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Immobilien
Wohneigentum verliert an Boden
Die Wohneigentumsquote lag 2018 nur noch bei 42 Prozent und ist damit rückläufig, zum ersten Mal seit 27 Jahren. Das ergibt eine Analyse von Empirica und LBS Research.

Im Jahr 2018 wohnten in Deutschland etwa 42 Prozent aller Haushalte im Eigentum –  ein Prozentpunkt weniger als vor fünf Jahren.

Dies ergebe eine Analyse der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts, teilt LBS Research mit. Die Bundesgeschäftsstelle Bausparkassen beim DSGV in Berlin hat die aktuelle Stichprobe gemeinsam mit dem Berliner Forschungsinstitut Empirica analysiert.

Die EVS werde alle fünf Jahre erhoben und ermögliche wegen der detaillierten Erfassung von Einkommens- und Vermögenskomponenten einen eingehenden Blick auf die Zusammenhänge der Vermögensbildung, teilt LBS Research mit.

Unterschiedliche Entwicklung in Ost und West

Auch drei Jahrzehnte nach der Wende sei die Entwicklung der Wohneigentumsbildung nicht ohne eine Ost-West-Differenzierung zu erklären. Die alte Bundesrepublik habe beim Wohneigentum in den 1980er-Jahren noch große Fortschritte gemacht. Im Nachwende-Westdeutschland habe es aber schon Ende der 1990er-Jahre erste spürbare Dämpfer gegeben.

In Ostdeutschland sei der Erwerb von Wohneigentum erst nach der Wiedervereinigung zu einer echten Option geworden. Es habe ein kräftiger Aufholprozess eingesetzt, der jedoch mittlerweile ins Stocken geraten sei. Mit gut 36 Prozent lag die Wohneigentumsquote in Ostdeutschland im Jahr 2018 nach wie vor um einiges unter jener von knapp 45 Prozent in Westdeutschland.

Mit gut 36 Prozent lag die Wohneigentumsquote in Ostdeutschland im Jahr 2018 nach wie vor um einiges unter jener von knapp 45 Prozent in Westdeutschland.

Die zuletzt schleppende Entwicklung ist laut LBS Research allerdings kein ostdeutsches Spezifikum, sondern basiert auf gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Phänomenen, die in ganz Deutschland zu finden seien. Es fehle vor allem an Nachwuchseigentümern. 

Dass der Anteil der 70- bis 79-Jährigen in Wohneigentum – wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus – in West und Ost im Laufe der vergangenen 20 Jahre kräftig gestiegen sei, beruhe auf einem Generationeneffekt: Westdeutsche Senioren von heute hatten es in jüngeren Jahren vor allem dank ihres Wohlstandsvorsprungs leichter als die Kriegsgenerationen, zu Wohneigentum zu kommen.

Die meisten westdeutschen Senioren wohnen auch jetzt noch in jenem Häuschen, das sie oftmals in den 1970er-Jahren gebaut haben. Mit einer Wohneigentumsquote von 58 Prozent übertrafen die 70- bis 79-Jährigen 2018 alle anderen Altersgruppen in Westdeutschland.

Vor 20 Jahren hatten erst 15 Prozent der ostdeutschen Rentner Wohneigentum

Im Osten der Republik ist es nach der Wiedervereinigung zumindest einigen der heutigen Rentner noch gelungen, Wohneigentum zu erwerben. Heute leben immerhin 36 Prozent der 70- bis 79-Jährigen im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, vor 20 Jahren waren es erst 15 Prozent. Dass die vergleichsweise kurze Zeit bis zum Ruhestand nicht reichte, um noch den Sprung auf westdeutsches Niveau zu schaffen, versteht sich.

In den jüngeren Altersgruppen ist der Ost-West-Unterschied über die Jahre zwar kräftig gesunken, allerdings ist hier wie dort vor allem die nachrückende Generation weit weniger erfolgreich bei der Wohneigentumsbildung als die Generation ihrer Eltern.

Die eine oder andere Immobilienerbschaft könnte das Bild noch etwas korrigieren, dennoch drohe sich der auch als Kohorteneffekt bezeichnete Einflussfaktor in seiner Wirkungsrichtung umzukehren, so LBS Research.

Das zeigten die Schwierigkeiten der derzeitigen über 30-Jährigen, vom Mieter zum Eigentümer zu werden. Im Jahr 2008 hatten 34 Prozent der Ostdeutschen und 37 Prozent der Westdeutschen im Alter von 30 bis 39 Jahren den Sprung ins Wohneigentum schon geschafft, zehn Jahre später galt dies nur noch für 25 beziehungsweise 30 Prozent in diesem Alter.

Mit einer Wohneigentumsquote von 58 Prozent übertrafen die 70- bis 79-Jährigen im Jahr 2018 alle anderen Altersgruppen in Westdeutschland. Im Osten sind Wohneigentümer eher im mittleren Alter.

Der Rückgang der Wohneigentumsquote in der nächsthöheren Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen falle nicht ganz so dramatisch aus, ist aber laut LBS Research ebenso symptomatisch. Auch diese mittlere Generation habe Schwierigkeiten bei der Wohneigentumsbildung.

Paare mit minderjährigen Kindern seien zwar unverändert mit Abstand am häufigsten von allen Haushaltstypen selbst nutzende Wohneigentümer, sie wohnten inzwischen aber nicht mehr ganz so oft in den eigenen vier Wänden.

Waren es 2008 in Westdeutschland fast 73 Prozent der Familien, sind es heute nur noch knapp 69 Prozent. In Ostdeutschland sieht es ähnlich aus. Kinderlose und Alleinerziehende wohnen öfter zur Miete. Nicht zu trennen sind die altersspezifischen Beobachtungen von veränderten und sich nach wie vor verändernden Lebensumständen.

