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BBL_Homeoffice: Psychologische Auswirkungen (4)
Improvisation statt 120-Prozent-Lösung
Online-Vertrieb bleibt in Coronazeiten das Gebot der Stunde. Doch dazu braucht es innovative Ideen. Denn vieles funktioniert online anders als stationär.

Bei fast allen Sparkassen waren im letzten Jahr deutliche Veränderungen spürbar – mehr Onlinebanking, mehr Anrufe in den Servicecentern, mehr bargeldlose Zahlungen. Viele Kunden sind „digital gegangen“.

Das wirkt sich auch auf Beratung und Verkauf aus. Verkaufen ist nun einmal ein „People Business“ – und ohne direkten Kontakt zu den „People“ ist das Geschäft anders geworden, zumeist schwieriger.

Das persönliche Gespräch mit dem Kunden ist gerade für die Beratung komplexer Produkte wichtig. Das unverzichtbare Vertrauen lässt sich am besten im persönlichen Kontakt gewinnen. Und auch für den Berater ist der unmittelbare Eindruck vom Kunden wesentlich.

Durch die Kontaktbeschränkungen unter Corona hat die Nähe zum Kunden stark gelitten. Filialen waren geschlossen oder Kunden wollten von Terminen doch eher absehen. Und wenn man sich dann doch einmal gegenübersaß, war das Gespräch mit Masken wenig angenehm. Die Hälfte des Gesichts war ohnehin verdeckt. Oder man saß sich hinter einer dicken Plexiglasscheibe mit viel Abstand gegenüber.

Kaum Vertriebstipps von Kollegen

Ebenso kann es immer einmal gut sein, sich mit Kollegen zu beraten. Die kennen den Kunden oft auch, haben sich mit dem Produkt oder Prozess bereits beschäftigt und immer ein paar gute Tipps auf Lager. Wenn alle im Homeoffice sitzen, ist dieser zwanglose Austausch stark eingeschränkt. Und wenn man sich dann doch einmal in der Filiale trifft, stehen die wenigsten wie früher bei einer Tasse Kaffee zusammen. Obacht! Ansteckungsgefahr! Die Arbeit aus dem Homeoffice schwächt das Netzwerk in der Sparkasse, das Fehlen persönlicher Kontakte nagt nicht zuletzt auch an der Moral.

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Zwar gibt es viele Kanäle für die Kommunikation, aber die Qualität ist eine vollkommen andere. Die feinen Nuancen, die wir im direkten Ge­spräch wahrnehmen, lassen sich nur schlecht oder gar nicht digital transportieren.

Und dann braucht es den Zugriff auf alle relevanten Informationen. Dabei geht es in der Hauptsache zwar „nur“ um Technik, aber von der stabilen Verbindung bis zur Sicherheit der Daten bedeutet es doch eine große Herausforderung an Soft- und Hardware.

Durch Corona hat sich im Vertrieb (fast) nichts verändert

Vertriebszusammenarbeit schon vor Corona: Der gemeinsame Finanzpunkt von Sparkassen und Volksbanken.

Schon in der jüngeren Vergangenheit sind Kunden immer seltener in die Filialen gekommen – im Schnitt noch einmal im Jahr. Häufiger präsent sind die Servicekunden. Doch die machen kaum Freude, an ihnen kann eine Sparkasse nicht wirklich Geld verdienen.

Kosten senken ist schon seit Jahren die Parole. Weil sie sich nicht mehr gelohnt haben, sind ohnehin zunehmend Filialen geschlossen worden. Neuerdings tut man sich auch mit „den Blauen“ zusammen und betreibt die Filiale als „VolksSparkasse[1]“. Vorreiter sind hier etwa die Taunus Sparkasse oder die Sparkasse Tauberfranken. 

Etwa jeder zweite Kunde wickelt einen erheblichen Teil seiner Bankge­schäfte inzwischen online ab. Immer mehr Sparkassen arbeiten seit einiger Zeit mit Servicecentern. Kunden können hier mittlerweile eine Vielzahl von Geschäften abschließen.

Corona hat aufs Tempo gedrückt und Flexibilität gefördert

Geändert hat sich unter Corona die Geschwindigkeit der Veränderung. Auf einmal war vieles möglich, was vorher mindestens kritisch beäugt oder gar – typisch deutsch? – durch viele Bedenken ewig hinausgezögert worden war.

„Flexibel“ und „schnell“ waren die Stichworte der Stunde. Improvisieren und 80- statt 120-Prozent-Lösungen waren auf einmal möglich und sogar erfolgreich.

Sachbearbeiter konnten und durften ihre Aufgaben auch im Homeoffice erledigen. Kunden „stürmten“ die Hotlines oder die Online-Beratung. Mit Fastviewer oder sogar schon per Video-Kontakt war das direkte Gespräch mit dem Kunden weiterhin möglich, auch wenn man sich nicht gegenübersaß.

