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Familienbewusstsein / waswillstdumehr
Geht’s der Familie gut, profitiert auch die Firma
Sparkassen, die in Vereinbarkeit von Familie und Beruf investiert haben, kommen oft einfacher durch die Krise. Die Sparkasse Bremen hat hierbei auch von ihrem Engagement in einem Unternehmensnetzwerk profitiert.


Wenn Unternehmen Kundenanfragen schnell und unbürokratisch beantworten wollen, machen sie eine Hotline auf. Am Telefon können geschulte Mitarbeiter mit einer persönlichen Ansprache kommunizieren und auf unerwartete Fragen sofort Antworten geben. Was sich für Kunden bewährt hat, ergibt auch für die eigenen Kollegen Sinn.

Das haben sich die Verantwortlichen der Sparkasse Bremen im Frühjahr 2020 gedacht. Als die Coronakrise ausbrach, richtete die Personalabteilung des Instituts eine Hotline für die über 1200 Angestellten ein. Von einer regen Nachfrage für völlig unterschiedliche Anliegen berichtet Dagmara Lomnicki, Senior Spezialistin Personalentwicklung des norddeutschen Instituts.

Hotline für Mitarbeiter intensiv genutzt

„Ein Mitarbeiter berichtete aufgewühlt von einem jüngeren Verwandten, der gerade an Covid-19 gestorben war“, erinnert sich die Personalexpertin. Auf solche Anrufe antwortete der Betriebspsychologe, auf die meisten anderen ein Mitarbeiter der Personalabteilung. Die meisten Kolleginnen und Kollegen hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Entweder hatten sie Fragen zu den beruflichen Folgen von Quarantäneanordnungen der Gesundheitsämter. Oder sie wollten wissen, wie sie Homeschooling am besten mit Homeoffice vereinbaren konnten, ob sie mit ihren Arbeitszeiten ins Minus gehen durften und wie viel Spielraum für die Erledigung ihrer Arbeit tatsächlich existierte.

 

„Die meisten Kolleginnen und Kollegen hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.“
Dagmara Lomnicki, Senior Spezialistin für Personalentwicklung bei der Sparkasse Bremen.


Teilzeitarbeit auch fern der Zentrale

Solche und andere Probleme konnte die Sparkasse Bremen auch deswegen überzeugend lösen, weil sie seit fast 20 Jahren Mitarbeiter mit familienfreundlichen Maßnahmen bindet. Jeder Vater beziehungsweise jede Mutter kann auf Teilzeitbasis arbeiten. Sie müssen dies jedoch nicht unbedingt in der Zentrale des 1825 gegründeten Institutes und seinen rund 80 Filialen tun.

Homeoffice bereits 2019 eingeführt

Seit 2019 gibt es unter dem Slogan „Mobiles Arbeiten“ Homeoffice auf Basis von Vertrauensarbeitszeit. Das heißt, der Mitarbeiter erfasst und gestaltet seine Arbeitszeit in Eigenregie und muss sich lediglich an den Ergebnissen messen lassen.

Außerdem hat die Sparkasse im „Familienbündnis“, einem Zusammenschluss mit der Bremer Heimstiftung, mehr als 200 Kita-Plätze im ganzen Stadtgebiet organisiert. Das Institut unterstützt auch regelmäßig Kinderfreizeiten und andere Ferienaktivitäten.

Vorstand macht sich stark für Teilzeitarbeit und Homeoffice

Solches Engagement ist auf rege Resonanz gestoßen. Knapp 40 Prozent der Mitarbeiter sind zwischen 30 und 45 Jahre alt, die weitaus meisten haben Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter und sind an dauerhaften Betreuungsangeboten interessiert. Wenn diese Mitarbeiter Teilzeitarbeit oder Homeoffice in Anspruch nehmen wollen, können sie sich der Rückendeckung des Vorstandsvorsitzenden Tim Nesemann sicher sein.

 

Treibende Kraft des Konzepts für mehr Familienbewusstsein:
Tim Nesemann, Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Bremen.


Der promovierte Mathematiker ist treibende Kraft des Konzepts für mehr Familienbewusstsein, er selbst bezeichnet die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Voraussetzung für eine „gelungene Work-Life-Balance“.

