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BBL_Homeoffice: Psychologische Auswirkungen (1)
Gut geführt zu mehr Produktivität
Seit März arbeiten viele Sparkassenmitarbeiter im Homeoffice. Wie geht es den Menschen damit, welchen Einfluss hat es auf ihr Leben und ihre Arbeit? Wie entwickelt sich die Produktivität? Welche Anforderungen stellt die Arbeit im Homeoffice an Mitarbeiter und Führungskräfte? Eine mehrteilige BBL-Serie sucht nach ersten Antworten.

Corona hat uns – auch weiterhin – fest im Griff. Niemand weiß im Augenblick, wann sich unser Leben wieder normalisiert und wie es weitergeht. Das Virus hat auch etwas forciert, was seit Jahren diskutiert worden ist – die Arbeit im Homeoffice.

Die aktuelle Pandemie hat Veränderungen erheblich beschleunigt. Etwa jeder dritte Beschäftigte war im April 2020 im Homeoffice tätig.[1] Manches erst für die kommenden Jahre Geplante musste binnen weniger Tage realisiert werden.

Corona als Homeoffice-Beschleuniger

Für einige ein Traum, für andere ein Schreckgespenst: Mitarbeiter können Arbeitszeiten flexibler gestalten, der Weg ins Büro mit den morgend- und abendlichen Staus fällt weg. Der eigene Kaffee schmeckt auch besser.

Aber: Nicht wenigen fehlen inzwischen der vertraute Rahmen und die Kollegen. Online sind Besprechungen ganz anders als in der gewohnten Sparkassenumgebung. Führungskräfte haben Angst, dass die Arbeits­ein­stellung leidet, andere vermissen den direkten „Zugriff“ auf die Mitarbeiter.

Viele Sparkassen begrüßen die schnellen Fortschritte in der Digitalisie­rung – vieles war schneller und einfacher umzusetzen als gedacht (siehe siehe dazu Abb. 1 und 2). „So viel Homeoffice und Telefonkonferenzen wären vorher bei uns undenk­bar gewesen... Auch nach der Krise wird ein erheblicher Teil der Mitar­beiter nicht zu 100 Prozent in der Sparkasse sein“, so exemplarisch Peter Scholten, Vorstand der Sparkasse Rhein-Nahe.[2]

Funktion von Homeoffice in Coronazeiten

Was macht Corona mit Unternehmen und Mitarbeitern? Studien gibt es dazu inzwischen einige. Für die DAK[3] haben die Forschungsinstitute Iges und Forsa im Dezember 2019 rund 7000 Beschäftigte und im April 2020 davon rund 5500 Personen ein zweites Mal befragt.

Wenig überraschend hat für viele der Anteil der Arbeit im Homeoffice deutlich zugenommen. Bei Banken, Versicherungen und IT-Dienstleis­tern hat sich für mehr als drei von vier Beschäftigten das digitale Arbeiten deutlich ausgeweitet.

Etwa jeder Dritte arbeitet mehrmals in der Woche von zu Hause. Die Akzeptanz ist – dadurch? – besser geworden: War es vorher etwa jeder Dritte, so ist es inzwischen jeder Zweite, der digitales Arbeiten attraktiv findet. Von den Homeoffice-Erfahrenen möchten mehr als 70 Prozent diese Möglichkeit auch künftig nicht mehr missen.

Besonders geschätzt wird der Zeitgewinn, weil die Fahrten zum Arbeits­platz weggefallen. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird ebenfalls hervorgehoben.

Genau hier steht allerdings auch eine Falle: Fast jeder Zweite vermisst die einfache(re) Trennung zwischen Job und Freizeit. Drei Vierteln der Befragten fehlt der direkte Kontakt mit Kollegen. Ähnlich viele bemängeln ferner, sich nicht mehr schnell und direkt mit Vorgesetzten austauschen zu können.

Diese Aussagen werden durch eine Untersuchung der Universität Kon­stanz[4] gestützt. Grundlage ist eine Befragung von rund 700 Beschäf­tigten im Homeoffice über neun Zeitpunkte hinweg. Die Autoren resümie­ren, „dass die empfundene Produktivität und das Engagement der Beschäftigten durch die Arbeit im Homeoffice gefördert werden und sich eine große Mehrheit wünscht, zumindest teilweise weiterhin mobil zu arbeiten“ – mehr als die Hälfte will das.

Man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerbrechen: Moniert wer­den von den Befragten auch in dieser Studie die soziale Isolation sowie ein höheres Maß an emotionaler Erschöpfung. Nur knapp die Hälfte be­wertet die fachliche und vor allem schnelle Unterstützung durch die IT als ausreichend und auch etwa jeder Zweite wünscht sich deutlich mehr Unterstützung durch seine Führungskraft.

