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Firmenkunden
Auf der Suche nach neuen Ertragsquellen
Das dauerhaft niedrige Zinsniveau schmerzt. Viele Häuser nutzen ihre Kontakte und entwickeln Vermittlungsgeschäfte auf Provisionsbasis, auch außerhalb des herkömmlichen Angebots.

60.000 Firmenkunden und 80.000 Beratungsgespräche pro Jahr – das Geschäft mit Unternehmen ist für die Hamburger Sparkasse (Haspa) eine wichtige Erlösquelle. Doch aus den Kontakten lässt sich mehr machen, sagt Vorstandssprecher Harald Vogelsang und entwickelt ein neues Geschäftsmodell.

HaspaConnect vermittelt künftig Geschäftskontakte auf Provisionsbasis. Der Start ist im März 2021 geplant. „Vermittelt die Haspa einen neuen potenziellen Kunden, fließt automatisch eine Provision in Höhe von 250 Euro, die dem Berater direkt zugeschrieben wird“, erklärt Sebastian Ritt, Produktmanager bei Haspa Connect.

Kommt tatsächlich ein Geschäft zustande, gebe es „noch etwas oben drauf“, sagt Ritt. Über alle Partner werden vorab Referenzen eingeholt. Komme ein Vertrag über HaspaConnect zustande, erhalte der vermittelte Kunde beim ersten Auftrag einen Rabatt. Das neue Konzept komme gut an. Bereits mit zwölf Anbietern aus der IT- und Human-Resource-Branche wurde in zwei Firmenkundencentern erfolgreich getestet.

Rechtsberatung, IT-Unterstützung, Personalsuche

Das liege auch an dem vielseitigen Dienstleistungsangebot von HaspaConnect. Rechtsberatung, Unterstützung bei der Digitalisierung, Suche nach Lagerarbeitern oder Fahrern und psychologische Hilfestellungen – die Einheit verfüge über ein umfangreiches Netzwerk, um passende Kontakte zwischen Unternehmen zu vermitteln. Haspa-Vorstandssprecher Vogelsang habe sich zum Ziel gesetzt, Firmenkunden über Bankthemen hinaus zu vernetzen.

Möchte Firmenkunden vernetzen, über reine Sparkassenthemen hinaus: Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang.

Dabei überlässt die Sparkasse – anders als vielen Portalen und Suchmaschinen – Geschäftspartnersuche und -auswahl nicht allein der Technik, sondern einem eigenen Personalteam. Besonders vorteilhaft für die Haspa-Connect-Mitarbeiter ist, dass die Sparkasse zu jedem zweiten Unternehmen in der Hansestadt Kontakte unterhält. Auf der Basis lässt sich beurteilen, welche Partnerschaften die besten wirtschaftlichen Erfolgschancen versprechen.

Nospa startet neues Geschäftsmodell

Thomas Menke, Vorstandsvorsitzender der Nord-Ostsee Sparkasse (Nospa) testet ein ähnliches Geschäftsmodell. Das Haus mit Sitz in Flensburg kooperiert mit dem Software-Anbieter Axilaris, Tochterunternehmen der Sparkasse Chemnitz, um Firmenkunden Beratung und Produkte zur Verbesserung von IT- Sicherheit und Management anbieten zu können.

Damit stößt die Sparkasse in ein wachsendes Marktsegment, denn der Digitalisierungsbedarf von Unternehmen nimmt deutlich zu. Doch häufig fehlen den Firmenchefs Zeit und Personal, um Sicherheit und Qualität ihrer Datenhaushalte zu verbessern.

„Wir befinden uns inmitten einer Transformationsphase zu einem neuen Wirtschaftssystem. Die Zeit der Zinsen ist vorbei, die Globalisierung ist durch Corona an ihre Grenzen gestoßen“, sagt Nospa-Chef Menke.

Sparkassen könnten dank regionalem Schwerpunkt und Kundenvertrauen erhebliche Wettbewerbsvorteile auch in anderen Dienstleistungsbereichen bieten, sagt der Sparkassenchef.

