Andreas Dombret
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Interview mit Andreas Dombret
„Ich sehe für die nationalen Aufseher durchaus Spielraum“
Kleine und mittlere Institute sollten von unverhältnismäßigen Belastungen freigehalten werden, sagt Andreas Dombret im Interview mit der SparkassenZeitung.

Herr Dombret, bei Ihrer Verabschiedung als Vorstand der Bundesbank sprachen Sie von anstehenden größten Herausforderungen seit Jahrzehnten, und Sie sagten, dass „geopolitische Risiken wichtiger werden könnten als wirtschaftliche“. Die Covid-19-Pandemie hat sich als genau das herausgestellt.

Andreas Dombret: Eine solche Pandemie konnte natürlich niemand vorhersehen, aber für Zentralbanken und Bankaufseher ist es ganz entscheidend, immer neue Szenarien im Blick zu haben – und ich meine damit ganz besonders solche, die noch nicht in Risikomodellen abgebildet sind. Bei meiner Aussage damals hatte ich vor allem an Konflikte um Migration und um Rohstoffe gedacht, aber auch an Cyber-Risiken, die immer mehr zum Ausdruck unserer technologischen Verwundbarkeit werden.

Mit Covid-19 hat sich gezeigt, dass Risiken aus ganz unvorhergesehenen Richtungen entstehen können.

Die Zentralbanken und Aufseher haben das Banken- und Sparkassensystem seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise zwar sehr viel sicherer gemacht, aber mit Covid-19 hat sich gezeigt, dass Risiken aus ganz unvorhergesehenen Richtungen entstehen können.

Was waren und sind aus Ihrer Sicht die wirtschaftlich gravierendsten Folgen der Pandemie

Dombret: Zunächst ist festzuhalten: Wir haben die Pandemie noch nicht komplett besiegt, wie wir leider gerade an den wieder rasant steigenden Infektionszahlen sehen können. Und das G-20-Treffen in Rom, bei dem man sich darauf verständigt hat, bis Mitte nächsten Jahres 70 Prozent der Weltbevölkerung zu impfen zeigt, wie wenig die Pandemie wirklich im Griff ist, was auch mit der unterschiedlichen Aufstellung der Gesundheitssysteme der Länder zu tun hat.

Ökonomisch haben wir mit Ausbruch der Pandemie einen abrupten gleichzeitigen Nachfrage- und Angebotsschock erlebt. So etwas ist der Super-GAU für jede Volkswirtschaft. Und hier hatten einzelne Länder unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangsvoraussetzungen und fiskalische Spielräume.

Wo stand Deutschland?

Dombret: Deutschland war strukturell aus zwei Gründen eigentlich eher suboptimal aufgestellt: einmal aufgrund unserer Produktions- und Exportorientierung, aber auch aufgrund unserer normalerweise vorteilhaften Unternehmensstruktur – unser diversifizierter Mittelstand mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen wurde von der Pandemie stark betroffen, da KMUs in der Regel geringere Kapital- und Liquiditätspuffer vorhalten als Großunternehmen.

Unser großes Plus war ganz klar die Fiskalpolitik: Weil Deutschland über ausreichend finanzielle Spielräume durch vorherige Sparanstrengungen verfügte und die Maastricht-Kriterien erfüllt waren, konnte hierzulande mit vielfältigen wirtschafts-, sozial- und gesundheitspolitischen Maßnahmen massiv gegengesteuert werden. Eine ganz besondere Rolle hat hierbei neben den direkten Hilfsprogrammen das Kurzarbeitergeld als entscheidende Maßnahme zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Fortbestands von Unternehmen gespielt.

Weil Deutschland über ausreichend finanzielle Spielräume durch vorherige Sparanstrengungen verfügte und die Maastricht-Kriterien erfüllt waren, konnte hierzulande mit vielfältigen wirtschafts-, sozial- und gesundheitspolitischen Maßnahmen massiv gegengesteuert werden.

Die Banken und Sparkassen schließlich waren es, die dem deutschen Mittelstand mit Krediten zur Seite standen und somit ganz wesentlich zur Lösung des Engpasses beigetragen haben.