Viele Mitarbeiter haben all diese Veränderungen schnell und erfolgreich bewältigt. Das Geschäft ist in vielen Sparkasse unter Corona sogar richtig gut gelaufen.

Corona hat also eher als Katalysator für Entwicklungen gewirkt, die viele Sparkassen ohnehin schon in Angriff genommen hatten. Wenngleich mit mehr Ruhe und weniger radikal in der Umsetzung.

Corona hat auch gezeigt, dass die Mehrheit der Kunden flexibler und digitaler ist, als viele Sparkassen vermutet haben. Eigentlich wollen alle Kunden doch nur eine schnelle und einfache Lösung für ihr Anliegen, ob es eine Auskunft ist oder die qualifizierte Beratung.

Was kann (und muss) getan werden?

Mit Erklärvideos auf Youtube wie dem Azubi TV sind Sparkassen näher am (jungen) Kunden.

Man steigt nie zweimal in denselben Fluss – danach ist nichts jemals wieder so wie vorher. Eine Rückkehr zum alten Zustand gibt es nicht: Neue Gewohnheiten, Möglichkeiten und Erwartungen sind entstanden:

  • Warum soll man sich mühsam irgendwo treffen, wenn es doch gut online geht?
  • Wofür soll man ein Servicecenter aufbauen, wenn doch der Multikanalver­trieb gut funktioniert?

Verhalten passt sich flexibel an: Homeoffice war erst eine Umstellung. Ein paar Tage pro Monat hätten die meisten Mitarbeiter jetzt auch künftig gerne.

Kunden erwarten mehr denn je, dass ihre Bedürfnisse dann und dort befriedigt werden, wann und wo sie das wollen. Und zwar möglichst schnell und einfach!

Ebenso wollen Kunden ihre Sparkasse in den sozialen Medien finden – von professionell gemachten, aber einfach zu verstehenden „How to“-Videos auf Youtube bis zum Kauf von Produkten per Klick im Internet.

Digital ist es schwieriger, den Kontakt zum Kunden zu halten. Berater müssen erreichbar sein, mit ihren Kunden über die aktuelle Situation sprechen und sie mit relevanten Informationen versorgen.

Aktive Kommunikation ist gefordert. Die Neukundenakquisition kann ins Hintertreffen geraten, wenn sie weitgehend auf digitale Kanäle angewie­sen ist. Für den guten Draht zum Kunden müssen sich Sparkassen und Berater neue Formate einfallen lassen. Die Verlegung identischer Inhalte ins Internet dürfte nicht oder nur vorübergehend funktionieren. Sparkassen sind gefordert, Lösungen zu finden für:

  • Technik (zum Beispiel stabile Breitbandverbindungen oder die passende Infrastruktur);
  • einfachen und schnellen Zugriff auf Inhalte und Unterlagen;
  • neue Prozesse unter Beachtung der Erfordernisse der Regulierung (zum Beispiel für den Verkauf von Wertpapieren per Video);
  • Wahrung der Diskretion (auch im Homeoffice weiter in der Verant­wortung der Arbeitgeber);
  • Entwicklung digitaler Kompetenzen der Mitarbeiter.


Weitergebildete Berater als Coach für andere

Muster aus dem „klassischen“ Verkauf funktionieren nicht mehr wie ge­wohnt: Die über Jahre hinweg erworbenen und verfestigten Verhal­tens­weisen aus der Filiale und dem Vieraugengespräch müssen auf den doch eher distanzierten Kontakt per Telefon oder Video übertragen werden.

Sparkassen brauchen einen guten Plan, um schnell möglichst viele Berater „digital“ sicher zu machen. Das kann die Schulung einiger Mitarbeiter zum „Multikanalberater“ sein, wie sie etwa inzwischen die Akademien der Verbände anbieten.

Hier werden neben den Kenntnissen der relevanten Produkte und Proz­esse im Multikanalangebot die erforderlichen Kompetenzen im Einsatz der Technik und der digitalen Medien vermittelt.

Alle Berater werden die Sparkassen jedoch kaum in kurzer Zeit entspre­chend weiterbilden können. Dazu braucht es dann halt ein gutes Coa­ching-Konzept, mit dem die entsprechend fachlich und persönlich „aufgerüsteten“ Kollegen als Multiplikatoren im Haus wirksam werden. Gute Führungskräfte bringen sich aktiv in diesen Coaching-Situationen ein. Training und Coaching sollte ohnehin täglich praktiziert werden. Wegen der immer hohen zeitlichen Auslastung oder aus anderen Gründen fällt das jedoch häufig genug unter den Tisch:

  • Wann hat Ihr Chef Sie das letzte Mal in ein Verkaufsgespräch begleitet?
  • Die Frage richtet sich auch an die Führungskraft: Wann haben Sie denn zum letzten Mal mit Ihrem Mitarbeiter...?
  • Wie anders sollen Verbesserungen möglich sein?
  • Wie beurteilt man die Qualitäten eines Mitarbeiters in der Beratung?