Innerdeutsche Cloud-Lösung sorgt für Kundenvertrauen

Die Nospa rechnet sich gute Chancen aus. Suchen Unternehmer passende IT-Lösungen, setzen die Firmenchefs gern auf bekannt-bewährte Partner. Die Sparkasse kann ihren Kunden eine German Cloud anbieten, also eine innerdeutsche IT-Server-Lösung. Das können die US-Wettbewerber Amazon oder Microsoft nicht.

Nospa-Vorstandschef Thomas Menke: „Wir befinden uns inmitten einer Transformationsphase zu einem neuen Wirtschaftssystem.“

Die Fachberater der Sparkasse sind für die Akquisition der IT-Kunden zuständig. Sie machen ihre Kunden auf den zunehmenden Bedarf bei IT-Infrastruktur und Software aufmerksam, vermitteln den Kontakt zu Axilaris und begleiten Finanzierungsprojekte.

Die Berater sprechen in erster Linie Kanzleien, Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und Gastgewerbe an. Weitere Kandidaten sind IT-Systemhäuser ohne eigenes Rechenzentrum. Zusätzlichen Rückenwind für den Vertriebsstart erhofft sich Nospa-Chef Menke von dem Mittelstands-Förderprogramm des Bundes „Digital Jetzt“.

Wie Sparkassen Provisionen steigern

Viele Sparkassen treiben in der derzeitigen Lage das Kreditwachstum voran und drücken auf die Kostenbremse. Doch wird das reichen? Angesichts wachsender Kreditrisiken und schwindender Eigenkapitalpolster suchen Häuser nach neuen Ertragsfeldern.

„Dauerhafte Niedrigzinsen gefährden das Geschäftsmodell der Sparkassen als Finanzdienstleister für die Realwirtschaft“, erklärt Thorsten Helbig, Partner beim Unternehmensberater zeb. Doch Firmenkunden brächten durchaus Interesse und Zahlungsbereitschaft für nutzenstiftende Angebote ihrer Hausbank mit.

Dazu gehörten beispielsweise spezielle lokale Dienstleistungen oder der Aufbau regionaler Plattformen: „Ziel ist es, den breiten Zugang zu Kunden und kommunalen Entscheidungsträgern sowie die eigene Expertise und Infrastruktur zu nutzen, um neue Erlösquellen zu erschließen“, erklärt Helbig.

Sparkasse Vorpommern als Mitgründer einer Waren-Plattform

Den Plattform-Weg geht zurzeit die Sparkasse Vorpommern. Vorstandschef Ulrich Wolff hat mit einem lokalen Partner „Gutes aus Vorpommern“ gegründet. Über die Plattform können Unternehmen aus der Region ihren Kunden Waren anbieten.

Die Sparkasse agiere dabei künftig als Zahlungsdienstleister, sagt Wolff: „Wir als Sparkasse Vorpommern stehen bereit, hierfür die Bezahlfunktionen abzubilden. Damit schaffen wir eine Möglichkeit, außerhalb des klassischen und tradierten Bankgeschäfts zu wachsen.“ Die Bezahlfunktionen sollten im Lauf des kommenden Jahres integriert sein und bereitstehen.

Ulrich Wolff, Vorstandschef Sparkasse Vorpommern und Mitgründer der Plattform „Gutes aus Vorpommern“: „Damit schaffen wir eine Möglichkeit, außerhalb des klassischen und tradierten Bankgeschäfts zu wachsen.“

Unabhängige Baufinanzierungsberatung bei der Sparkasse Leipzig

Die Sparkasse Leipzig ist ebenfalls auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Unter dem Motto „Sparkasse neu denken“ entwickeln Mitarbeiter des Instituts derzeit Ideen in der Immobilienfinanzierung.