Hat Deutschland ökonomisch die Pandemie schon hinter sich gelassen?

Dombret: Angesichts der derzeitigen Entwicklung der Neuinfektionen wäre es vermessen, dies zu behaupten. Eigentlich war schon für dieses Jahr erwartet worden, dass Deutschland auf das Wachstum von 2019 zurückkehrt, die Prognosen sprechen jetzt aber von 2022.

Was man auf jeden Fall festhalten kann ist, dass der enorme finanzielle Stimulus und unser Gesundheitssystem dazu geführt haben, dass Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern deutlich besser aus der Pandemie herausgekommen ist. Das lag nicht zuletzt auch an den ökonomischen Stabilisatoren und den Förderbanken, hier insbesondere der KfW. Alles in allem sind wir also auf einem guten Weg.

Wie hat das deutsche Bankensystem die Pandemie verkraftet?

Dombret: Die zunächst befürchteten Risiken haben sich bisher nur zu einem sehr geringen Teil eingestellt. Zu Beginn der Pandemie hatten alle mit sehr viel höheren leistungsgestörten Krediten gerechnet.

Zu Beginn der Pandemie hatten alle mit sehr viel höheren leistungsgestörten Krediten gerechnet.

Der Stress auf das Bankensystem war dann aber im Vergleich zum Stress auf das Gesundheitssystem und die Wirtschaft viel geringer als befürchtet, was auch Ausfluss der enormen Stützungsmaßnahmen war. Außerdem nutzten Banken und Sparkassen das Angebot der Bankenaufsicht für Moratorien und nahmen auch Stundungen vor. Die Frage ist, was passiert, wenn die Fiskal- und die Geldpolitik nicht mehr wie bisher unterstützen. Dann werden wir sehen, wie sehr der „Kaiser ohne Kleider“ dasteht…

Für wie gefährlich halten Sie die Investitionszurückhaltung der Unternehmen?

Dombret: Der Bank Lending Survey hat diese Zurückhaltung Ende Oktober bestätigt. Ich führe sie vor allem auf Lieferengpässe bei Vorprodukten, auf gestörte Lieferketten und auf einen Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise zurück.

Hinzu kommen die allgemeine Unsicherheit über Exportmöglichkeiten und die in manchen Bereichen fehlenden Arbeitskräfte, insbesondere im Facharbeiterbereich. Die Inflation verunsichert zusätzlich.

Außerdem befinden wir uns mit der Energiewende in einer Transformationsphase. Je mehr dieser unterschiedlichen Aspekte sich für die Wirtschaft sichtbar auflösen, umso mehr ist zu erwarten, dass die Investitionsbereitschaft zurückkehrt.

Für wie wichtig und wirksam halten Sie das Pandemie-Notfall-Ankaufprogramm PEPP der EZB?

Dombret: Besondere Zeiten bedürfen besonderer Maßnahmen, und eine solche Maßnahme war sicherlich dieses zusätzliche Ankaufprogramm, denn die Frage, wie billig das Geld ist, spielt für Investitionsentscheidungen in vielen Euroländern eine wichtige Rolle.

Spätestens mit der Verringerung der pandemiebedingten Risiken wird jedoch nach der Fiskalpolitik auch die Geldpolitik marktschonend korrigieren müssen. Daher gehe ich fest davon aus, dass dieses Ankaufprogramm zeitnah ausläuft.

Spätestens mit der Verringerung der pandemiebedingten Risiken wird jedoch nach der Fiskalpolitik auch die Geldpolitik marktschonend korrigieren müssen. Das „P“ bei PEPP steht ja bekanntermaßen nicht für „permanent“, sondern für „Pandemie“.

Daher gehe ich fest davon aus, dass dieses Ankaufprogramm zeitnah ausläuft. Ob es dafür im Rahmen anderer Ankaufprogramme übergangsweise eine Kompensation gibt, um Klippeneffekte zu vermeiden, hoffe ich nicht, kann solch einen EZB-Beschluss aber auch nicht ausschließen.

Es gibt eine Diskussion darüber, wie sehr sich die derzeit hohen Inflationsraten verfestigen werden. Wie sehen Sie die Preisentwicklung in den kommenden Jahren?

