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Umgang mit verärgerten Kunden
Wenn der Ton allzu rau wird
Mitarbeiter sind immer wieder Beleidigungen ausgesetzt. Häufig lassen sich genervte Kunden durch Gesprächstechniken bändigen. Unser Autor zeigt, wie das geht.

„Lahmarschig“, „unfähig“, „Arschlöcher“: Solche Schimpfwörter mussten sich die Mitarbeiter eines Edeka-Supermarkts in Niedersachsen regelmäßig anhören. Der Betreiber der Filiale hat nach den ständigen Hasstiraden nun reagiert – mit einem emotionalen Statement auf Facebook. Haben sich Kunden in den letzten Jahren zu respektlosen Zombies verwandelt?

Und was müssen sich Sparkassenmitarbeiter so anhören? Die Hemmschwelle sinkt, bestätigt Ingo van Uehm, Geschäftsführer der S-Markt & Mehrwert. „Auch unsere Mitarbeiter werden zum Teil als ,unfähig‘ bezeichnet oder mit Schimpfwörtern bedacht, weil Kunden die Wartezeiten als zu lang empfinden oder sie den gewünschten Vorgang am Telefon nicht erledigen können.“

Regionale Unterschiede bei Kundenreaktionen

Nach seinen Erfahrungen werden Kunden eher in den Bereichen Electronic-Banking-Support oder in der Filial-Telefonie ausfällig. Etwa dann, wenn der Kunde versucht, seinen Berater zu erreichen. „Viele haben eine bestimmte Erwartungshaltung, was Service und Erreichbarkeit ihres Beraters angeht. Wird diese nicht erfüllt, reagieren manche mit Ungeduld oder werden sogar ausfällig.“

Van Uehm beobachtet dabei auch regionale Unterschiede: So seien Berliner meist recht geduldig und gelassen. In Bayern wiederum lege man größeren Wert auf kurze Wartezeiten und freue sich über einen Berater, der „bayrisch“ spricht.

Rüder Ton nimmt zu

Nicht nur Menschen, sondern auch die digitalen Kollegen, sogenannte Chatbots, müssen einiges aushalten. Laut einer Studie von Freshworks, einem Anbieter von Customer-Engagement-Software, läuft kaum ein Gespräch ohne Beleidigung ab.

Immerhin 92 Prozent aller Interaktionen mit Chatbots in Deutschland enthalten beleidigende Sprache oder Schimpfwörter. Die Deutschen zählen gemeinsam mit den Niederländern zu den unfreundlichsten Kunden in Europa.

Viele Menschen haben eine bestimmte Erwartungshaltung, was Service und Erreichbarkeit ihres Beraters angeht. Wird diese nicht erfüllt, reagieren manche mit Ungeduld oder werden sogar ausfällig.

Deutsche zählen zu den unfreundlichsten Kunden in Europa

Bei menschlichen Kundenservice-Mitarbeitern fallen immer noch in 82 Prozent der Fälle Beleidigungen und Schimpfworte. Deutlich höflicher sind hingegen die Briten: Lediglich 52 Prozent beleidigen Chatbots oder Mitarbeiter im Kundenservice.

Tatsächlich ist die Hemmschwelle im direkten telefonischen Kontakt niedriger, sagt van Uehm. „Da wird der Umgangston eher mal etwas rauer als beim geschriebenen Wort in einer E-Mail.“

Emotionen kann man nicht wegdiskutieren

Praxistrainerin Astrid Scharenberg vom Dialog-Center der Sparkasse Hannover findet, dass man beim Grad der Verärgerung unterscheiden muss. „Es gibt mehr verärgerte Kunden als die, die Mitarbeiter beleidigen. Meist geht es um technische Schwierigkeiten der Kunden, etwa beim Onlinebanking. Dann ist es unsere Aufgabe, die Kunden von einer emotionalen auf die sachliche Ebene zu begleiten – ohne eine Schuldzuweisung vorzunehmen.“

Norbert Teschke, Vertriebsdirektor im Dialog-Center der Sparkasse Hannover, hat manchmal durchaus Verständnis für das explosive Verhalten. „Einige wollen aus den unterschiedlichsten Gründen Dampf ablassen. Das ist wie in einer Partnerschaft auf Augenhöhe, wo es auch mal krachen kann. Kurz danach haben sich die Wolken wieder verzogen. So lange das Gespräch nicht beleidigend wird, sind wir gerne wahlweise Psychologen oder Therapeuten für unsere Kunden. Das bringt unser Alltag mit sich.“

Aber eins sei für alle Mitarbeiter klar: Emotionen kann man nicht wegdiskutieren. „Wenn wir alle Lösungsmöglichkeiten angeboten haben und trotzdem noch eine tobende Person in der Leitung haben, dann beenden wir das Gespräch nach vorheriger Ankündigung“, erklärt Teschke.

Dem Kunden zuhören

Fast jede Kommunikation ist eine Kette von Missverständnissen, meint der Pädagoge und Autor Friedrich Löchner. Deshalb sei es wichtig, Menschen immer ganz in Ruhe ausreden zu lassen.

Nicht nur die Erwartungshaltung hat sich verändert, sondern auch die Kommunikationskanäle der Sparkassen. Telefon, Text- oder Videochat, Messenger-Dienste wie Whatsapp oder E-Mail – die Mitarbeiter der Sparkassen müssen sich auf der gesamten Klaviatur der Kommunikation auskennen.