Seit 1. Oktober bietet die Sparkasse Leipzig eine bankenoffene Beratung in der Baufinanzierung: „Unser Geschäftsmodell ist es, unser fachliches Know-how und die vertrauensvolle Nähe zu unseren Kunden mit den Vorteilen der unabhängigen Beratung zu verbinden, um noch erfolgreicher im Geschäftsfeld Baufinanzierung zu sein“, erklärt Katrin Berger, Vertriebsdirektorin Private Immobilienfinanzierung.

Nach den Erfahrungen der Sparkasse möchten Kunden Angebote vergleichen und dann das beste auswählen. Dank unabhängiger Beratung und des breiteren Angebots seien die Gespräche erfolgreicher zu führen. „Darüber hinaus sehen wir darin auch die Möglichkeit, das Baufinanzierungsportfolio noch aktiver zu steuern“, sagt Berger.

Fraspa mit neuen Services für Baufi-Vermittler

Die Frankfurter Sparkasse (Fraspa) wolle ihrem bewährten Geschäftsmodell grundsätzlich treu bleiben, sagt Vorstandschef Ingo Wiedemeier: „Wir sind für die Menschen da und persönlich ansprechbar, egal über welchen Kanal.“ Doch Nullzinsphase und weitere komplexe Rahmenbedingungen führten dazu, „dass wir Ideen für zusätzliche Ertragsquellen erarbeiten“, sagt Wiedemeier.

Will mithilfe des Tools S-Peg Baufi-Vermittlern das Leben erleichtern: Fraspa-Vorstandschef Ingo Wiedemeier.

Dazu gehöre bei der Fraspa seit Neuestem das Tool S-Peg: „Diese Anwendung haben wir mit den IT-Spezialisten von Fio Systems aus Leipzig entwickelt“, sagt der Vorstandschef. S-Peg erleichtere es Vermittlern von Baufinanzierungen, zinsfällige Darlehen bei der Fraspa frühzeitig und bequem zu attraktiven Konditionen zu verlängern. 

Dazu erhielten die Vermittler einen Überblick über die anstehenden möglichen Kreditprolongationen der nächsten 36 Monate, sodass sie ihre Kundschaft auf die anstehende Verlängerung ansprechen können, möglichst bevor die Konkurrenz das tut.

Voraussetzung sei, dass die Kunden dem zustimmten: „Wenn es um die Angebotserstellung geht, errechnet S-Peg bis zu drei Varianten eines Verlängerungsangebots und berücksichtigt dabei automatisch diverse Kombinationen aus Provision, Laufzeit und Tilgung. Diese Angebote können vom Vermittler individuell an den Kundenbedarf angepasst werden“, erklärt Wiedemeier.

Coworking-Space für Start-ups und Kleinunternehmen

Auch Patrick Kuchelmeister, Vorstandsmitglied der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, hat eine regionale Dienstleistung als neue Erlösquelle entdeckt und den Co-Working-Space CelleCreativ Coworking Betreibergesellschaft mitgegründet. Heute ist die Sparkasse Gesellschafter. Freie Büroflächen werden auch mithilfe eines Portals vermittelt. 

Patrick Kuchelmeister, Vorstandsmitglied Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg: Der Coworking-Space ergebe „positive vertriebliche Implikationen, die nicht nur auf das Provisionsergebnis einzahlen.“

Mit dem Coworking-Space habe die Sparkasse „einen wichtigen Anlaufpunkt insbesondere für Start-ups oder Klein-Gewerbetreibende in der Region geschaffen“, erklärt der Sparkassenvorstand, was sich auch in den Erlösen bemerkbar mache.

Insbesondere die Vernetzung mit den Nutzern ergebe „positive vertriebliche Implikationen, die nicht nur auf das Provisionsergebnis einzahlen“, sagt Kuchelmeister. Denn die Sparkasse erreiche nicht nur neue Kundengruppen. Sie werde auch als Netzwerk- und Finanzpartner in der Region positiv wahrgenommen.

Gregory Lipinski
– 10. November 2020