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Immobilienfonds
Die eigene Psyche austricksen
Furcht, Panik oder Euphorie bestimmen zu oft das Geschehen an den Aktienmärkten. Etwas anders sieht dies im Bereich der Immobilien aus, erläutern Hirnforscher Hans-Georg Häusel und KGAL-Vertriebsexperte Matthias Weber.

Erinnern wir uns an den Ausbruch der Coronapandemie und den ersten Lockdown im März 2020: Dramatische Kurseinbrüche an den Börsen rund um den Globus waren die Folge. Der Deutsche Aktienindex (Dax) beispielsweise verlor binnen kürzester Zeit von seinem historischen Hoch nahezu 40 Prozent. Die Investitionsbereitschaft vieler Anleger ging gegen Null – sowohl der privaten als auch der institutionellen. Kühle Berechnung – oder eher schiere Panik?

Nur ein paar Monate später hatte sich der Kapitalmarkt größtenteils erholt, der Dax erstrahlte im alten Glanz. Dann bahnte sich im Herbst die zweite Welle an. Erneut sanken die Kurse rapide, wenn auch nicht so stark wie im März – um sich nur wenig später wieder zu erholen. Diesmal getragen von den positiven Studienergebnissen von Biontech und Pfizer gepaart mit der Hoffnung, zeitnah einen Impfstoff auf den Markt bringen zu können und damit der Bekämpfung von Covid-19 ein großes Stück näher gekommen zu sein. Schon frühere Krisen zeigten ähnliche Muster, die allein mit rein rationalen Überlegungen und klassischen Modellen zur Kursentwicklung nicht zu erklären sind, sondern bisweilen auch mit übertriebener Furcht, Panik – oder im Gegenteil: mit Euphorie.

Zur Erklärung bedarf es eines Blickes auf die menschliche Psyche – und letztlich ins menschliche Gehirn. Denn auch die emotionalen Erwartungen der Anleger hinsichtlich der wirtschaftlichen Zukunft spielen eine Rolle. Sieht diese vielversprechend aus, sind die Anleger voller Hoffnung und Optimismus. Wirkt die Zukunft verstärkt unsicher, sind auch die Menschen voller Pessimismus und Sorge, wobei Unsicherheit und Angst eine negativere Wirkung zu haben scheinen als relativ schlechte, aber zumindest klare Aussichten. Wie gerade Privatanleger dabei denken und warum sie in den letzten Monaten in welcher Form reagiert haben, lässt sich somit auch psychologisch erklären.

Entscheidungsgrundlage Emotionen

Um die Handlungen von Anlegern während der Krise verstehen zu können, ist es wichtig, die Emotionssysteme im Gehirn zu begreifen. Wir müssen uns die Frage stellen, was genau im Unterbewusstsein im Kopf passiert: Unser Gehirn lässt sich in das konservative Angstsystem sowie dessen Gegenspieler, das Dominanz- und Stimulanzsystem, unterteilen. Dominanz-und Stimulanzsystem sehen dabei als risikofreudiger Komplex im Gehirn positiv und hoffnungsvoll in die Zukunft.

Das Angstsystem wiederum hat Sorge vor dem, was kommt, und möchte risikoreiche Situationen vermeiden. Dementsprechend leben alle Menschen durchgehend in einem Spannungsfeld zwischen Aufbruch, Veränderung und Risikobereitschaft auf der einen und Risikovermeidung und Bedenken auf der anderen Seite. Selbst Entwicklungen an der Börse werden von Emotionen bestimmt. Wer die Gefühle und Gedankengänge der Menschen versteht, versteht daher auch ihr Investitionsverhalten.

Panik als emotionstreibender Faktor

Covid-19 bedeutete für viele vor allem zu Beginn Unsicherheit und Angst, bis zur Panik. Anleger waren beunruhigt und wollten ihre Aktien, Anleihen oder Fondsanteile so schnell es geht verkaufen. Panik ist jedoch nur eine besonders starke Reaktion unseres Balance-Systems in unserem Gehirn, welches für Angst oder Sicherheit zuständig ist. Da eine Krise zwangsläufig Sorge bedeutet, ist das Angstsystem im Gehirn zu dieser Zeit besonders aktiv.

