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Fintechs – Teil I
Kunde, Partner, Impulsgeber
Mehr als 700 Fintechs sind aktuell in Deutschland aktiv. Teil 1: Wie Sparkassen und die jungen Finanztechnologie-Experten zusammenarbeiten.

Fragt man die Deutschen, wer im Alter für ihre Rente aufkommt, dann lauten vier von fünf Antworten: nicht der Staat. Nur rund ein Fünftel setzt laut einer Studie Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung. Rund die Hälfte setzt hingegen auf die eigene Immobilie.

Wie sich das Haus auszahlen könnte, macht die Sparkasse Rhein-Nahe vor. Sie setzt selbst genutzte Immobilien ein, um die Altersvorsorge zu stärken, und hat sich dazu an der WIR Wohnimmobilien-Rente beteiligt, einem Hamburger Fintech zur Immobilienverrentung.

 

Die Sparkasse Rhein-Nahe setzt selbst genutzte Immobilien ein, um die Altersvorsorge zu stärken, und hat sich dazu an der WIR Wohnimmobilien-Rente beteiligt, einem Hamburger Fintech zur Immobilienverrentung.

Altersvorsorge per Eigenheim

„Über die Kooperation mit dem Start-up können wir diese innovativen Produkte künftig unseren Kunden anbieten und den Megatrend Immobilienverrentung aktiv gestalten“, sagt Peter Scholten, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Rhein-Nahe.

Dies ist möglich im Wege einer Umkehrhypothek (bei der das Geld schrittweise entnommen wird und der Kredit sich über die Zeit aufbaut), einer Leibrente (wobei die Immobilie verkauft wird, aber ein lebenslanges Wohnrecht bleibt) oder eines Teilverkaufs. Die beiden Partner erwarten, dass die Nachfrage nach Verrentungsprodukten künftig stark anzieht.

Es gebe sechs Millionen Immobilieneigentümer in Deutschland, die älter als 65 Jahre seien. Die Gruppe wachse und vielen Menschen reiche die gesetzliche Rente nicht. Nach seinem Kenntnisstand biete die Sparkasse als erstes Institut der Region das Produkt an, sagt Scholten.

Treiber statt Rivalen: Fintechs werden eher selten als Rivalen wahrgenommen. Sie sind für Kreditinstitute vielmehr als Kooperationspartner oder gar als Übernahmekandidaten interessant. 

Kein Mangel an Auswahl am Markt

Immer mehr Sparkassen arbeiten mit Fintechs zusammen. An Auswahl mangelt es in der schnell wachsenden Branche längst nicht mehr. In Deutschland lassen sich 712 Fintechs identifizieren, heißt es im Startup-Monitor von DSGV, Bundesverband Deutscher Startups und S-Kreditpartner, der kürzlich veröffentlicht wurde (Info weiter unten).

Seit Angang 2012 seien mehr als sechs Milliarden Euro Venture Capital in diesen Sektor investiert worden, heißt es in einer  Studie der Direktbank Comdirect.  

Aus Konkurrenten wurden Helfer

Waren Banken und Fintechs zunächst als Konkurrenten wahrgenommen worden, hat sich schnell gezeigt, dass beide voneinander profitieren können. Noch sitzt das Gros der Finanztechnologie-Experten in Berlin, doch Städte wie München, Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf holen auf.

Gut die Hälfte beschäftigt sich mit der Digitalisierung der Immobilienbranche (Proptechs), Finanzen und mit Versicherungen (Insurtechs). Weitere Themen sind Investment, Accounting und Blockchain.

Für Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV, steht fest: „Start-ups – und insbesondere Fintechs – liefern wichtige Impulse für die Sparkassen-Finanzgruppe. Viele dieser jungen Unternehmen unterstützen wir bei der Umsetzung ihrer Ideen – egal, ob es um die Finanzierung, Expertise oder unser Netzwerk geht.“ Daraus würden auch immer wieder innovative Services erwachsen, die man gemeinsam den Kundinnen und Kunden anbiete. 

 


„Start-ups – und insbesondere Fintechs – liefern wichtige Impulse für die Sparkassen-Finanzgruppe."

Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV.


Markteinblick über Fonds-Beteiligung

Doch wie gelingt es, in der mittlerweile recht unübersichtlichen Fintech-Branche die aus Sparkassensicht attraktiven Player zu ermitteln? Die Ostsächsische Sparkasse Dresden etwa hat sich dazu an einem Venture-Capital-Fonds aus Köln, der Capnamic Ventures Management, beteiligt. Mit im Boot sind auch die Kreissparkasse Köln und die Stadtsparkasse Düsseldorf.

