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Dynamik statt Kreislauf
Sabine Schölzel gestaltet mit der Sparkasse Lüneburg eine Zukunft, die von schnellen Veränderungen geprägt ist. Dafür benötigt ihr Haus Eigenschaften, die die Vorstandsfrau selbst weit gebracht haben: Wechselbereitschaft und Durchhaltevermögen.

Frau Schölzel, Ihre Wahl zum Vorstandsmitglied der Sparkasse Lüneburg war die meistgelesene Personalie der SparkassenZeitung im vergangenen Jahr. Ist eine Frau im Vorstand eine derartige Sensation?

Sabine Schölzel: Es sollte im Jahr 2020 eigentlich keine Besonderheit mehr sein – aber bei einem Frauenanteil in den Sparkassenvorständen von nur rund fünf Prozent ist es das vielleicht tatsächlich noch.

Nach meinem Kenntnisstand wurden in den vergangenen zwei, drei Jahren 13 Vorständinnen bestellt, davon sechs im Verbandsgebiet Niedersachsen. Im gleichen Zeitraum dürften es um die 70 Männer gewesen sein, die den Sprung in den Vorstand geschafft haben. Zudem wurden rund 50 Vorstände zu Vorstandsvorsitzenden befördert und/oder sind an ein größeres Haus gewechselt.

Warum schaffen es nicht viel mehr Kolleginnen in eine Position wie die Ihre?

Vielleicht hilft uns bei dieser Frage die AllBright-Stiftung weiter, die sich für mehr Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft einsetzt. Sie hat eine Studie veröffentlicht, die unter dem Stichwort Thomas-Kreislauf bekannt geworden ist. Stellenbesetzungen erfolgen oft unbewusst nach stereotypen Rollenmustern.

Bei der Rekrutierung sucht man nach Ähnlichkeit und größtmöglicher Reibungslosigkeit – und schafft damit Einseitigkeit. Psychologen sprechen auch von „unconscious bias“, einem unbewussten Vorurteil, was aber natürlich kein männliches, sondern ein menschliches Phänomen ist.

Und was hat das mit Thomas zu tun?

Die Studie zeigte auch, dass im Jahr 2017 93 Prozent aller deutschen Vorstände von Dax-Unternehmen männlich waren, und es gab mehr Vorstände, die Thomas oder Michael hießen (49), als es insgesamt Frauen gab (46).

Diese Vorstände entscheiden sich bei Stellenbesetzungen wiederum für Kandidaten, die ihnen ähnlich sind, auch im Hinblick auf Alter, Ausbildung, Herkunft und sozialen Back­ground: der Thomas-Kreislauf. Im Fokus sollte stattdessen aber die Potenzial- und Leistungsbeurteilung stehen.

Bei der Besetzung von Stellen sucht man oft nach Ähnlichkeit und größtmöglicher Reibungs­losigkeit – und schafft damit Einseitigkeit, sagt Sabine Schölzel.

Was sollten Sparkassen besser machen, um weibliche Karrieren zu unterstützen?

Sie sollten den Frauen, die mehr berufliche Verantwortung übernehmen möchten, einfach die Möglichkeit dazu geben. Mehr Diversität auf den Führungspositionen bringt bessere Entscheidungen und damit mehr Erfolg.

Es liegt in der Verantwortung derjenigen, die aktuell die Stellen besetzen, die „gläsernen Decken“ abzubauen. Die Sparkasse Lüneburg konnte mithilfe konkret formulierter Ziele den Frauenanteil in den Führungspositionen von 27 im Jahr 2011 auf nunmehr 37 Prozent steigern.

Was haben Sie persönlich anders gemacht als andere Frauen?

Um diesen Karriereweg zu gehen, brauchte ich Wechselbereitschaft und Durchhaltevermögen. Meine persönliche Motivation ist die Selbstbestimmtheit. Ich vertraue meinen Stärken und lasse mich von Dritten nicht beirren.

Zudem habe ich mir über die Jahre ein tolles Netzwerk mit positiven, unterstützenden Menschen aufgebaut. Dazu gehören vor allem die S-FIF, die „Sparkassen-Frauen in Führung“ – eine Gruppe, die sich im ehemaligen Mentoring-Programm des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands gefunden hatte.