Nesemanns Engagement erregt auch außerhalb von Bremen Aufmerksamkeit: Als eines der ersten öffentlich-rechtlichen Institute wurde die Sparkasse der Hansestadt 2007 mit dem von der Hertie-Stiftung initiierten Zertifikat Beruf & Familie ausgezeichnet.

Impulse von anderen Unternehmen

Außerdem hat sie sich dem Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ angeschlossen, das die frühere Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHK), dem Bundesverband der Arbeitgeber (BdA), dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ins Leben gerufen hatte.

Über zehn Jahre hinweg haben sich die Bremer mit anderen Netzwerkteilnehmern über alte und neue familienfreundliche Maßnahmen ausgetauscht und laut Lomnicki viele wichtige Impulse erhalten. Im Nachhinein erwies sich dieser Prozess als eine gute Vorbereitung für die Coronakrise, was auch Kirsten Frohnert, die Projektleiterin von „Erfolgsfaktor Familie“, bestätigt. 

Gut vorbereitet, ohne es zu wissen

„Flexibilität ist Trumpf“, zitiert Frohnert einen alten Grundsatz. Betriebe, die mit Arbeitszeitkonten, Homeoffice, Job Sharing, Kinderbetreuung und anderen Maßnahmen arbeiten, konnten sich ihrer Erfahrung nach besonders schnell auf Lockdown, Quarantänen und anderen neuen Herausforderungen einstellen.  

„Viele Unternehmen waren vorbereitet, ohne es zu wissen“, fasst die Expertin eine Umfrage unter den rund 7000 überwiegend mittelständischen Mitgliedern des Netzwerks zusammen. Mehr als 25 Prozent der befragten Unternehmen haben demnach als Reaktion auf die Pandemie familienfreundliche Maßnahmen ausgeweitet. Auch der Betriebsalltag sei anders geworden.

 

„Viele Unternehmen waren auf die Coronakrise vorbereitet, ohne es zu wissen.“
Kirsten Frohnert, Projektleiterin im Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.


„In wirklich familienbewussten Unternehmen gibt es längst Regeln, wie Vorgesetzte Mitarbeiter auf Distanz führen und mit ihnen kommunizieren“, nennt Frohnert ein Beispiel. Jetzt müssten diese Unternehmen Kompensationen für Mitarbeiter entwickeln, die wegen der Besonderheiten ihres Arbeitsplatzes nicht im Homeoffice arbeiten können.

Ausgleich für Personen, die nicht im Homeoffice arbeiten können

„Auch diese Kollegen wünschen Zeitsouveränität“, sagt Frohnert und bringt flexible Schichtsysteme, Jobsharing-Konzepte, Arbeitszeitkonten, Vertretungsvereinbarungen und weitere betriebsspezifische Maßnahmen ins Spiel. In der Sparkasse Bremen ist dieses Problem indes wenig virulent.

Während des zweiten Lockdowns haben rund 90 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice gearbeitet. Der Empfehlung der Bundesregierung, möglichst viele Mitarbeiter in den eigenen vier Wänden arbeiten zu lassen, konnte die Sparkasse Bremen problemlos folgen. In der Zentrale und in den Filialen hielten lediglich Notbesetzungen die Stellung.

Mit Token und Laptop mobil arbeiten

Als systemrelevanter Dienstleister durfte die Sparkasse weiterhin zu den üblichen Öffnungszeiten Kunden empfangen. „Jeder Mitarbeiter kann mit Token und Laptop mobil arbeiten“, versichert Lomnicki. Weil als Folge der Umstellung auf Vertrauensarbeitszeit alle Mitarbeiter im Homeoffice über ihre Zeitfenster frei entscheiden, können sie ihre Arbeit auch früh am Morgen beziehungsweise spät am Abend erledigen.

Arbeiten auch am frühen Morgen oder späten Abend möglich

Die Sparkasse hat lediglich eine Kernarbeitszeit von sechs bis 22 Uhr festgelegt. Die Mitarbeiter konnten so Arbeits- und Betreuungszeiten einigermaßen gut vereinbaren. „Gerade mal zehn Kolleginnen und Kollegen haben 2021 Urlaub für die Betreuung ihrer Kinder beantragt“, versichert Lomnicki.

