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Burkerts Blick
Fantasielos und gefährlich
Ein möglicherweise härterer Lockdown angesichts der grassierenden Coronapandemie und dessen Belastungen für die deutsche Wirtschaft stehen auch im Fokus des aktuellen Blickpunkts von LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank 2020 um 5,3 Prozent zum Vorjahr. Eigentlich ein Katastrophenjahr, aber gemessen an den zwischenzeitlichen Befürchtungen könnte man sagen, dass wir glimpflich davongekommen sind. Vor allem das verarbeitende Gewerbe macht hier wohl den Unterschied, da wir beobachten, dass die Lieferketten aufrechterhalten wurden und werden. Gleichwohl kann das Motto für 2021 nur heißen: So schnell wie möglich zurück zur Normalität und aufholen, was aufzuholen ist.

Pandemiebekämpfung an erster Stelle – aber nicht so!

Die Corona-Pandemiebekämpfung ist eine Herkulesaufgabe und steht weiterhin an erster Stelle. Aber sie erfordert durchaus auch mal den Mut zu unkonventionellen Maßnahmen, zumindest für eine bestimmte Zeit.

Die derzeitige Strategie zielt darauf ab, mit sehr restriktiven, auch freiheitsbeschränkenden Maßnahmen Kontakte und Begegnungen massiv zu reduzieren, um die Ausbreitung zu stoppen, die Nachverfolgung sicherzustellen und vor allem das Gesundheitssystem nicht zu überfordern.

Zumachen ist keine Lösung, sondern gefährlich!

Es war meines Erachtens klar, dass das Winterhalbjahr schwierig werden wird. Um auf Inzidenzen um 50 oder tiefer zu kommen, bräuchte es vermutlich einen kompletten Lockdown, inklusive Grenzsperrungen, Fabrikstilllegungen und Schulschließungen. Das ist aus meiner Sicht ökonomischer Selbstmord. Und auch nicht zu rechtfertigen.

Es gibt genügend internationale Beispiele, die ein Offenhalten der Wirtschaft, und zwar sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch bei Dienstleistungen mit strengen Hygienevorschriften, konsequentem Testen und Einsatz einer wirklich funktionierenden Tracking-App belegen.

Die immer restriktiveren Vorschriften, die aufgrund ihrer Detaillierung für viele nicht mehr nachvollziehbar sind und damit immer weniger diszipliniert befolgt werden, bewirken damit das Gegenteil dessen, was man in der Politik erreichen will und gefährden damit den Erfolg.

Bei der Coronabekämpfung ist mehr Fantasie nötig, fordert LBBW-Chefökonom Uwe Burkert. Doch neben seiner Kritik liefert der Wirtschaftsexperte auch Alternativvorschläge für die Politik.

Empfehlungen

Daher meine Empfehlungen, um Einzelhandel, Gastronomie, Hotels, Sportstätten, Friseure, aber auch Produktion, Verwaltung und Schulen wieder aufzumachen oder offen halten zu können: Erstens strengste Hygieneauflagen, zweitens Handytracking wie in Südkorea oder Taiwan mit Speicherung der Daten maximal für sechs Wochen und Massentests, dazu entsprechende Konsequenzen zum Beispiel im Versicherungsschutz bei Nichtbeachtung, Vorteile für Geimpfte etc.

Die Unternehmen sind flexibel genug, sich anzupassen. Wir brauchen keine Homeoffice-Vorgaben seitens der Regierung, sondern wir brauchen von ihr eine Öffnungsperspektive, um (noch) eine große Insolvenzwelle zu vermeiden.

Lockdowns alleine sind allenfalls Notlösungen, die zeitverzögert aber wirtschaftliche Not mit sich bringen. Die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen, haben mehr Fantasie und Gestaltungswillen verdient als immer wieder nur die Anordnung, zuzumachen.

Uwe Burkert, LBBW
– 15. Januar 2021