Flexibilität und Ausdauer fordert auch Corona von den Sparkassen. Seit drei Monaten herrscht nun Krisenmodus. Berichten Sie uns aus dem Alltag des Vertriebsvorstands.

Seit Beginn der Coronapandemie waren viele Entscheidungen zu treffen. Die allererste betraf unsere Jahresauftakt-Veranstaltung mit rund 500 Mitarbeitenden am 4. März. Wir haben uns zwei Tage zuvor schweren Herzens dazu entschieden, die Präsenzveranstaltung abzusagen. Stattdessen haben wir mithilfe unseres IT-Managements innerhalb von 48 Stunden ein Video gedreht, das alle Inhalte vermitteln konnte.

Per Intranet wurde es der Belegschaft zur Verfügung gestellt. Mit der Anwendung „TedMe“ konnten die Mitarbeitenden uns in den darauffolgenden Tagen anonym ihre Fragen zu den angesprochenen Themen stellen. Diese haben wir dann wiederum per Video beantwortet. Inzwischen ist der Krisenmodus schon zum Alltag geworden.

Wurde ein Krisenstab gegründet?

Ja, eine Fünferrunde, bestehend aus dem Leiter des Corona-Krisenstabs, dem zweiköpfigen Vorstand, der Pressesprecherin und einer Mitarbeiterin des Vorstandssekretariats. Wir tagten von Anfang März bis Mitte Mai täglich telefonisch. Seit Mitte Mai reichen uns ein bis drei Sitzungen pro Woche, und wir benötigen auch keine ganze Stunde mehr.

Ergänzend zum Krisenstab gab es eine Task-Force Firmenkunden und eine Task-Force Privatkunden. Ein Newsletter kommuniziert die Ergebnisse bei Bedarf übers Intranet. Für unsere Coronakommunikation haben wir viel positives Feedback aus der Belegschaft erhalten.

Wie haben Sie den Filialbetrieb aufrechterhalten?

Erfreulicherweise haben wir während der ganzen Zeit keine Geschäftsstelle schließen müssen. Für einige Wochen haben wir die Öffnungszeiten auf die Vormittage reduziert. Beratungstermine wurden aber weiterhin von acht bis 20 Uhr angeboten. Seit 11. Mai sind wir wieder mit den normalen Öffnungszeiten vor Ort.

Unsere Mitarbeitenden in den Filialen schützen wir mit Plexiglasscheiben, Einmalhandschuhen, Masken, Abstandshinweisen, Desinfektionsmittel und einer Intensivierung der Raumreinigung. Anfangs war viel Kreativität gefragt.

Die ersten Spuckschutz-Wände für den Service haben unsere Hausmeister in Eigenregie mit Schraubzwingen und Kabelbinder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gebaut. Ein Coup ist unserem Krisenstabsleiter bei der Beschaffung von 200 Litern Desinfektionsmittel gelungen, allerdings in Form von Zehn-Liter-Kanistern. Um eine Verteilung im Haus zu ermöglichen, musste dann doch in kleinere Behälter umgefüllt werden.

Wie geht es Ihren Firmenkunden?

Die Betreuung unserer Firmenkunden hat einen sehr hohen Stellenwert. Zurzeit haben wir bei 560 von 22.900 Darlehenskonten eine Tilgungsaussetzung vereinbart. Das entspricht etwa 2,5 Prozent. Mit etwa 400 gewerblichen Kunden waren beziehungsweise sind wir hinsichtlich ihres coronabedingten Kapitalbedarfs im Gespräch. Das macht etwa 8,5 Prozent der gewerblichen Kundenverbünde aus. Das klingt prozentual nicht viel, führt aber bei den Firmenkundenberatenden und in der Marktfolge zu einer hohen Arbeitsbelastung.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter mit Doppelbelastung unterstützt?

Um den Eltern bei der Kinderbetreuung zu helfen, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Personalrat die Arbeitsbedingungen deutlich flexibilisiert. Dazu gehören neben der Möglichkeit zum Homeoffice auch die Ausweitung von Arbeitszeitbandbreiten und der Ankauf von Urlaubstagen und Arbeitsstunden. Zudem erhalten Eltern bei Bedarf ein Bestätigungsschreiben, welches ihnen bei der Beantragung einer Notbetreuung hilft.

