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Stiftungsrecht / Kommentar
Lieber keine als diese Reform
Das Stiftungsrecht müsse dringend reformiert werden, kommentiert Professor Ulrich Burgard von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Doch der vorliegende erste Entwurf sei undurchdacht, rückwärtsgewandt und bürokratisch.

Mitte September hat der lange ersehnte „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ das Licht der Fachöffentlichkeit erblickt.  In der Tat ist eine zukunftsweisende Stiftungsrechtsreform seit über 20 Jahren überfällig; schon das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts von 2002 war nur ein „Reförmchen“.

Dabei wächst der Reformdruck aus vielerlei Gründen von Jahr zu Jahr. Dementsprechend hoch gespannt waren die Hoffnungen; gewiss auch bei den Sparkassen: Mit 755 Stiftungen ist die Sparkassen-Finanzgruppe die stifterisch aktivste Unternehmensgruppe in Deutschland.

 

Befürchtet einen Rückschritt hinter das geltende Stiftungsrecht: Ulrich Burgard, Professor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Direktor des Forschungszentrums für Sparkassenentwicklung.

 

Allerdings zeigt schon der Titel des Entwurfs, dass er sich im Wesentlichen darauf beschränkt, diejenigen Bestimmungen der 16 Landesstiftungsgesetze, die materiell zivilrechtlicher Natur sind, in das BGB zu überführen und dadurch zu vereinheitlichen. Das ist wichtig und richtig.

36 Paragrafen voller Zumutungen

Dafür ist es aber nicht erforderlich, das gesamte Stiftungszivilrecht mit vielen neuen Begriffen umzuschreiben. Erst recht bedarf es keiner Neuregelungen, die in Wissenschaft und Praxis bisher niemand gefordert hat und die auch niemand will. Herausgekommen sind 36 Paragrafen voller Zumutungen, die – noch dazu übergangslos(!) – für alle Stiftungen gelten sollen:

  • Die Stiftung & Co. wird verboten.
     
  • Verbrauchsstiftungen sind nur noch mit einer festen Zeitdauer zulässig.
     
  • Stiftungssatzungen dürfen nur noch von den Vorschriften des Gesetzes abweichen, wenn dies ausdrücklich gestattet ist; selbst Ergänzungen, die dem Gesetz nicht widersprechen, sind offenbar nicht erlaubt.
     
  • Durch die vielen, noch dazu oft unklaren Ge- und Verbote des Gesetzes wird der Anspruch auf Anerkennung faktisch ausgehöhlt.
     
  • Die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung kommt nur bei endgültiger Unmöglichkeit der Zweckerfüllung in Betracht.
     
  • Die insgesamt neun (!) Vorschriften zur Zu- und Zusammenlegung von Stiftungen sind derart eng gefasst, dass solche Vorhaben noch schwieriger umzusetzen sein werden als bisher.
     
  • Ein Recht des Stifters auf Änderung der Satzung „seiner“ Stiftung wird nicht eingeführt.
     
  • Künftig soll es nur noch auf den historischen, nicht mehr den mutmaßlichen Stifterwillen ankommen, wodurch Stiftungen – zumal im Zusammenwirken mit den übrigen Regeln des Entwurfs – erheblich unflexibler werden.
     
  • Die Vorschriften über das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung sind hoch kompliziert und kaum verständlich.
     
  • Der Stiftungszweck darf nur noch mit den Nutzungen des Grundstockvermögens erfüllt werden, nach dem Wortlaut des Entwurfs also nicht mehr mit Zuwendungen! Auch Umschichtungsgewinne dürfen grundsätzlich nicht mehr zur Zweckverfolgung, ja nicht einmal mehr zur Kapitalerhaltung eingesetzt werden, sondern erhöhen kraft Gesetzes das Grundstockvermögen.
     
  • Die Business Judgement Rule wird zwar eingeführt, gilt aber nicht für risiko- und damit ertragreiche Vermögensanlagen und ist damit weitgehend nutzlos.
     
  • Das seit Jahrzehnten geforderte Stiftungsregister wird zwar eingeführt. Es soll aber beim Bundesamt für Justiz geführt werden, was wegen des Verstoßes gegen das Gebot des Verwaltungsvollzugs durch die Länder verfassungswidrig ist.
     
  • Schließlich ist die vorgeschlagene Publizitätswirkung von Eintragungen unklar.
     

Kurz: Der Entwurf ist Paragraf für Paragraf undurchdacht, rückwärtsgewandt und bürokratisch, insgesamt ein erheblicher Rückschritt gegenüber dem geltenden Recht, der Reformhoffnungen auf Jahrzehnte hinaus zunichtemacht. Bereits bestehende Stiftungen würden quälender Rechtsunsicherheit und einer von Behörde zu Behörde abweichenden Praxis ausgesetzt. Von Vereinheitlichung keine Spur!

Stiftungswesen würde Schaden nehmen

Künftige Stifter würden vermehrt auf Ersatzformen ausweichen. Damit würde das Stiftungswesen in Deutschland insgesamt Schaden nehmen.

Um das abzuwenden, reicht es nicht, einzelne Vorschriften im Gesetzgebungsverfahren zu verändern. Diesen völlig verkochten „Reformbrei“ kann man nicht „genießbar“ machen. Vielmehr bedarf es einer ganz neuen „Zubereitung“ mit neuen Köchen in der neuen Legislatur. Dafür gibt es Vorarbeiten in Gestalt eines sogenannten Professorenentwurfs. Bis dahin gilt: Keine Reform ist besser als diese!

 

Prof. Dr. Ulrich Burgard lehrt an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und ist Direktor des Forschungszentrums für Sparkassenentwicklung
– 6. November 2020