Dombret: Dass die derzeit hohen Inflationsraten zu großen Teilen rein transitorischer Natur sind, halte ich ehrlich gesagt für eher unwahrscheinlich, und dies im Wesentlichen aus fünf Gründen:

Zum einen war in den letzten zehn Jahren der „track record“ der Zentralbanken bei der Prognose der Inflationsrate ein schlechter – die Raten lagen weit unter den Prognosen, die Inflationsgefahren wurden also überschätzt. Nun sehe ich die Gefahr, dass die Zentralbanken die Inflation eher unterschätzen.

Zweitens werden die hohen Energiepreise – politisch gewollt als Zeichen der Transformation zur Klimaneutralität – strukturell dauerhaft hoch bleiben. Nur so können wir das Versprechen des Pariser Klimaabkommens erreichen, und das ist überlebensnotwendig für unseren Planeten.

Drittens werden künftig auch die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum in die Inflationsberechnung eingehen, was zwangsläufig zu einer höheren Inflationsrate führen wird.

Daneben werden der künftige Arbeitskräftemangel und die im nächsten Jahr anstehenden großen Lohnrunden sehr wahrscheinlich zu einem überdurchschnittlichen Anstieg der Löhne führen, bedingt durch Angebotsknappheit und Forderungen nach Inflationsausgleich.

Und schließlich: Wenn Verbraucher den coronabedingten Konsumausfall nachholen, dann trifft eine steigende Nachfrage auf ein wegen Lieferkettenunterbrechungen eingeschränktes Angebot, und es werden sich höhere Preise durchsetzen.

Wenn man diese von mir beschriebenen Entwicklungen für möglich hält, bedeutet das, dass die inflationären Tendenzen nicht komplett verschwinden, sondern vielmehr ein nicht unerheblicher dauerhafter Preisdruck bestehen bleibt.

Was folgern Sie daraus für die Geldpolitik?

Dombret: Wenn die Geldpolitik glaubwürdig bleiben will, muss der Markt zwingend davon ausgehen, dass auf dauerhafte Inflation von zwei Prozent plus x seitens der Notenbank reagiert wird. Das muss nicht sofort sein; die Daten müssen beobachtet werden und die angestrebte Preisentwicklung ist ein Mittelfristziel.

Die US-Notenbank macht vor, wie mit Kommunikation die Märkte gut auf das Tapering vorbereitet wurden. Für die Eurozone muss dies bei Vorliegen entsprechender Daten ebenfalls gelten.

Zur aktuellen Regulierungsdiskussion: Wie bewerten Sie die Finalisierung von Basel III?

Dombret: Nach der Finanzkrise wurde relativ schnell ein Reformpaket im Konsens verabschiedet. Offengeblieben war die Frage, wie mit internen Risikomodellen umgegangen werden soll – hierzu hat nun die EU-Kommission im Oktober einen Vorschlag vorgelegt. Wenn ich das öffentlich-rechtliche Lager richtig einschätze, dann gibt es zu diesem Vorschlag durchaus unterschiedliche Einschätzungen.

Wie stehen Sie zu internen Risikomodellen?

Dombret: Meine Meinung dazu war schon immer, dass wir sie unbedingt erhalten sollten. Wären wir auf den in den USA praktizierten Standardansatz eingegangen, hätten wir ein „gold plating“ des Output-Floors auf 100 Prozent fixiert und damit besonders positiv wirkende Umstände vollständig außer Acht gelassen. Ein Beispiel: Wenn jemand in einem bestimmten Finanzierungsgebiet Expertenwissen hat und dadurch geringere Ausfallquoten realisiert, dann kann dieser Vorteil nur von einem Risikomodell abgebildet werden.

Andererseits müssen wir solche Modelle beschränken, wenn sie Risiken überproportional ausblenden. Und die Wahrheit ist, dass einige Banken die genehmigten Modelle leider zu stark eingesetzt haben.

Die Vorschläge der EU-Kommission greifen den im Baseler Ausschuss der Notenbankgouverneure und Chefaufseher verabredeten Output-Floor von 72,5 Prozent auf. Viele Banken halten ihn für zu hoch.