Was glauben Sie: Ist das Gröbste schon geschafft – oder stehen die großen Herausforderungen noch bevor?

Organisatorisch haben wir mit Sicherheit das Gröbste geschafft und sind positiv überrascht, wie gut es uns gelingt, unter diesen Umständen den Geschäftsbetrieb ohne Einschränkungen aufrechtzuerhalten. Ein großes Lob geht da an unsere Mitarbeitenden, die sehr engagiert und flexibel sind. Das macht uns große Freude. Ich spüre auch eine gewisse Dankbarkeit für den sicheren Arbeitsplatz bei der Sparkasse, die ich in der Vergangenheit oft vermisst habe.

Für unsere Firmenkunden ist das Gröbste sicher noch lange nicht geschafft. Bei einigen hat die Coronakrise bereits vorhandene Schwierigkeiten verstärkt, anderen ist das Geschäftsmodell weggebrochen. Einige konnten sich aber sehr schnell auf die neuen Gegebenheiten einstellen und profitieren sogar. Vieles hängt davon ab, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Natürlich müssen wir mit Wertberichtigungen aus dem Kreditgeschäft rechnen und das sicher nicht nur in 2020.

Ein Bild aus den Tagen vor der Pandemie: Sabine Schölzel auf einer Fachtagung.

Die Krise hat so manchen Vorstand stärker ins Rampenlicht gerückt…

Natürlich gab es in den vergangenen Wochen entsprechende Presseanfragen. Einmal ging es auch um ein Foto: Die Zeitung wollte bekannte Menschen aus der Region anlässlich der Einführung der Maskenpflicht mit einer Maske auf der Titelseite in eine Collage bringen.

Und ich kann Ihnen sagen: Man erkennt wirklich niemanden auf der gesamten Seite! Zum Glück hat mir eine wunderbare Mitarbeiterin spontan eine „gelabelte“ Maske aus einer Sparkassen-Jute-Tasche genäht. So konnten wir die Anfrage wunderbar werblich nutzen.

Arbeiten Sie selbst im Büro oder zu Hause?

Genau wie unsere Kollegen in den Filialen bin ich die meiste Zeit vor Ort und arbeite im Büro. Wir haben sehr früh schon die beiden Vorstandsmitglieder räumlich von den stellvertretenden Vorstandsmitgliedern getrennt, damit wir immer handlungsfähig bleiben.

Sitzungen mit mehr als zwei Personen führen wir grundsätzlich telefonisch, teilweise mit Unterstützung von Screen-Sharing-Technologie durch. Das klappt erstaunlich gut und ist oftmals auch effizienter. Allerdings empfinde ich einen „Telko-Tag“ als deutlich anstrengender als das Präsenz-Pendant. Die Mimik und Körpersprache fehlen einfach.

Was lässt sich aus der Krise lernen? Soll es in Zukunft beispielsweise mehr Möglichkeiten zum Homeoffice und weniger Präsenzpflicht geben?

Wir haben in unserer Sparkasse auch vor Corona schon Homeoffice eingesetzt und verfügen deshalb über eine hohe Anzahl an Token. Bei 526 Mitarbeitenden hatten wir zu Beginn der Coronakrise 120 Einzel- und Team-Tokens im Einsatz. Das hat uns sehr geholfen, den Geschäftsbetrieb zu organisieren und die Mitarbeitenden beim Thema Kinderbetreuung zu unterstützen.

Die Rückmeldung der Kollegen ist sehr unterschiedlich. Einige arbeiten im Homeoffice deutlich effizienter, andere bringen ihre Bestleistung im Büro. Aber alle freuen sich darauf, endlich wieder in die Sparkasse kommen zu können und ihre Kollegen zu treffen. Toll ist, dass jetzt so viele die Erfahrung mit dem Homeoffice machen konnten. Wir haben in Bezug auf die digitale Befähigung der Belegschaft durch Corona einen großen Sprung gemacht.

