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Coronakrise / Südbayern
Adressen der Hoffnung
Zusammenhalt ist in der Krise wichtig. Gerade in einer Region, die auf Besucher angewiesen ist. Zwischen Reichenhall und Lindau leisten die Sparkassen Beistand.

Der Kameraschwenk über die Gipfel der Bayerischen und Allgäuer Alpen, wie er jeden Morgen zwischen 7.35 und 8.40 Uhr vom Bayerischen Fernsehen zelebriert wird, verheißt auch heute bestes Ausflugswetter: Sonne, Temperaturen um die null Grad und Schnee, so weit das Auge reicht.

Ob Wendelstein, Tegelberg, Zugspitze oder Wallberg – die Bilder vermitteln erstklassige Bedingungen. Selbst einige Lifte sind schon in Betrieb. Nur sitzt da kein Mensch drin.

Region mit dem längsten Lockdown

Deutschlands Top-Ferienrevier kämpft sich durch den fünften Lockdown-Monat. Die Stimmung ist entsprechend. Tobias Kastner, Sprecher der Sparkasse Berchtesgadener Land – der Region mit dem längsten Lockdown im ganzen Bundesgebiet  –, formuliert es diplomatisch: „Man kann sagen, dass die Bevölkerung schon ein wenig resigniert.“ Die Unsicherheit zerrt an den Nerven. Kastner: „Die Lage ist einfach angespannt; kein Gastronom und kein Hotelier weiß, wie und wann es weitergeht. Hinzu kommt, dass die versprochenen Staatshilfen nur sehr mäßig fließen.“

 

„Für die Sparkasse bedeutet das, dass wir mit unseren Geschäfts- und Firmenkunden in Kontakt sind und dass wir gemeinsam schauen: Was können wir tun, wo können wir etwas tun – von der Kreditstundung bis zur Kreditaussetzung.“

Tobias Kastner, Sprecher der Sparkasse Berchtesgadener Land.


In einem Landkreis wie Berchtesgadener Land (105.700 Einwohner), wo in normalen Zeiten wie 2019 rund 6,3 Millionen Tagesreisen und 3,8 Millionen Übernachtungen registriert werden, steht der touristische Umsatz mit 587 Millionen Euro in der Bilanz. Bezogen auf die wichtigsten Wirtschaftszweige bedeutet das 330 Millionen Euro für das Gastgewerbe, 122 Millionen Euro für den Einzelhandel und 134 Millionen Euro für Dienstleistungen allgemein. 11.160 Einwohner leben unmittelbar von den Besuchern.

Diese Zahlen machen klar, was der „Lockdown“ für solche Regionen bedeutet. Selbst Tagesausflügler, die vielleicht gerade aus 20 Kilometern Entfernung angereist kommen, um sich am Königsee die Füße zu vertreten, werden mit Geldbußen bis 25.000 Mark bedroht.

Landrat Bernhard Kern (CSU), der auch dem Verwaltungsrat der Sparkasse Berchtesgadener Land (360 Mitarbeiter; 1,75 Milliarden Euro Bilanzsumme) mit Sitz in Bad Reichenhall vorsteht, appelliert an die „Besucher aus unseren Nachbarlandkreisen“, darauf Rücksicht zu nehmen.

„Sie sind im Berchtesgadener Land gerne gesehen – nur bitte nicht, während das Infektionsgeschehen so hoch ist. Wir freuen uns über Ihren Besuch, sobald die Zahlen deutlich gesunken sind und sich die Lage wieder entspannt hat“, zitiert die „Passauer Neue Presse“ den Kommunalpolitiker.

Kern weiß, dass „die Einschränkungen für jeden Einzelnen gravierend sind und es in den kommenden Wochen auch bleiben werden“.  Der Inzidenzwert, Stand vom 4. Februar: Stadt München 48,0, Bundesrepublik 79,9 und Landkreis Berchtesgadener Land 156,2.

