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Firmenkunden
Videoberatung – mehr als nur Plan B
Firmenkundenberatung per Bildschirm hat sich in der Krise schnell etabliert. Das wird wahrscheinlich so bleiben, auch aus Kostengründen. Doch die Ansprüche an die Professionalität steigen. Was Geldinstitute beachten sollten.

Das Beratungsgespräch bleibt wichtig. Das persönliche Gespräch von Mensch zu Mensch – idealerweise im selben Raum und von Angesicht zu Angesicht – ist der beste Weg zu einem erfolgreichen Abschluss.

Als Anfang des Jahres die ersten Corona-Einschränkungen durchgesetzt wurden, wichen deshalb viele Geldinstitute nicht etwa zu unpersönlichen Telefonaten aus, sondern versuchten sich an der digitalen Videoberatung als temporärem Plan B.

Von den Unternehmern wurde diese Strategie überraschend positiv aufgenommen. Doch nun ist absehbar, dass die persönliche Vor-Ort-Beratung noch über viele Monate zumindest teilweise ersetzt werden muss. Aus dem Plan B wird eine dauerhafte Lösung. Unternehmer legen nun auch ganz andere Qualitätsmaßstäbe an die Videoberatung an.

Erfahrungen nach einem Jahr Coronamodus

Ein digitales Beratungsgespräch soll mithilfe von Kamera und Mikrofon eine möglichst persönliche Gesprächsatmosphäre schaffen.

Vor der Pandemie haben viele Geldinstitute diese Beratungssituation eher als Sonderfall behandelt. Denn die persönliche Interaktion mit dem Kunden vor Ort hat eine tiefe psychologische Wirkung, die sich auch durch Live-Videofeeds und Audioübertragungen nicht hundertprozentig einfangen lässt. Oft war ein Telefonat auch deutlich einfacher zu organisieren als ein Videochat.

Doch nach neun Monaten Probezeit wird deutlich, dass die Videoberatung von Familienunternehmern erstaunlich schnell angenommen wurde, zumal die Unternehmer selbst gezwungen waren, Videokonferenzen zu etablieren – intern wie extern.

In vielen Sparkassen längst Realität: Hybride Gesprächssituationen mit Experten oder Externen auf dem Bildschirm.

Videokonferenz: Unternehmer kommen auf den Geschmack

Anscheinend sind viele nun auf den Geschmack gekommen. Die Sorge der Finanzinstitute, das digitale Gespräch könne als zu unpersönlich empfunden werden, war zumindest zum Teil unbegründet.

Denn selbst die traditionellsten Familienunternehmer müssen mittlerweile einsehen, dass ein Gespräch vor Ort zwar die bessere Lösung ist, dass aber die Videokonferenz in Zeiten strenger Hygieneauflagen die beste Alternative ist, auch wenn anfangs bei dem einen oder anderen Teilnehmer noch die Hauskatze durchs Bild lief.

Unter den Familienunternehmern, die ich als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) kenne, hat zwar die persönliche Anwesenheit beim Gespräch noch immer Priorität. Das Mensch-zu-Mensch ist den Familienunternehmern so wichtig wie vor der Pandemie. Doch bevor ein solches Gespräch geplant wird, werden nun zusätzlich Fragen gestellt:

  • Ist die physische Präsenz aller Gesprächsteilnehmer notwendig oder verzichtbar? 
     
  • Ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht günstiger, das Meeting digital abzuhalten? 
     
  • Gibt es Bedenken auf Basis des aktuellen Pandemie-Plans? 
     
  • Werden komplexe Themen besprochen, die in einem Gespräch vor Ort besser geklärt werden können? 

Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, entscheiden sich viele Unternehmer nun deutlich leichter für eine Videokonferenz mit den eigenen Leuten. Vor allem Unternehmen, die an mehreren Standorten überregional oder international aufgestellt sind, mussten in den vergangenen Monaten Gesprächspartnern zumindest virtuell in die Augen sehen können.