Nach der positiven Erfahrung werden wir auch nach der Pandemie allen Mitarbeitenden ermöglichen, im Homeoffice zu arbeiten, sofern der Arbeitsplatz dies zulässt. Das ist nicht nur ein motivierender Faktor für die Mitarbeitenden, sondern wird auch Sachkosten reduzieren, da wir die Anzahl der Arbeitsplätze verringern können.

Hat auch der Vertrieb dazugelernt?

Ein Meilenstein ist für mich die Einführung des kontaktlosen Vertriebs. Wir haben viele Care-Anrufe bei unseren Kunden gemacht, was wirklich gut angekommen ist. Wo eine gute Kunden-Berater-Beziehung vorhanden ist, funktioniert Vertrieb durchaus auch telefonisch. Dennoch fehlt die Visualisierung. Aus diesem Grund setzen wir jetzt Screen-Sharing-Technologie in allen Vertriebseinheiten ein.

Dem persönlichen Gespräch werden wir immer den Vorzug geben, aber der stationäre Vertrieb kann jetzt auch kontaktlos. Das wird uns nach Corona auch den Zugang zu Kunden ermöglichen, die eine Beratung in unseren Räumlichkeiten nicht wahrnehmen können oder möchten.

Weitere positive Erfahrungen?

Insgesamt muss ich sagen, dass die gute Vernetzung in der Sparkassen-Finanzgruppe bei der Entwicklung von Lösungen sehr hilfreich und zeitschonend war. Besonders effizient war hierbei die Whatsapp-Gruppe der S-FIF (Sparkassen-Frauen in Führung). Hier bekam man bei einer Fragestellung innerhalb von wenigen Minuten jede Menge Ideen, Lösungsansätze und Mustertexte aus dem ganzen Bundesgebiet. An dieser Stelle möchte ich den Kolleginnen ganz herzlich für den sensationellen Support danken.

Was ist Ihr Ziel für die nächsten Monate?

Das wichtigste Ziel ist es jetzt, die noch fehlenden Provisionserträge aufzuholen. Ein gleichermaßen wichtiges Ziel ist es, die Sparkasse möglichst gestärkt in die Nach-Corona-Zeit zu bringen. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns bereits intensiv damit, welche positiven Erfahrungen wir gemacht haben, um diese in der Zukunft weiter auszubauen. Und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann wünsche ich mir, dass unsere Kunden sich noch lange daran erinnern, dass wir auch während der Coronakrise mit vollem Engagement für sie dagewesen sind.

Sabine Schölzel: „Ich wünsche mir, dass unsere Kunden sich noch lange daran erinnern, dass wir auch während der Coronakrise mit vollem Engagement für sie dagewesen sind.“

Zur Person: Sabine Schölzel (46) wurde im Mai vergangenen Jahres Vorstand der Sparkasse Lüneburg. Die gebürtige Mönchengladbacherin ist ein echtes „Sparkassen-Gewächs“.

Nach ihrer Ausbildung und ersten Jahren bei der Stadtsparkasse Mönchengladbach hatte sie Positionen bei den Sparkassen KölnBonn und Pforzheim Calw inne. Schölzel war außerdem Projektleiterin für den Innovationskreis der Sparkassen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Berlin. Seit 2016 leitete sie das Marktmanagement in der Sparkasse Landsberg-Dießen, wo sie Anfang 2019 stellvertretendes Vorstandsmitglied wurde.

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für den Lüneburger Vorstandsposten setzte sich Sabine Schölzel gegen mehr als 50 weitere Kandidaten durch. Ihr Ressort umfasst den gesamten Vertrieb, wobei die Schwerpunkte im Privat- und Gewerbekundengeschäft sowie in der Baufinanzierung und dem Private Banking liegen.

Die Neubesetzung war durch das Ausscheiden von Thomas Piehl notwendig geworden, der zur Sparkasse Holstein wechselte. Zu seinem Nachfolger als Vorstandschef hatte der Verwaltungsrat das bisherige Vorstandsmitglied Torsten Schrell bestimmt. Seine Position galt es neu zu besetzen.

Silvia Besner
– 15. Juni 2020