 

„Die Einschränkungen für jeden Einzelnen sind gravierend und werden in den kommenden Wochen auch bleiben.“

Landrat Bernhard Kern, Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Berchtesgadener Land.


Beistand auch in Sachen Bürokratie

In der Zwischenzeit ist in dieser wohlhabenden Region für einige der harte Überlebenskampf ausgebrochen. „Für die Sparkasse bedeutet das, dass wir mit unseren Geschäfts- und Firmenkunden in Kontakt sind und dass wir gemeinsam schauen: Was können wir tun, wo können wir etwas tun – von der Kreditstundung bis zur Kreditaussetzung“, erklärt Kastner.

Doch das funktioniere nur dort, wo das Geschäftsmodell stimmt. Kastner: „Wenn es vorher nicht geklappt hat, wird es jetzt erst recht nicht funktionieren.“ Dass man darüber hinaus auch jenen Kunden beistehen möchte, die sich durch die Bürokratie überfordert fühlen, gehört laut Kastner ebenso ins Programm.

So wie im südöstlichen Zipfel des Freistaats sieht es auch in den anderen Landkreises aus. Willi Streicher, Sprecher der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen: „Bei uns leiden vor allem der regionale Handel, die Hotellerie und Gastronomie. Viele Betriebe haben jetzt auf Onlineshops oder Click & Collect umgestellt.“

 

„Viele Betriebe haben jetzt auf Onlineshops oder Click & Collect umgestellt.“

Willi Streicher, Sprecher der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen.


Inwieweit diese Ersatzlösungen auf Dauer funktionieren, vermag niemand zu sagen. Dass sie keine Dauerlösungen sein können, ist jedoch jedem klar. Man setzt auf die baldige Normalisierung. Aber auch da müsse man realistisch sein. Streicher: „Im Handel lässt sich vielleicht bei der Wiedereröffnung etwas aufholen, doch bei Skiliften, in Hotels und Gastro-Betrieben ist das nicht möglich.“

Zum Glück funktionieren auch südlich von München die anderen Wirtschaftszweige weitgehend, wie zum Beispiel das Handwerk. Streicher: „Eine starke Baukonjunktur wirkt hier aktuell noch stabilisierend.“

 

Harter Lockdown in den Bayerischen Alpen: An der Talstation der Kreuzeckbahn stehen die Gondeln. Während des Lockdowns ist die Bergbahn teilweise stillgelegt.


Trotzdem spüre man aber auch hier, wie in weiten Teilen der Bevölkerung, allmählich eine gewisse Müdigkeit. Von pausenlosen Telefonaten mit kleineren Unternehmen weiß Hauptgeschäftsführer Frank Hüpers von der Handwerkskammer für München und Oberbayern zu berichten.

Der „Münchner Merkur“ zitiert den Verbandsmann: „Es häufen sich die verzweifelten Anrufe. Viele Handwerker fühlen sich im Zangengriff. Einerseits haben sie keine Perspektive, andererseits bekommen sie keine Hilfe.“

 

„Es häufen sich die verzweifelten Anrufe. Viele Handwerker fühlen sich im Zangengriff. Einerseits haben sie keine Perspektive, andererseits bekommen sie keine Hilfe.“

Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer München und Oberbayern.


Vielen Wirtschaftszweigen fehlt eine Perspektive

Insgesamt, bestätigt Willi Streicher, werde die Situation mehr und mehr unbefriedigend, weil die Perspektive fehle. Betriebe versuchten, mit Ersatzlösungen zu überwintern oder lebten von Kurzarbeit und Überbrückungshilfen.