Gerade diese Unternehmen sind oft die attraktivsten und ertragreichsten Zielkunden von Geldinstituten. Daher sollte es ein Geldinstitut vermeiden, in diesem Segment den technischen Anschluss zu verlieren.

Vierbeinige Hausgenossen sollten in der Videokonferenz nicht unbedingt durchs Bild laufen.

Geht es beispielsweise darum, einen neuen Berater zu empfangen, der gerade Akquisearbeit macht, dann führt für viele Unternehmer kein Weg an einem Vor-Ort-Gespräch unter entsprechenden Hygienebedingungen vorbei.

Doch wenn man sich bereits kennt und es geht vielleicht nur um Rückfragen zu einer Finanzierung oder dergleichen, dann ist eine Videoberatung der perfekte Plan B – und längst keine reine Notfalllösung mehr.

Die Videoberatung: Vorteile für alle Beteiligten

Viele Unternehmer haben erkannt, dass digitale Meetings Vorteile haben können und beispielsweise in unvorhergesehenen Situationen wie einer plötzlichen Quarantänepflicht enorme Flexibilität ermöglichen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein digitales Meeting für den Unternehmer sogar die bessere Lösung. Würde der Termin ganz ausfallen, würde die unerwartet frei werdende Zeit erfahrungsgemäß deutlich weniger produktiv verbracht. Einer Videoberatung macht das Beste aus einer ungünstigen Situation.

Ein weiterer guter Grund für Geldinstitute, Videoberatungen eine echte Chance zu geben, sind die Ersparnisse bei den Fahrzeiten: Benötigt der Berater beispielsweise eine Stunde zur Anfahrt und eine zur Rückfahrt, sind die entstehenden Fahrtkosten schon bei einem einzigen digitalen Meeting eingespart.

Betriebswirtschaftlich interessant: Sinkende Reise- und Fahrtkosten

Wenn ein Berater mit etwa 80 Kundenverbünden häufigen analogen Kundenkontakt hat – sagen wir etwa 2,5 Mal pro Woche –, dann kommen wir auf etwa 100 Fahrten pro Jahr. Also 200 Stunden. Bei 100.000 Euro Vollkosten im Jahr pro Berater und 1600 Stunden im Jahr (40 Wochen x 40 Stunden) ergibt das etwa 62,5 Euro pro Stunde. Also 12.500 Euro Fahrtkosten für nur einen Berater.

Bei zehn Beratern in Ihrer Abteilung wären wir also bereits bei 125.000 Euro Produktiv-Kosten im Jahr, die dank Videoberatung eingespart werden können. Vorausgesetzt, alle Fahrten können durch Videoberatung ersetzt werden. 

Für die Finanzinstitute ergibt sich daraus der weitere Vorteil, dass die Berater mehr qualitative Zeit für andere Kunden oder zusätzliche Aufgaben haben. Insbesondere zentral aufgestellte Einheiten oder Vermögensberater und ‑verwalter, die überregional agieren, können durch Videoberatungen deutlich Zeit einsparen.

Denn wegen der Distanzen muss nicht selten ein ganzer Arbeitstag für Hin- und Rückfahrt sowie das Gespräch eingeplant werden. Bei einer Tandemberatung mit zehn gemeinsamen Kundenbesuchen im Monat fallen nun also nicht mehr etwa zehn Manntage an, sondern nur die tatsächliche Beratungszeit.

Sagen wir der Einfachheit halber: Von zehn Manntagen bleiben nun noch fünf übrig. Nach zehn Monaten sind das schon 50 gesparte Manntage, also 400 Stunden Zeitersparnis – pro Tandem.

Hybride Beratungsteams verbessern auch intern die Stimmung

Ähnliche Zeitersparnisse lassen sich auch erreichen, wenn beispielsweise in einer Tandem- oder Trioberatung nur ein Mitglied des Beraterteams körperlich anwesend ist und die anderen am Tablet oder Laptop zugeschaltet werden.