Produktivität im Homeoffice umstritten

Thomas Hellerich (CEO Samhammer): „Produktivität, Effizienz und Qualität sind in unserer Firma sogar noch gestiegen, was wir nie erwartet hätten.“

Laut der Iges/Forsa-Umfrage für die DAK sind mehr als 90 Prozent der Befragten mit der Produktivität im Homeoffice zufrieden. Fast jeder vierte Beschäftigte ist sogar sicher, im Homeoffice produktiver arbeiten zu können.[5] Auch die bereits erwähnte Konstanzer-Studie bestätigt, dass die empfundene Produktivität hoch ist. Kritisch einräumen muss man dabei, dass diese Ergebnisse auf der Selbsteinschätzung der Befragten beruhen.

Bei einem „BBL im Gespräch“ über Digitalisierung im Firmenkun­den­geschäft hat Thomas Hellerich (CEO Samhammer) zum Zusam­menhang von Corona und Homeoffice darauf hingewiesen, dass „Pro­duk­tivität, Effizienz und Qualität in unserer Firma sogar noch gestiegen sind, was wir nie erwartet hätten“.

Die Stiftung Familienunternehmen zeichnet nach einer vom Ifo-Institut bei 1097 Unternehmen durchgeführten Befragung dagegen ein anderes Bild: „Die Arbeitnehmerproduktivität im Homeoffice ist entgegen einer weit verbre­ite­ten Annahme nicht gestiegen.

27 Prozent der Unternehmen haben eine geringere Arbeitnehmerpro­dukti­vität durch das Homeoffice festgestellt. Gestiegen ist sie danach nur bei 5,7 Prozent. 30,4 Prozent der Unternehmen sehen eine gleichbleibende Produktivität.“[6]

Die Kurz-Expertise „Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice“ von Bonin et al für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales[7] hat unterschiedliche Befunde ermittelt:

  • In Summe scheinen die positiven Auswirkungen durch die Arbeit im Homeoffice dann zu überwiegen, wenn der größere Teil der Arbeit weiterhin im Büro geleistet wird. Die Mehrzahl der zitierten Quellen geht demnach von einer Steigerung der Produktivität bei den Beschäftigten aus, da außerhalb des Betriebs weniger Unterbrechungen der Arbeit vorkommen.

Umsetzung in Sparkassen

Sparkassen sollten konsequent schauen, welche Arbeiten (teilweise) für das Homeoffice geeignet sind und wie genau diese gestaltet werden. Für produktive Arbeit sind klare Regeln und Verabredungen erforderlich – das reicht von den Inhalten über die für einen Austausch genutzten Me­dien bis zur Verfügbarkeit des Mitarbeiters.

Homeoffice ist keine bezahlte Kinderbetreuung, aber genauso wenig bedeutet es durchgehende Ansprechbarkeit von acht bis 20 Uhr. Manch gewohnte Abläufe lassen sich nicht einfach eins zu eins ins Homeoffice übertragen – eine Videokonferenz ist anstrengender als eine Besprechung vor Ort. Schon die Zeitplanung muss sich daran orientieren.

Die Zufriedenheit mit der Arbeit im Homeoffice ist eng damit verknüpft, dass die Arbeit zu ähnlichen Zeiten wie im Betrieb stattfindet. Bevorzugt wird die tageweise Arbeit von zu Hause aus. Homeoffice funktioniert, wenn es klare Vereinbarungen gibt über die Ziele und den Umfang der Arbeit, die Erreichbarkeit der Beschäftigten und wenn regelmäßige Anwesenheit im Betrieb den Austausch mit Kollegen möglich macht.[8]

Der Arbeitsplatz im Homeoffice muss hinsichtlich seiner Eignung (Ist ungestörtes Arbeiten möglich? Passt die Ausstattung?) unter die Lupe genommen werden und auch die IT muss natürlich stimmen – von der Datenverbindung bis zum Notebook. Noch wichtiger als die Ausstattung scheint den Mitarbeitern die Möglichkeit zu sein, bei Problemen mit der Technik schnell und einfach Hilfe zu erhalten.

Auch – und vor allem – wünscht sich die Mehrheit regelmäßigen Kontakt mit der Führungskraft. Nicht nur für das Emotionale, auch für die Produk­tivität ist der Austausch von großer Bedeutung. Remote-Führung ver­langt von den Vorgesetzten klare Absprachen, ein hohes Maß an Prä­senz und viel Fingerspitzengefühl im Miteinander.