Auch wenn mancher vor allem deshalb auf Freistellung verzichten konnte, weil auch in Bremen Schulen und Kindergärten eine Notbetreuung anboten, durfte sich die Sparkasse einmal mehr in ihrem Konzept bestätigt fühlen.

 

„Wir haben versucht, bei Anträgen auf Teilzeitarbeit möglichst jeden Wunsch zu erfüllen, und unzählige Varianten entwickelt.“
Dagmara Lomnicki

 

„Wir haben versucht, bei Anträgen auf Teilzeitarbeit möglichst jeden Wunsch zu erfüllen, und unzählige Varianten entwickelt“, sagt Lomnicki. Als die Coronakrise ausbrach, arbeiteten nahezu alle Angestellten mit Familie mit ihren favorisierten Zeitvolumina und mussten diese lediglich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen.

Abteilungsleiter und andere Führungskräfte werden bewusst sensibilisiert

So viel Flexibilität war auch deshalb möglich, weil die Vorgesetzten ein offenes Ohr für die Anliegen ihrer Mitarbeiter hatten. Auf „Management Plus“-Seminaren, die zwei Mal im Jahr stattfinden, werden Abteilungsleiter und andere Führungskräfte für eine familienbewusste Personalführung sensibilisiert. Und ermuntert, mit eigenen Ideen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu fördern.

Auf diesen Veranstaltungen wurde auch das Angebot an Eltern kreiert, mit ihren Kindern in die Arbeit zu kommen, wenn keine alternatives Betreuungsangebot existiert. Die Sparkasse hilft dann, die Kleinen zu beschäftigen.

Ausgerechnet diese Lösung hat die Sparkasse für die Coronakrise allerdings verworfen. Den Verantwortlichen war das gesundheitliche Risiko einfach zu hoch. 

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Zum Thema:

Kreissparkasse Augsburg: Erfolg mit XXL-Urlaub

Mitarbeiter in familienbewussten Betrieben haben eine 30 Prozent höhere Motivation und eine 50 Prozent niedrigere Krankheitsquote als andere Mitarbeiter, zeigt eine vom „Familienpakt Bayern“ in Auftrag gegebene Studie. Dem Familienpakt, der vom Bayerischen Sozialministerium, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw), dem Bayerischen Industrie- und Handelskammertag e.V. (BIHK) und dem Bayerischen Handwerkstag e.V. (BHT)  initiiert wurde, gehören rund 1000 Unternehmen an.

Auch die Kreissparkasse Augsburg ist seit einigen Jahren Mitglied. „Von unseren Lösungen profitieren über Familien hinaus auch Mitarbeiter, die sich etwas Besonderes vorgenommen haben“, sagt Sabine Stölzle, Personalbetreuerin und Wirtschaftsmediatorin des Instituts.

 

„Vor allem das Modell Bonuszeit ist richtig eingeschlagen.“
Sabine Stölzle, Personalbetreuerin und Wirtschaftsmediatorin der Kreissparkasse Augsburg.


Bis zu sechs Wochen im Jahr Urlaub „hinzukaufen“

Die Bayern haben mit Teilzeitmodellen ab 20 Prozent ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. „Vor allem das Modell Bonuszeit ist richtig eingeschlagen“, berichtet Stölzle. Jeder Mitarbeiter kann bis zu sechs Wochen im Jahr Urlaub „hinzukaufen“, welche mit dem gesamten Jahreseinkommen verrechnet werden.

Wegen des niedrigeren Bruttogehalts haben die Mitarbeiter so auch steuerliche Vorteile. Das Konzept ist für alleinerziehende Mütter beziehungsweise Väter entwickelt worden, die für die Kinderbetreuung mehr als nur den Jahresurlaub benötigen.

Gerade in der Coronakrise kommt dieses Konzept gut an. Aber auch Mitarbeiter, die ein besonderes Projekt anpacken, nutzen gerne die Bonuszeit. „Mit diesem Konzept bereitete sich ein Kollege auf eine Segelflugweltmeisterschaft vor“, erinnert sich Stölzle.

Stefan Bottler
– 1. März 2021