Menschen leben in existenzieller Sorge und wissen nicht, wie ihre Zukunft aussieht. Dementsprechend sind sie auch bei Anlageentscheidungen besonders vorsichtig. Doch die Anlagebereitschaft in relativ risikoarme Investitionen wie Bundesanleihen oder Immobilien ist dann immer noch wesentlich höher als in volatilere Assets wie beispielsweise Aktien oder gar Optionsscheine und Hedgefonds.

Normalerweise schwankt die Stimmung an den Börsen zwischen Bullen (Stimulanzsystem) und Bären (Angstsystem). Mal haben die einen etwas die Oberhand, mal die anderen. Die Pandemie hat jedoch zu einem plötzlichen Ausbruch von Panik geführt, in der alle auf die Bärenseite überlaufen. Die daraus entstandenen Kurseinstürze bilden dann nicht mehr die tatsächlichen Konjunktur- und Gewinnerwartungen ab, sondern sind vielmehr eine Reaktion der übertriebenen Angst der Anleger auf die neue Situation.

In Momenten wie diesen wird das im Alltag oftmals beruhigend eingreifende Großhirn ausgeschaltet. Zudem beobachten Anleger die Handlungen anderer Anleger und sehen sich, sofern diese ebenfalls verkaufen, in ihrer Angst bestätigt und werden noch ängstlicher. Die Kapitalmärkte gleichen in dieser Situation oftmals einer Reihe von Dominosteinen. Beginnen einige Anleger ihre Aktien zu verkaufen, eifern ihnen viele blind nach. So verstärkt sich die Panik und die Kurse geraten immer weiter in den Keller.

Geringe Anfälligkeit auf dem Immobilienmarkt

Panik als Symptomatik für vorschnelle Entschlüsse zieht sich prinzipiell durch Verkaufs- beziehungsweise Kaufentscheidungen sämtlicher Kapitalanlagen. Doch während vor allem Aktienmärkte, aber auch hochverzinsliche Anleihen oder alternative Anlagen wie Rohstoffe, sehr volatil und anfällig für womöglich übereilte Entscheidungen sind, bewegen sich die Immobilienmärkte relativ träge.

Panikartige Verkäufe sind schon deshalb relativ selten, weil Transaktionen einen sehr viel höheren Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand verursachen. Eine Immobilientransaktion geht nicht binnen (Milli-) Sekunden vonstatten wie ein Aktiengeschäft. So reagieren die Immobilienmärkte erst mit gewissen Zeitverzögerung – und somit zumeist erst, wenn sich die ursprüngliche Panik als berechtigte Sorge entpuppt und eine längerfristige Krise droht.

Wesentlich fungibler – also leichter handelbar – als Immobilien-Direktinvestments sind Offene Immobilienfonds (OIF). Ihre frühere Anfälligkeit für Panikreaktionen wurde ihnen nach den Erfahrungen aus der letzten Finanzkrise größtenteils entzogen, als eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren sowie eine Rücknahmefrist von einem Jahr eingeführt wurden.

Das Resultat zeigte sich im März 2020, als es an den Aktienmärkten schwere Erschütterungen gab: Kaum Bewegung bei den Rücknahmepreisen und nur sehr geringfügige Börsenkursbewegungen bei den gelisteten Fonds, die sehr schnell wieder ausgeholt waren. Erst langfristig wird man sehen, ob und inwieweit vereinzelte Wertanpassungen notwendig sind – kühl berechnet, nicht panikartig.

Die Autoren, Matthias Weber (Head of Sales Open Investment Funds von KGAL) und Hans-Georg Häusel (Hirnforscher und Wirtschaftspsychologe), sehen Immobilien und Immobilienfonds im Vorteil in Bezug auf weniger emotionale und besser planbare Anlagemöglichkeiten.
Hans-Georg Häusel, Matthias Weber
– 2. März 2021