Führung tut not – im Homeoffice umso mehr

Kommunikation ist der Schlüssel für den Erfolg des Teams, der Abtei­lung, des Unternehmens. Organisationswissenschaftliche Studien zeigen auch unabhängig von Corona immer wieder, dass ein großer Teil der Leistung im Unternehmen von der Zufriedenheit der Mitarbeiter bestimmt wird.

Und diese Zufriedenheit wiederum wird erheblich von den Führungs­qua­litä­ten der Chefs geprägt. Kommunikation ist der Weg, um Mitarbeiter einzubinden. So zeigen Sie Wertschätzung – so ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, sich zu engagieren. Das nennt man Motivation.

Flexibles eigenverantwortliches Handeln gelingt nur, wenn alle Beteilig­ten intensiv und kontinuierlich kommunizieren. Dieser Gedanke ist nicht wirklich neu. Er findet sich in der zielorientierten Führung à la Peter F. Drucker ebenso wie in den partizipativen Führungsmodellen. Erfolgreiches Handeln ist nur mit motivierten, sich selbst steuernden Mitarbeitern möglich. Gutes Führen bedeutet Rahmenbedingungen für das Handeln der Mitarbeiter, Coaching, Kommunikation zu schaffen und Vorbild sein.

In einer Krise wie der aktuellen gilt das mehr denn je. Pandemie schafft Hysterie – natürlich gilt es, aufmerksam und achtsam zu sein. Es gibt jedoch keinen Grund zur Panik oder für Verschwörungstheorien. Viele Menschen sind in der aktuellen Situation ängstlicher.

Sprechen Sie gezielt die Gefühle Ihrer Mitarbeiter an. Unsicherheiten und Fragen verlangen Aussagen und Antworten. Schon aus Rücksicht auf das Unternehmen, die Mitarbeiter, die Kunden. Informieren Sie regelmäßig – gerade die persönliche Ansprache ist wichtiger denn je. Eine Investition, die sich auszahlt!

Nutzen Sie Social Media – warten Sie nicht, bis die im Homeoffice Tätigen wieder einmal ins Büro kommen. Skype oder Zoom, Facetime und andere eignen sich hervorragend für die direkte Kommunikation, auch mit mehreren Parteien. Bilder verstärken Worte.

Möglich sind (interaktive) Newsletter oder Podcasts, eine „eigene“ App-Gruppe – seien Sie kreativ. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter Vorschläge machen. Seien Sie experimentierfreudig. „Stay hungry! Stay foolish!“[9] Und wenn es manche Technik im Unternehmen aktuell nicht gibt, lässt sie sich vielleicht kurzfristig einführen – und sei es als Test.

„Sprechen“ Sie regelmäßig mit Ihren Mitarbeitern – feste Termine helfen. Alle wollen gut informiert sein: Welche Handlungsfelder werden durch Corona beeinflusst? Wie entwickeln sich die Kennzahlen? Das interessiert auch die Mitarbeiter. Aus Eigeninteresse und aus Interesse am Unternehmen.

Bringen Sie Ihr Team nach Möglichkeit schnell auf den neuesten Stand. Nichts ist schlimmer als Unsicherheit. Gute Kommunikation ist schnell und regelmäßig. Wenn Sie wichtige Neuigkeiten haben – teilen Sie diese sofort, geben Sie ein Update, immer zu festen Zeiten. Formulieren Sie klare Botschaften – verständlich und auf den Punkt gebracht.

Denken Sie an die emotionale Komponente. Mitarbeiter wollen mehr als rein sachliche Informationen. Fragen Sie danach, wie sie sich fühlen, lassen Sie Menschliches und allzu Menschliches zu, leisten Sie auch selbst einen Beitrag. Zeigen Sie Empathie und agieren Sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl.

Fazit

Viele Mitarbeiter arbeiten inzwischen im Homeoffice – mehr oder weni­ger freiwillig. Die meisten kommen mit der Situation recht gut zurecht. Mit klaren Regelungen und guter Führung klappt das besser. Viele Mitarbei­ter wünschen sich, auch künftig einen Teil ihrer Arbeit zu Hause zu leisten. Für Sparkassen ist es die Chance, die Digitalisierung weiter voranzubringen.

Autor
Reiner Neumann ist Trainer und Buchautor. Er berät auch viele Sparkassen.

 

[1] Schröder, C. et al. (2020). Vor dem Covid-19-Virus sind nicht alle Erwerbstätigen gleich. DIW Aktuell 41: Berlin.

Reiner Neumann
– 15. Dezember 2020