Schon in Präsenzsituationen sind Antworten schwierig genug, online müssen neue Ansätze her.

Führungskräfte müssen wissen, wie ihre Mitarbeiter mit der neuen Situation zurechtkommen. Motivation ist wichtiger denn je und trotz des Abstands muss ein Chef wissen, in welchen Bereichen Mitarbeiter För­derung brauchen. Neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten – sie müssen aber genutzt werden.

Die Mitarbeiter sind gefordert mit mehr Flexibilität hinsichtlich Arbeitsin­hal­ten, dem Ort und auch der Arbeitszeit. Schneller als gedacht werden manche Tätigkeiten wegfallen, neue Aufgabenbilder werden entstehen. Den langjährig geschätzten Arbeitsplatz wird es unter Umständen nicht mehr geben und Kollegen wechseln schneller als früher üblich.

Gute Berater (und alle anderen) stellen sich der Herausforderung durch die rasante Digitalisierung ihres Umfeldes. Erfolgreich sind diejenigen, die sich geschickt anpassen und Lösungen entwickeln.

Eines bleibt immer gleich!

Maskentragen behindert persönliche Nähe: Umso wichtiger ist es da, Kunden mit ihrem Namen anzusprechen.

Social Distancing macht vieles schwieriger – keine Begrüßung mit Hand­schlag bei einem persönlichen Treffen oder noch mehr Abstand bei einer digitalen Beratung. Man sieht weniger vom anderen. Und, und, und... es ist nicht einfach.

Darum sind alle Verhaltensweisen, die Aufmerksamkeit zeigen und Nähe schaffen, noch wichtiger als ohnehin schon. Die Begrüßung darf weiter­hin aufmerksam und persönlich sein – der Name des Gesprächspartners ist „die halbe Miete“.

Fragen Sie den anderen, wie es ihm geht, bei besserer Bekanntheit können Sie auch gezielt persönliche Themen ansprechen. Hören Sie zu und gehen Sie auf die Antworten ein. Das ist digital ebenso möglich wie im persönlichen Gespräch.

Laden Sie den Kontakt mit Ihren Kunden emotional auf: Auch online kann man gemeinsam Kaffee trinken, vielleicht verschicken Sie vorab einen Becher und ein paar gute Kaffeebohnen. Mit ein wenig Fantasie fallen jedem interessante Alternativen mit persönlicher Note ein. Wichtigen Gesprächspartnern können Sie besondere Informationen auch über das Netz exklusiv zugänglich machen, der Experte der Dekabank oder andere Partner halten einen kurzen (!) Online-Vortrag, zu dem die Sparkasse exklusiv einlädt.

Seien Sie gut vorbereitet – gerade digital müssen Sie alle erforderlichen Unterlagen parat haben. Vor dem eigentlichen Gespräch haben Sie die Themen abgestimmt und können darum auf alle wichtigen Fragen antwor­ten.

Eventuell benötigte Kollegen stehen „Gewehr bei Fuß“ für Spezial­themen. Versuchen Sie nach Möglichkeit, alles in einem Termin zu erledigen. Wie im Internet wissen Kunden es zu schätzen, wenn sie möglichst wenige Klicks bis zum Ergebnis brauchen.

Gerade in neuen Situationen sind Rückmeldungen wichtig für den Erfolg. Reflektieren Sie Ihre Erfahrungen – positive und negative, tauschen Sie sich gezielt mit allen im Team aus und fordern Sie auch vom Chef Begleitung und Rückmeldung ein.

Fazit: Änderungen durch Corona?

Natürlich hat sich durch Corona vieles verändert – die Instrumente, die Zugangswege und vor allem das Tempo. Ein Teil der Veränderungen hatte sich allerdings schon lange angekündigt, vor allem die weiteren Schritte zu mehr Digitalisierung haben sich nur beschleunigt.

Im Kontakt mit dem Kunden bleibt vieles beim Alten, vor allem die wichtigen Bausteine der Beziehungsebene. Berater müssen sich allerdings flexibel auf den qualifizierten Einsatz neuer Techniken einrichten.

Autor
Reiner Neumann ist Trainer und Buchautor. Er berät auch viele Sparkassen.

 

[1] zum Beispiel https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/bank...-ist-komplett-doch-nachahmer-gibt-es-bislang-kaum/26996202.html (abgerufen am 19. März 2021).

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Reiner Neumann
– 22. April 2021