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Gendergerechtigkeit / waswillstdumehr
Thomas sticht alle Frauen aus
Frauen sind in Führungspositionen der Finanzwirtschaft stark unterrepräsentiert. Neues lässt sich über diese alten Fakten kaum berichten. Auf rege Diskussion stößt es trotzdem.

Der Branchendienst Finanzszene.de hat jetzt die Gendergerechtigkeit bei Genossenschaftsbanken untersucht. Die Mehrzahl der Beschäftigten (nämlich 57 Prozent) bei den insgesamt 839 Instituten ist demnach weiblich. Auf Vorstandsebene ist das Verhältnis jedoch krass umgekehrt: Auf nur 88 Frauen (4,4 Prozent) kommen 1905 Männer.

Es gibt bei den Genossenschaftsbanken sogar mehr Vorstände mit dem Vornamen Thomas (handgezählte 93) als weibliche Vorstände insgesamt. Nicht weit dahinter sind Michaels (68 Vorstandsposten), Martins (62) und Jürgens (58) vertreten. Das Phänomen ist als „Thomas-Kreislauf“ mittlerweile sogar ein stehender Begriff.

Ähnlichkeit schafft Einseitigkeit

Sabine Schölzel, Vorstandsmitglied der Sparkasse Lüneburg, hat diesen Begriff in einem Interview mit der SparkassenZeitung so erklärt: „Bei der Rekrutierung sucht man nach Ähnlichkeit und größtmöglicher Reibungslosigkeit – und schafft damit Einseitigkeit.“

Vorstände entschieden sich bei Stellenbesetzungen für Kandidaten, die ihnen ähnlich sind, auch im Hinblick auf Alter, Ausbildung, Herkunft und sozialen Back­ground. Kurz gesagt: Ein Thomas stellt gern einen Thomas ein.

In der Sparkassen-Finanzgruppe sind die Verhältnisse nicht viel anders, wie wir im „Zahlenwerk“ der gedruckten Oktoberausgabe der SparkassenZeitung dargestellt haben. Demnach sind zwar 61,9 Prozent der Sparkassenbeschäftigten weiblich, aber auf den Führungsebenen unterhalb des Vorstands beträgt der Frauenanteil nur noch 26,7 Prozent, auf Vorstandsebene 5,8 Prozent.

 

61,9 Prozent der Sparkassenbeschäftigten sind weiblich, aber auf den Führungsebenen unterhalb des Vorstands beträgt der Frauenanteil nur noch 26,7 Prozent, auf Vorstandsebene 5,8 Prozent.

 

In Teilzeit arbeiten fast nur Frauen

Dabei ist in den vergangenen fünf Jahren der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder gestiegen, und zwar von 5,1 auf 5,8 Prozent, der Anteil weiblicher Führungskräfte unterhalb der Vorstandsebene stieg von 25,6 auf 26,7 Prozent. Dass Frauen in Führungspositionen seltener vertreten sind, liegt auch daran, dass Teilzeitstellen in den Sparkassen zu 92,5 Prozent weiblich besetzt sind, also weitaus häufiger als auf bundesdeutscher (80,4) und auf EU-Ebene (75,3 Prozent).

Wie die beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband gesammelten Zahlen zeigen, haben zwar mehr Frauen als Männer einen Abschluss als Bankkauffrau oder Bankfachwirtin. Bei noch höherer Qualifikation dreht sich das Verhältnis aber um: Es gibt mehr Bankbetriebswirte als Bankbetriebswirtinnen.

Qualifikation ist keine Aufstiegsgarantie

Bei der sparkasseneigenen Managementausbildung beträgt der weibliche Anteil nur 13,8 Prozent. Das zeigt: Wie bei den Beschäftigungsanteilen übersetzen sich auch die Qualifikationsanteile bei Frauen nicht in Führungspositionen. Frauen stellen in allen Qualifikationsgruppen weniger Führungskräfte, auch in solchen, in denen sie überwiegen.

Auch wenn sich an den Gegebenheiten in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert hat, stoßen Berichte über die ungleiche Verteilung der Führungspositionen immer wieder auf große Resonanz. Auch die Redaktion von "Finanzszene.de" war von der Fülle der Leserpost auf ihre Diversity-Recherche so überrascht, dass sie ihr einen eigenen Artikel widmet.

Der SparkassenZeitung ging es ebenso. Als wir vor einigen Jahren das erste große Interview zum Thema führten („Das Management bevorzugt die männliche Biografie“), erreichten uns ungewöhnlich viele Reaktionen von Lesern. Auffallend damals: Sowohl die interviewte Sparkassenmitarbeiterin als auch viele Leser wollten anonym bleiben.

 

Qualifikation und Weiterbildung sind zwar eine notwendige, insbesondere aber für Sparkassenmitarbeiterinnen keine hinreichende Bedingung für den Aufstieg in Führungspositionen.

 

Frauen sind in allen Altersklassen häufiger in Teilzeit beschäftigt als Männer und auch deshalb seltener in Führungspositionen anzutreffen.
Silvia Besner und Christoph Becker
– 13. Oktober 2020