Dombret: Basel II hatte bereits einen Output-Floor von 80 Prozent, den alle Staaten bis auf Europa umgesetzt hatten. Somit haben wir den europäischen Banken über lange Zeit eine bevorzugte Behandlung und somit Wettbewerbsvorteile verschafft, indem wir ihnen erlaubt haben, bei der Nutzung von Risikomodellen eine niedrigere Eigenkapitalunterlegung vorzunehmen.

Bei den Verhandlungen blieben die USA zunächst bei den bereits geltenden 80 Prozent für den Output-Floor, die Europäer wollten 70 Prozent, um einen größeren Spielraum zu erhalten. Im nächsten Schritt haben wir das US-Angebot von 75 Prozent abgelehnt. Der Baseler Ausschuss hat sich schließlich auf die Mitte von 70 Prozent und 75 Prozent verständigt. Daher stammt der Output-Floor von 72,5 Prozent.

Sie sehen diese Marke also als gerechtfertigt?

Dombret: Seien wir ehrlich: Das ist ein vernünftiger Kompromiss. Wir haben von deutscher Seite versucht, soweit wie möglich an diese 70 Prozent heranzukommen, waren in der Bundesbank aber gleichzeitig der festen Überzeugung, dass ein Abschluss mit 72,5 Prozent besser ist als kein Abschluss, damit das Finanzwesen eine regulatorische Sicherheit hat.

Im Übrigen werden viele Staaten die Standardmodelle anwenden, sodass die Märkte auf die europäische Nichteinhaltung in irgendeiner Weise reagieren würden, zum Beispiel mit der Frage, ob die Banken hier überhaupt sicher sind.

Und schließlich haben die Auswirkungsstudien auch ergeben, dass für die meisten Banken die höheren Eigenkapitalanforderungen zu bewältigen sind. Es gibt laut Kommission zehn Institute, die zusammen 27 Milliarden Euro mehr Kapital aufnehmen müssen, was allgemein als beherrschbar angesehen wird.

Im Moment scheint mit der gefundenen Lösung aber keiner so recht zufrieden zu sein.

Dombret: Das stimmt, der europäischen und hier insbesondere der französischen und deutschen Seite ist der Output-Floor zu hoch gesetzt, den USA ist er nicht hoch genug. Wenn also alle Seiten etwas beanstanden, dann stellt sich mir die Frage, ob der Kompromiss nicht doch ganz gut ist.

Letztendlich kommt den Europäern zusätzlich die vorgesehene Verlängerung der Übergansfristen zugute. Insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie halte ich dies für mehr als vertretbar. Insgesamt kommen wir auf eine Umsetzungszeit von 22 Jahren – von der Finanzkrise in 2008 bis zum Jahr 2030. Das ist schon eine extrem lange Übergangsfrist. Vermutlich reden wir bis dahin schon wieder über ganz andere Dinge…

Die Marktteilnehmer sprechen von Basel IV.

Dombret: Nach meiner Meinung unbegründet. Es gab von Anfang an Banken, die sehr gegen eine Erhöhung des Output-Floors waren. Mich erreichten aber auch viele Briefe, die ihn begrüßten oder sogar mehr Eigenkapital forderten.

Insofern: Die Entwicklung ist kein Grund zur Panik. Wenn man vorher kommunizierte, dass man mit 70 Prozent Output-Floor leben kann und danach 72,5 Prozent als Basel IV bezeichnet, dann fehlt mir dafür das Verständnis, und dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sehr langen Übergangsfristen.

Prosperierende Finanzinstitute haben in der Regel ein starkes Eigenkapital, um sich gegen schlechte Zeiten zu wappnen oder auch, um für gute Entwicklungen bei Refinanzierungen und Rating vorbereitet zu sein. Dem Sektor hilft es insgesamt, wenn er auskömmlich kapitalisiert ist.

Proportionalität ist für Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehr wichtig. Wie weit ist Ihrer Meinung die Umsetzung vorangekommen?

Dombret: Ich sehe hier zwei Aspekte: Die effektive Belastung muss verhältnismäßiger sein, und wir müssen zudem die Komplexität der Regulierung reduzieren.