Insbesondere Spezialisten, die gegebenenfalls zu besonderen Gesprächen mitgenommen werden würden, können einfach hinzugeschaltet werden, so wie es in vielen Sparkassen bereits gemacht wird.

Das sorgt auch institutsintern für bessere Stimmung, weil die Spezialisten nicht den Eindruck bekommen, dass sie ihre ohnehin voll verplante Arbeitszeit für die Kunden des Firmenkundenberaters durch Hin- und Herfahren einsetzen müssen.

Höhere Qualität und Quantität sind möglich

Die hinzugewonnene Zeit kann dazu genutzt werden, die Kundenverbünde pro Berater zu erhöhen oder die Qualität der Beratung durch zusätzliche Vorbereitungszeit zu optimieren.

Wichtig dabei ist es erfahrungsgemäß, nicht einfach die Anzahl Kunden pro Berater zu erhöhen. Rein rechnerisch klingt es vielleicht sinnvoll, bei 50 Prozent eingesparter Zeit die Kundenanzahl zu verdoppeln. In der Praxis sorgt das jedoch nur für zusätzlichen Frust beim Berater.

Ich empfehle, ein gutes Gleichgewicht zu finden, bei dem zunächst die Qualität der Beratung deutlich angehoben wird. Die dann noch verbleibende zusätzliche Zeit kann dann in zusätzliche Kunden investiert werden. Orientieren Sie sich hier an unserer bekannten Erfolgsformel: Anzahl x Intensität x Qualität x Begeisterung x Zeitraum = Ergebnis

Digitale Aufnahmen statt Notizen

Die Videoberatung bietet zusätzlich noch einen rein technischen Vorteil: Die Kommunikation kann aufgezeichnet werden – natürlich nur DSGVO-konform und mit Einverständnis der Gesprächspartner, wie aus dem Wertpapiervertrieb bekannt.

Das erlaubt es dann allen Gesprächspartnern, sich voll und ganz auf ihr Gegenüber zu konzentrieren, weil sie ihre Notizen nicht mitschreiben müssen. Ich empfehle deshalb, die technische Möglichkeit zum Mitschneiden der Gespräche einzurichten und vor dem Gespräch kurz mit dem Kunden darüber zu sprechen, ob beide Seiten einen Wert in der digitalen Aufzeichnung sehen und keine rechtlichen Bedenken haben.

Hat der Unternehmer nicht die Möglichkeit, selbst aufzunehmen, kann ein Berater sogar verabreden, die Aufnahme nach dem Gespräch zuzuschicken – eine gute Demonstration digitaler Kompetenz und ein Mehrwert, den der Unternehmer vielleicht zu schätzen weiß.

Doch Vorsicht: Verfügen beide Seiten über Aufnahmen der Gespräche, wiegen auch vorschnelle Versprechen oder andere Aussagen, die man hinterher bereut, deutlich schwerer.

Denn es gibt dann keinen Interpretationsspielraum mehr, das Gespräch lässt sich schließlich minutengenau und die getätigten Aussagen nachverfolgen. Mit Übung und Professionalität werden aber deutliche Qualitätssprünge in der Beratung erkennbar.

Veränderte Erwartungshaltung der Unternehmer

Je häufiger Videokonversationen zum festen Bestandteil der Beratung werden, desto mehr Qualität erwarten Unternehmer in diesen Gesprächen. Denn die Zeit der Kompromisse ist aus ihrer Sicht vorbei, denn die Finanzinstitute hatten genug Zeit, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Unternehmer erwarten mittlerweile:

  • Top-Internetverbindung;
     
  • Top-Bildqualität;
     
  • Top-Tonqualität;
     
  • Top-Beleuchtung;
     
  • moderne Kommunikationsgeräte;
     
  • moderne Software.

Je selbstverständlicher die Videoberatung also in den Köpfen der Unternehmer wird, desto eher setzen sie auch normale Qualitätsmaßstäbe an.