2008 wohnten in Westdeutschland fast 73 Prozent der Familien im Eigentum, heute sind es nur noch knapp 69 Prozent. In Ostdeutschland sieht es ähnlich aus.

 

Was ist heute anders als früher? Laut LBS Research spielt die Akademisierung eine Rolle. Viele junge Leute studieren und streben eine höhere berufliche Qualifikation an. Deshalb sind sie aus ländlichen Regionen in die Städte gezogen, möchten dort oft auch bleiben und arbeiten.

Viele jüngere Menschen pflegen Fernbeziehungen und gründen erst später eine Familie oder überhaupt nicht. Mit diesem Lebensstil sei zumeist ein langjähriges Mieterdasein verbunden.

Konsequenzen für die Politik

Daraus leitet LBS Research zwei politische Schlussfolgerungen ab: Familien benötigten weiterhin Unterstützung, um Kindern ein möglichst behütetes Leben in der Sicherheit des eigenen Hauses oder wenigstens der eigenen Wohnung ermöglichen zu können. Welche Vorteile beispielsweise ein Garten biete, habe nicht zuletzt die Erfahrung aus der Coronapandemie gezeigt.

Förderungswürdig sei die Wohneigentumsbildung aber auch, weil sie zugleich Vermögensaufbau bedeute und vor allem über das mietfreie Wohnen eine bedeutende Komponente der privaten Altersvorsorge darstelle. Wie groß der Vermögenseffekt tatsächlich ausfalle beleuchte der im kommenden Jahr erscheinende zweite Teil der Wohneigentums-Studie von Empirica für die Landesbausparkassen.

Der Eigentumserwerb scheitere vor allem daran, dass die Ersparnisse und damit das Eigenkapital vieler junger Familien nicht mit den explodierenden Immobilienpreisen Schritt gehalten habe. Daher sei das Baukindergeld durchaus der richtige Förderansatz gewesen, der eine Neuauflage in der kommenden Legislaturperiode verdiene.

LBS Research empfiehlt Freibetrag für Ersterwerber bei der Grunderwerbsteuer

Mindern ließe sich der Eigenkapitalbedarf laut LBS Research auch mithilfe einer Reduktion der Erwerbsnebenkosten. Es biete sich etwa ein Freibetrag für Ersterwerber bei der Grunderwerbsteuer an. Gerade für Familien sei es wichtig, dass sie bei der Vergabe von Bauland nicht gegenüber dem Mietwohnungsbau benachteiligt werden oder durch eine zu restriktive Handhabe der Baulandausweisung überhaupt nicht mehr an günstige Flächen kommen können.

Die vielen jungen Menschen in den Städten, die den Zeitpunkt der Familiengründung teilweise immer weiter hinausschieben, brauchen zumindest einen Zugang zu Wohneigentum, auch um auf diesem Weg schon einen Einstieg in diesen Baustein der Altersvorsorge zu finden. Sparfähigkeit und Sparbereitschaft seien dazu nötig, aber auch erschwingliche Wohnungen, gerade in den besonders beliebten Schwarmstädten.

Auch vor diesem Hintergrund sei das zuletzt viel diskutierte und stark kritisierte Umwandlungsverbot – genauer gesagt: die weitere Begrenzung der Aufteilung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen – kontraproduktiv. An ausreichendem Neubau führe allerdings auch kein Weg vorbei.

Die EVS: Was hinter den Zahlen steckt

Für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts werden alle fünf Jahre rund 60.000 private Haushalte zu ihren Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnissen befragt – und das schon seit Anfang der 1960er-Jahre. Die EVS ist die größte repräsentative Erhebung auf freiwilliger Basis innerhalb der Europäischen Union.

Zuletzt fand sie im Jahr 2018 statt, die ersten Daten daraus wurden 2019 veröffentlicht, wissenschaftliche Sonderanalysen liegen seit 2020 vor. Einer der Befragungsschwerpunkte liegt auf der Wohnsituation und den Wohnkosten. Die Antworten auf diese Fragen wertet das Forschungsinstitut Empirica seit 1995 im Auftrag der Landesbausparkassen aus. Im Fokus steht dabei die Entwicklung der regionalen Wohn- und Vermögensverhältnisse sowie der Wohnkosten.

Die EVS ist als Datenbasis für solche Analysen besonders geeignet, weil sie anders als beispielsweise der Mikrozensus nicht nur eine grobe Selbsteinschätzung der Nettoeinkommen abfragt, sondern buchhalterisch eine Vielzahl von Einkommenskomponenten der einzelnen Haushaltsmitglieder ermittelt, darunter den Mietwert von selbst genutztem Wohneigentum, Einkünfte aus abhängiger und selbstständiger Beschäftigung, aus verschiedenen Vermögensarten, aus Untervermietung sowie aus staatlichen und privaten Transferzahlungen.

Darüber hinaus werden in der EVS anders als im Mikrozensus nicht nur die Wohnkosten von Mietern, sondern auch von Wohneigentümern erhoben, also Ausgaben für den Kauf von Grundstücken und Immobilien, Zinsen, Tilgung, Instandsetzungen und Modernisierungen. Im Mikrozensus wird zudem das Vermögen nicht abgefragt.

Last but not least erfasst die EVS sehr detailliert Konsumausgaben in zahlreichen Haupt- und Unterkategorien. Auf dieser Basis lässt sich unter anderem das unterschiedliche Ausgabeverhalten von Mietern und Eigentümern analysieren, insbesondere bei jungen Ersterwerbern.

Die Ergebnisse der aktuellen EVS-Analyse von empirica und LBS Research werden in Form einer mehrteiligen Studie veröffentlicht und sind auf den Seiten von LBS Research abrufbar.

6. Januar 2021