Dazu zählt auch, den richtigen Ton und die richtige Ansprache für den entsprechenden Kanal zu wählen. „Wir haben für all diese Kommunikationskanäle Richtlinien“, sagt van Uehm von S-Markt & Mehrwert. Ganz wichtig sei es, Verständnis zu zeigen und mit Ich-Botschaften zu arbeiten.

„Wenn der Kunde sich dann beruhigt hat und wieder normal kommuniziert, dann suchen wir gemeinsam mit ihm nach einer Lösung. Wenn man Lösungsmöglichkeiten anbietet, sind 80 Prozent der Kunden auch einsichtig – dadurch wird ein konstruktives Gespräch erst wieder möglich.“

Gesprächssituationen lernen

Aber natürlich gibt es weitere Techniken, um vorzubeugen oder zu beschwichtigen – und diese Kommunikationsregeln können Mitarbeiter beispielsweise in der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen lernen. Thorsten Meier und Lars Abraham arbeiten in Dortmund als Trainer für Vertriebler und Produktmanager. Ihre Kernbotschaft: Stärker den Menschen sehen und herausfinden, aus welchen Gründen er gerade so emotional handelt.

„Unser Leben ist schneller geworden und deshalb sind Menschen in der Regel auch gestresster. Dafür müssen wir bei den Mitarbeitern der Sparkasse ein Bewusstsein schaffen“, sagt Meier. „Das Wort Kunde sollten wir besser durch Mensch ersetzen.

Wie wird also aus einem unzufriedenen Menschen ein zufriedener? Ich muss verstehen, dass seine Akkus leer sind und der Stress ihn lenkt. Der am häufigsten unterschätzte Wert ist dabei die Wertschätzung.“

Thorsten Meier (links) und Lars Abraham arbeiten in Dortmund als Produktmanager und Trainer für Vertriebler. Ihre Kernbotschaft lautet: Stärker den Menschen zu sehen und herauszufinden, aus welchen Gründen er gerade so emotional handelt.

Es geht im Training der Akademie also nicht um die verhärtete Kundenfront – die Trainer sehen vielmehr den Menschen und seine Situation. Die Bedürfnisse sollten Mitarbeiter erkennen und verstehen, erklärt der Coach.

„Wenn wir dem Kunden/Menschen also Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, wird auch Stress abgebaut, und ich beschwichtige gleichzeitig. Dafür geben wir den Mitarbeitern in simulierten Kundengesprächen auch entsprechende Tools an die Hand.“

Auf veränderte Kommunikation reagieren

Ausgelöst durch soziale Netzwerke kommunizieren Menschen heute einfacher, prägnanter und spielerischer. Humor, aber auch Ironie, hat in der Kommunikation dadurch zugenommen. „Das heißt, wir sollten als Sparkasse spielerischer und einfühlsamer antworten und manchmal weniger informativ. Genau das versuchen wir in der Akademie zu fördern“, sagt Meier.

„Die Hüte des Herrn de Bono“ ist so eine Kreativitätstechnik für Gruppendiskussionen und individuelles Denken. Sie beinhaltet sechs verschiedenfarbige „Hüte“, die für verschiedene Emotionszustände stehen. „Gelb steht für sachlich, rot für verärgert und blau wiederum für humorvoll.

Mit dieser Methode wollen wir Denkprozesse fördern und Mitarbeiter in die Lage versetzen, angemessen auf Kunden zu reagieren. Wer auf diese Weise vorbereitet ist, kann sich in der Regel besser auf die Emotionen einstellen und den Menschen mit einfachen Mitteln zufriedenstellen.“

 

Praxis-Tipps von Astrid Scharenberg vom Dialog-Center der Sparkasse Hannover

Was bei schwierigen Kundengesprächen am Telefon hilft:

  • Gespräch im Stehen führen (dadurch festere Stimme, man klingt sicherer).
     
  • Telefon leiser stellen (man wird selbst nicht verleitet, lauter zu sprechen, Möglichkeit, Fakten aufzunehmen).
     
  • Eigene Einstellung überprüfen: Der Kunde hat sich die Zeit genommen, uns zu kontaktieren. Er hat das Recht, dass wir ihm wenigstens zuhören. Die meisten Beschwerden sind nicht persönlich gemeint. Das sagen die Kunden auch oft. Ich muss mich nicht beleidigen lassen – darauf weise ich den Kunden einmalig hin, bitte um ein sachliches Gespräch. Ändert sich der Tonfall nicht, habe ich das Recht aufzulegen.
     
  • Kunden ausreden lassen. Erst wenn er alles losgeworden ist, was ihn belastet, ist er bereit für meine Fragen und Argumente.
     
  • Zuhören und Aushalten!
     
  • Strategie: Kunden, die mir ins Wort fallen, so lange reden lassen, bis sie mich fragen, ob ich noch da bin. Erst dann habe ich eine Chance auf ein „Gespräch“.
     
  • Kunden signalisieren, dass man seine Verärgerung verstehen kann.
     
  • Durch Fragen mit sachlichem Bezug (wann haben Sie festgestellt..., was hat nicht funktioniert..., ) den Kunden aus seinen negativen Emotionen herausholen.
     
  • Gehörtes zusammenfassen (dabei sind Notizen hilfreich).
     
  • Erst wenn der Kunde zuhören kann, Lösungen anbieten.
     
Thomas Soltau
– 19. November 2020