Als Berater fragt man sich also am besten: Würde mir der Kunde diese Gesprächsqualität auch bei der Vor-Ort-Beratung durchgehen lassen? Also, die Zeiten von Videoberatungen im Pullover aus dem eigenen Schlafzimmer unter Berufung auf das Homeoffice-Gebot sind endgültig vorbei.

Würde mir der Kunde diese Gesprächsqualität auch bei der Vor-Ort-Beratung durchgehen lassen? Naja, obenrum sieht es ja korrekt aus. 

Dem Kunden die Wahl der Technik überlassen

Skype, Zoom, GoToMeeting, Google Meet, Microsoft Teams: All diese Videochat-Anbieter haben in der Coronakrise an Bedeutung gewonnen. Unternehmer – insbesondere Top-Unternehmer – verfügen wegen ihrer vielen unterschiedlichen Geschäftsverbindungen oft schon über Accounts bei den meisten dieser Anbieter.

Für die intern und extern genutzte Technik gibt es unterschiedliche Logins und Passwörter, und in jede Anwendung muss man sich erst einarbeiten. Da ist es verständlich, dass es auf Unternehmer unattraktiv wirkt, wenn er von einem akquirierenden Finanzberater hört: „Wir kommunizieren nur über System XY.“

Deshalb sollten ein Geldinstitut Accounts für alle gängigen Kommunikationsplattformen einrichten. Auch die Fähigkeit, mit diesen umzugehen, sollte ein wesentlicher Teil des künftigen Anforderungsprofils für Mitarbeiter des Instituts werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Videokommunikation. Es wird in Zukunft deutlich mehr Hybrid-Kontakte geben:

  • Analog – von Angesicht zu Angesicht im selben Raum und mit zugeschalteten Gesprächsteilnehmern;
     
  • E‑Mail;
     
  • SMS-/Whatsapp-Nachrichten;
     
  • Telefonate;
     
  • Telefonate mit Unterlagen (Webinar);
     
  • Video-Konferenzen.

Die Fähigkeit, mit all diesen Kommunikationskanälen sicher umzugehen, erlaubt es einem Geldinstitut, dem Kunden die Wahl zu lassen. Das ist ein wichtiger Aspekt beim Aufbau des subjektiven Wohlfühlfaktors.

Der Kunde merkt, dass ein Finanzdienstleister auf seine Wünsche und Vorlieben eingeht, anstatt ihn zu zwingen, sich noch ein weiteres Login für ein System zuzulegen, das er bislang noch gar nicht kennt.

Die Qualität in der Vorbereitung, während des Gesprächs, in der Nachbereitung und in den Ablaufprozessen sollte auch in Zukunft nicht vernachlässigt werden – gerade weil neue Kommunikationswege zur Verfügung stehen. Alle Kommunikationskanäle – E-Mail, SMS, Video-Beratung – sind nur Mittel zum Zweck. Sie ersetzen auf keinen Fall die Grundelemente einer professionellen Beratung.

Die Zeit professioneller Videoberatung ist gekommen

Wir sehen immer wieder, dass die Beratung über digitalen Videochat mittlerweile zum festen Arsenal der Beratungsmittel von Finanzinstituten geworden ist. Wer sich um Qualitätsstandards bemüht, findet in der Videoberatung eine Methode, die auch nach Corona noch große Vorteile bietet. Ein Managing Director Wealth Management (WM) einer Großbank erklärte:

„Wenn ich im Oktober 2019 gefragt worden wäre, ob im WM Kunden- oder sogar Akquise-Gespräche komplett per Videoberatung geführt werden können, hätte ich dieses klar verneint. Aber seit März 2020, als wir in unserem Haus reibungslos auf digitales Arbeiten umgestellt haben, empfinde ich die Video-Beratung als sehr hilfreich, effizient und vor allem ist sie auch erfolgreich.“

Der Artikel ist im „Versteher-Magazin“ des Autors erschienen und wurde für die Veröffentlichung leicht bearbeitet und gekürzt.

Dirk Wiebusch
– 2. Dezember 2020