Regulierungsanforderungen orientieren sich in der Regel an den komplexesten Sachverhalten. Unmittelbar nach der Finanzkrise war das verständlich, denn sie wurde ausgelöst durch sehr komplexe Interaktionen von Marktteilnehmern, und darauf musste man regulatorisch antworten.

Ich sehe hier zwei Aspekte: Die effektive Belastung muss verhältnismäßiger sein, und wir müssen zudem die Komplexität der Regulierung reduzieren.

Aber sie als verbindlichen Standard für alle Institute festzulegen, halte ich nicht für zielführend. Denn warum soll zum Beispiel die Sparkasse Münster genauso abgefragt werden wie eine amerikanische Großbank, deren Geschäftsmodell zweifellos komplexer und risikoreicher ist?

Dies bedeutet für mich, die Proportionalität in der Regulierung sollte sich nicht nur an Meldegrenzen und Schwellenwerten ausrichten, sondern auch an der Komplexität des Geschäftsmodells. Würde dies stärker beachtet, könnte man nicht nur den Risiken besser gerecht werden, sondern auch die kleinen und mittleren Institute mit einem transparenten Geschäftsmodell von unverhältnismäßigen Belastungen weitestgehend freihalten.

Zum Thema Konsolidierungsdruck als Reaktion auf die Auswirkungen der Pandemie – sehen Sie hier Diskussionsbedarf?

Dombret: Es ist völlig nachvollziehbar, dass Banken und Sparkassen über die aktuelle Melange aus Negativzinsen, gestiegenen Regulierungsanforderungen und notwendigen Digitalisierungsinvestitionen Klage führen. Synergien zu schaffen in einem Umfeld, in dem hohe Kosten anstehen und wenig verdient wird, ist nachvollziehbar.

Ganz praktisch gesprochen: Es ist wesentlich weniger kostspielig für ein fusioniertes Haus, eine Digitalstrategie zu entwickeln als für zwei getrennte Häuser. Das gleiche gilt für die Gefahrenabwehr bei Cyber-Angriffen. Insofern lassen sich über Konsolidierungen sicherlich Synergieeffekte erzielen.

Und bei Fusionen oder Übernahmen geht es auch um neue Handlungsspielräume für Geschäftsmodelle und Konditionen. Das Ziel sind immer optimierte Angebote und Prozesse. Das kann aber auch mit den Möglichkeiten der Verbundsysteme, der Plattformökonomie oder der Zusammenarbeit mit Fintechs erreicht werden.

Regulatorik im Zusammenhang mit Covid-19 – müssen alle Erleichterungen zurückgenommen werden?

Dombret: Regulatorik ist nie ein Selbstzweck, sondern immer eine Antwort auf Risiken. Größere Risiken müssen mit höherem Eigenkapital unterlegt werden, um das Finanzsystem stabil zu halten. Ich erwarte, dass bei den Instituten, die von der EZB direkt beaufsichtigt werden, nach und nach alle Erleichterungen wieder zurückgenommen werden.

Regulatorik ist nie ein Selbstzweck, sondern immer eine Antwort auf Risiken.

Bei der nationalen Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute könnten dazu noch einmal Überlegungen in die Richtung angestellt werden, welche regulatorischen Erleichterungen im Sinne von mehr Verhältnismäßigkeit beibehalten werden können. Da sehe ich für die nationalen Aufseher durchaus Spielraum.

 

Andreas Dombret
Nach einer Banklehre, Studium und Promotion in Betriebswirtschaft begann Andreas Dombret seine Banker-Karriere – mit Stationen bei Deutsche Bank, JP Morgan, Rothschild und Bank of America.

Von 2010 bis 2018 war er Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, zunächst zuständig für Finanzstabilität und Märkte, anschließend über vier Jahre für die Bankenaufsicht. In letzterer Funktion gehörte er dem Supervisory Board der EZB an.

Dombret berät heute internationale Bankvorstände bei Sumitomo, Santander und Houlihan Lokey, die Unternehmensberatung Oliver Wyman sowie weitere Finanzinstitute.
Bettina Wieß (Bild oben: dpa)
– 16. November 2021