Die Präsidentschaft von Donald Trump war kein „Ausrutscher“, sondern Ergebnis eines wesentlichen und tiefliegenden Befindens Amerikas. Und dies wird sich auch mit der Wahl Joe Bidens zum Präsidenten nicht schlagartig ändern.
Un-Vereinigte Staaten von Amerika
Die US-Gesellschaft ist gespalten wie nie zuvor. Eine Überwindung dieser Trennung ist derzeit nicht absehbar. Im Gegenteil. Die Gegensätze sind zuletzt größer geworden, die Einigkeit lässt nach. Was diese Entwicklung für Auswirkungen auf die Parteienlandschaft in den USA haben wird, kann erdrutschartige Veränderungen mit sich bringen.
Ich erwarte, dass sich die Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren weiter aus der internationalen Verantwortung zurückziehen werden. Die Epoche der US-Außenpolitik als „Weltpolizist“ dürfte endgültig vorbei sein. Die USA dürften sich weiter zu einem stark innenpolitisch geführten Land fortentwickeln und somit die Agenda Trump über den Wahltag hinaus sichtbar und spürbar bleiben.
Konsequenzen für Europa
Europa muss sich emanzipieren, viel schneller und konsequenter als bislang gedacht. Auch ohne Trump bedarf die Europäische Union eines anderen politischen Ansatzes für die Zukunft. Neben dem Erhalt und der Einbringung wirtschaftlicher Macht muss für die EU die europäische Verteilungsfrage geklärt werden.
Zudem muss die gemeinsame Sicherheitspolitik als Handlungsfeld mit Hochdruck ins Spiel kommen. Hier ist Europa ohne den Beistand der USA schwach aufgestellt. Auch müssen die Themen Hochtechnologie und künstliche Intelligenz geostrategischer betrachtet werden. Es geht um nichts Geringeres als um eine Neupositionierung Europas. Sind wir dazu gemeinsam in der Lage – oder sind auch wir geteilte Nationen?