diesem Arbeitsgerät möglichst schnell vertraut machen sollen, ist die private Nutzung nach Feierabend ausdrücklich erlaubt.

Jetzt sieht die Haspa die I-Pads als „wichtigen Meilenstein“ auf dem Weg zur „digitalen Bank mit den besten Filialen“. Gegenwärtig wertet das Institut eine innerbetriebliche Umfrage über mobiles Arbeiten aus. Anschließend soll mit dem Betriebsrat über deren künftige Ausgestaltung gesprochen werden.

Das bedeutet nicht unbedingt hohe Investitionen. Mit Desksharing-Angeboten können Sparkassen Kosten und Aufwand in Grenzen halten. Wenn Mitarbeiter nur gelegentlich an den Präsenzarbeitsplatz wechseln, teilen sie ihn mit Kollegen. Als Konsequenz werden solche Sparkassen weniger Bürofläche benötigen. Wenn die baulichen Voraussetzungen eine Vermietung an Dritte erlauben, gibt es sogar zusätzliche Einnahmen. Wenn Häuser bislang angemietete Räume aufgeben, lassen sich Kosten sparen.  

Interne Mobilität dank Desksharing

Mit freiwerdenden Büroräumen beschäftigt sich auch Segers: „Wir planen für die Zukunft mit 63 Büroarbeitsplätzen für 100 Mitarbeiter“, sagt der ausgebildete Architekt. Viele Mitarbeiter werden also mobil arbeiten, wenn sie nicht gerade Urlaub haben, krankgeschrieben sind oder eine Weiterbildung absolvieren. Segers kalkuliert, dass die meisten Kollegen ein bis zwei Tage in der Woche im Homeoffice sind: „Die Entscheidung hierüber trifft jeder Mitarbeiter mit seiner Führungskraft“, so der Experte.

Der Mitarbeiter muss unter anderem auf eine stabile Netzinfrastruktur und eine vertrauliche Arbeitsumgebung achten. Näheres regelt die Betriebsvereinbarung. Segers nennt „interne Mobilität“ ausdrücklich als festen Bestandteil des Konzepts. Wenn Kollegen im Haus unterwegs sind, können sie kurzfristige Arbeiten per Desksharing erledigen oder sich hierfür in besondere Arbeitsecken zurückziehen.

 

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Arbeitsplatz Auto – für mobiles Arbeiten unterwegs brauchen Mitarbeiter Ausrüstung und Betriebsvereinbarungen.

Ansonsten steht und fällt die die Nachfrage nach mobilem Arbeiten mit den Arbeitsprozessen in den Abteilungen. Wenn in einer Stabstelle „lineare Arbeiten“ (Segers) für langfristige Ziele mit klaren Arbeitsteilungen überwiegen, werden Mitarbeiter in Zukunft feste Büroarbeitsplätze bevorzugen.

Doch in den Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit oder Vertrieb werden vor allem kurzfristige Projekte angestoßen. Hier werden die Mitarbeiter gerne Desksharing-Angebote nutzen, um neue Anregungen und Ideen, die in Meetings oder auf Videokonferenzen entstehen, sofort in Desktops oder Laptops eingeben zu können. An Lösungen, die beide Konzepte bündeln, führt deshalb kein Weg vorbei.

Die Sparkasse KölnBonn richtet deshalb für ihre Abteilungen feste Zonen in der Zentrale ein, wo sich jeder Mitarbeiter an jedem Arbeitstag seinen Arbeitsplatz aussuchen kann. Ansonsten hat die Sparkasse alle Arbeitsplätze so eingerichtet, dass sie von jedem Beschäftigten genutzt werden können. Das macht interne Mobilität ebenfalls möglich.

Wer arbeitet wann wo? Persönliche Präferenzen entscheiden

Mit solchen abteilungsspezifischen Lösungen wollen auch andere Institute punkten: „Jede Sparkasse sollte die Entscheidung über Mobile Working innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen in die einzelnen Unternehmensbereiche delegieren“, empfiehlt Wilhelm Ott, Personalleiter der Sparkasse Oberhessen. Gegenwärtig müssen die rund 800 Mitarbeiter des Friedberger Instituts ihren Arbeitsort noch mit den Bereichsleitern abstimmen. Für die Zeit nach der Pandemie kann Ott sich vorstellen, dass sie dieses Thema auch im Kollegenkreis regeln.

Auch die Sparkasse Oberhessen arbeitet zurzeit an einem langfristigen Konzept für mobiles Arbeiten, das unter anderem die Zahl der tatsächlich benötigten Präsenzarbeitsplätze kalkulieren soll. Viel hängt von der persönlichen Situation der Mitarbeiter ab. Angesichts eines Einzugsgebiets, das fast so groß ist wie das Saarland, kann sich Ott gut vorstellen, dass vor allem Mitarbeiter mit weiten Anfahrtswegen verstärkt Mobile Working nachfragen werden.

Co-Working-Spaces gibt es noch nicht überall

Während der Pandemie arbeitete jeder zweite Beschäftigte der Sparkasse zu Hause: „Die Mitarbeiter müssen klar kommunizieren, welche zeitliche Lösungen sie für die Zukunft wünschen, und die Führungskräfte müssen entscheiden, ob diese mit den jeweiligen Arbeitsprozessen vereinbar sind“, sagt Ott. Das Spektrum ist bereits jetzt groß. Viele sind offenbar mit ein bis zwei Tagen Homeoffice in der Woche zufrieden, andere arbeiten ausschließlich daheim oder wechseln sich mit ihren Kollegen wochenweise ab.

 

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Co-Working-Space Marktplatz 9 im nordhessischen Homberg. Auch außerhalb von Ballungszentren entstehen manchmal solche Arbeitsumgebungen, in denen auch Sparkassen Plätze mieten könnten.

Außerdem sollten alle Kollegen über das gleiche Equipment verfügen. Die Sparkasse Hessen wird wahrscheinlich dem Beispiel der Haspa und anderer Häuser folgen und die Mitarbeiter ebenfalls mit Laptops oder Tablets ausrüsten. Gegenwärtig nutzen viele eigene Hardware, die mit einem Security Token ihres Arbeitgebers ausgerüstet ist.

Ansonsten suchen Häuser noch nach Lösungen für Beschäftigte, die mobil arbeiten wollen, aber daheim auf Küche, Keller oder andere Provisorien ausweichen müssen. Eine denkbare Alternative wären Co-Working-Spaces, die Institute sporadisch oder dauerhaft bei externen Anbietern mieten. Allerdings gibt es solche Angebote bislang vor allem in Ballungszentren und nutzen nur jenen, die dort wohnen oder regelmäßig zu tun haben.

Stefan Bottler (Grafik: Shutterstock)
– 27. August 2021