Auch bei der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen (447 Mitarbeiter; 2,7 Milliarden Euro Bilanzsumme) weiß niemand, wie lange das hält. Den allgemeinen Trend beschreibt Streicher mit zwei Sätzen: „Es wird nur das Notwendigste gekauft. In der Sparkasse spüren wir deutlich, dass digitale Lösungen immer mehr nachgefragt werden – in allen Altersgruppen.“

Nicht nur physisch immer in der Nähe des Kunden

Der Trend, gerade jetzt die richtige Anlaufadresse zu sein, ist auch an den oberbayerischen Sparkassen nicht vorbeigegangen. Wie Bad Tölz-Wolfratshausen sind jetzt auch andere unterwegs. „Wir sind nicht nur physisch, sondern digital, per Telefon, mit SB-Einrichtungen immer in der Nähe unserer Kunden“, beschreibt Willi Streicher den Alltag. Das bedeutet auch, dass man mit den Firmen- und Geschäftskunden in engem Kontakt sei.

Streicher: „Für Beratungen, die gerade in diesen Krisenzeiten wichtig sind, gibt es neue Angebote wie Screensharing und ein neues digitales Beratungscenter. Es gibt neue Arbeitstechniken, Mobile Working und viele weitere kreative Möglichkeiten, untereinander und mit den Kunden in Kontakt zu bleiben.“

Kreditvergabe-Prozesse beschleunigt

Auch im Geschäftsgebiet der Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim, wo man sich in normalen Zeiten über eine solide und robuste Wirtschaft freuen kann, befindet man sich in einer „grundlegend neuen Situation“. Laut Vorstandsvorsitzendem Thomas Munding rechnet die regionale Wirtschaft auch hier mit einer Zunahme der Insolvenzen. Trotzdem sei man optimistisch – auch gerade in der Sparkasse selbst.

 

„Die Erfahrung mit früheren Krisen zeigt, dass man optimistisch bleiben sollte. Wir haben erlebt, dass wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern sehr schnell auf die Situation reagieren konnten.“

Thomas Munding, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim.


„Die Erfahrung mit früheren Krisen zeigt, dass man optimistisch bleiben sollte. Wir haben erlebt, dass wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern sehr schnell auf die Situation reagieren konnten“, sagt Munding. So habe man in kürzester Zeit viele Prozesse wie zum Beispiel die Vergabe der Hilfskredite der Förderbanken umgestellt, um rasch helfen zu können.

Plus bei Sparkassen-App und Online-Zahlungen

Insgesamt erleben auch die Allgäuer ein verändertes Kundenverhalten. Vorstandschef Munding berichtet unter anderem von einer „deutlich abnehmenden Nutzung unserer Geldautomaten“ bei gleichzeitigem Plus bei der Sparkassen-App und Online-Zahlungen.

 

Stillstehender Skilift bei Garmisch: Besonders Hotellerie, Gastronomie und Betreiber von Skiliften leiden unter dem zweiten Lockdown.


Die alte Lebensweisheit, wonach außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, haben die Tölzer verinnerlicht. Sparkassen-Chefin Renate Waßmer: „Als regionale Sparkasse haben wir die Kampagne ,Zamhoidn – jetzt erst recht‘ gestartet, mit der wir zum regionalen Einkauf aufrufen.“

 

„Als regionale Sparkasse haben wir die Kampagne ,Zamhoidn – jetzt erst recht‘ gestartet, mit der wir zum regionalen Einkauf aufrufen.“

Renate Waßmer, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen.


Regionaler Konsum funktioniert nicht in jeder Branche

Über die Erfahrungen mit dieser Strategie berichtet Verena Weibrecht. Die Inhaberin des Waakirchener Coaching- und Beratungsunternehmens Salutavita: „Die Resonanz ist ziemlich gemischt; das hängt natürlich in erster Linie von den Produkten ab. Bei Kleidung zum Beispiel funktioniert das schon mal nicht.“

Dennoch: Der Wunsch nach Zusammenhalt scheint vorhanden. Auf der Homepage der Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen wird der User mit dem Angebot „Gemeinsam da durch“ empfangen.

Es folgen ausführliche Informationen über die Unterstützung in der Coronakrise – Allgemeine Online-Anfragen zu Förderkrediten, KfW-Kredite, Informationen zu staatlichen Unterstützungsleistungen sowie „Weitere Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung“.

 

Reinold Rehberger
– 6. Februar 2021