„Nur auf Einzelinvestments zu setzen, ist aus unserer Sicht zu riskant. Über den Fonds partizipieren wir an einer größeren Streuung der Investments und bekommen Einblick in unterschiedlichste digitale Geschäftsmodelle“, erklärt Sebastian Thielmann, der bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden als Abteilungsdirektor die Bereiche Strategie und Innovation verantwortet.

„Höhle der Löwen“ für Studenten

So entstand unter anderem eine Kooperation mit dem Start-up Studentensteuererklärung aus Berlin. Auf dieselbe Zielgruppe zielt die Zusammenarbeit mit dem Fintech deineStudienfinanzierung. Die aus der „Höhle der Löwen“ bekannte Plattform erstellt individuelle Finanzierungsmodelle für das Studium und wurde als Produkt auch in die Internet-Filiale der Sparkasse integriert. 

 

Bekannt aus "Die Höhle der Löwen" hilft die Plattform "deineStudienfinanzierung" im Dschungel von Bürokratie und Fördertöpfen, eine individuelle Finanzierung fürs Studium zu erstellen. 


„Wir sponsern  zum Beispiel die Digital Hubs in Köln und Bonn, beides zentrale Anlaufstellen zum Thema Digitalisierung und Innovation für Unternehmen und für das Start-up-Ökosystem in der Region“, sagt Oliver Grabarz, Innovationsmanager Online bei der Sparkasse KölnBonn.

Sparkasse Bremen beteiligt sich an Etvas

Die Sparkasse Bremen geht einen Schritt weiter auf die Fintechs zu und beteiligte sich Anfang 2021 mit dem Frühphaseninvestor Main Incubator (Commerzbank), dem High-Tech Gründerfonds und dem US-Frühphasengeldgeber Plug and Play am Hamburger Fintech Etvas. Das 2019 gegründete Start-up bietet eine Technologieplattform an, mit der Banken und Versicherungen ihren Kunden zusätzliche Dienstleistungen offerieren können.

Seit September 2020 steht der Service bereits den Kunden der Bremer Sparkasse zur Verfügung. Er umfasst Dienstleistungen, die keine Bankdienstleistungen sind, aber dennoch thematisch gut dazu passen.

Hilfe, wenn die Wohnungstür zufällt

Als Beispiel nennt die Sparkasse den „Schlüsselpaten“: „Wer über uns eine eigene Immobilie finanziert, kann womöglich nicht mehr auf den Service seiner Wohnungsgenossenschaft zurückgreifen, wenn die Wohnungstür einmal zugefallen ist und kein Schlüssel zur Hand ist“, sagt Nils Andresen vom Kernteam Verkaufsförderung.

So passe dieses Angebot gut zur Finanzdienstleistung des Hauses, sei aber kein Teil davon. Weitere Angebote seien ein Identitätsschutz (Schutz vor Datenklau im Internet) und Things (Schutz vor Verlust von Lieblingsgegenständen). Die Verträge schließe der Kunde über die etvas-Plattform ab.

 

Fintech Startup Monitor:  
Drei Viertel kooperieren mit etablierten Unternehmen 

Mit ihren digitalen Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz und Blockchain sind Fintechs vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, heißt es im Fintech Startup Monitor 2021, den der Startup-Verband, der DSGV und S-Kreditpartner Anfang März vorgelegt haben. Damit sind sie nicht nur als Kooperationspartner, sondern auch als Firmenkunden interessant.

In der Öffentlichkeit bekannt sind vor allem B2C-Fintechs wie N26. Zwei Drittel ihres Umsatzes generieren die jungen Unternehmen allerdings im B2B-Bereich. 

Rund drei Viertel der Fintechs sind Kooperationen mit etablierten Unternehmen eingegangen. Im Schnitt haben sie 13 Partner, bei Startups allgemein sind es nur sieben.

Wie dynamisch sich die Branche entwickelt, belegen Fakten und Zahlen: Vier der 16 Unicorns (Marktbewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar) in Deutschland sind Fintechs: die Smartphonebank N26, Mambu (Anbieter von Kernbankensystemen), Wefox (Versicherungs-Startup) und Deposit Solutions (Open Banking Plattform für Einlagen).

Laut Fintech Startup Monitor konnten die Finanztechnologie-Experten wesentlich häufiger große Finanzierungsrunden (mehr als zehn Millionen Euro) abschließen als Startups allgemein.

Das Gros der Fintechs (76 Prozent) will in den kommenden zwölf Monaten internationalisieren.

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Beitrags:

Mehr als 700 Fintechs sind aktuell in Deutschland aktiv. Teil 2: die Hubs und Labs der Sparkassen-Finanzgruppe.

 

Eli Hamacher
– 15. April 2021